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Gutachten: Umweltfreundliches Verhalten muss gezielt gefördert werden

Lange Zeit lag der Fokus der Umweltpolitik vor allem auf umweltfreundlichen Produktionsprozessen. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen sagt: Das allein reicht nicht mehr.
Stadt und Natur verschmelzen
Jeder und jede Einzelne muss umdenken und das eigene Verhalten anpassen, wenn Umweltschutz erfolgreich sein soll.

Nicht nur müssen Hersteller von Waren und Dienstleistungen klima- und umweltfreundlicher produzieren – auch jeder und jede Einzelne muss umdenken und das eigene Verhalten anpassen, wenn Umweltschutz erfolgreich sein soll. Zu diesem Schluss kommt ein neues Gutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen. Für drei Beispiele – den Fleischkonsum, die Nutzung von Smartphones und die Gebäudesanierung – haben die Mitglieder des Rats darin skizziert, wie die deutsche Politik Verhaltensänderungen am besten fördern könnte. »Die vielfältigen Umweltkrisen unserer Zeit lassen sich nur bewältigen, wenn wir die Art und Weise verändern, wie wir leben – also wohnen, konsumieren, uns fortbewegen und ernähren«, schreibt das siebenköpfige Gremium.

Umweltfreundliche Angebote der Hersteller haben oftmals nicht den gewünschten Effekt, wenn sich nicht auch die Nachfrage der Konsumentinnen und Konsumenten ändert. Wird etwa die deutsche Fleischherstellung gedrosselt, während der Fleischkonsum insgesamt gleich bleibt, kann das dazu führen, dass mehr Fleisch aus dem Ausland importiert wird, das möglicherweise unter geringeren Umweltstandards produziert wurde. Langlebigere Smartphones sind nur dann vorteilhaft, wenn Menschen sie auch tatsächlich länger verwenden. Und technologische Fortschritte beim klimafreundlichen Heizen helfen nur dann, wenn Eigentümerinnen und Eigentümer die finanziellen Möglichkeiten, Anreize und Informationen haben, um die neuen Technologien zu nutzen.

Wichtig aber sei es vor allem, das betonen zahlreiche nicht am Gutachten beteiligte Expertinnen und Experten, dass die Politik klar und transparent kommuniziert. So etwa Immanuel Stieß, Leiter des Forschungsschwerpunkts Energie und Klimaschutz im Alltag am Institut für sozial-ökologische Forschung in Frankfurt am Main. »Um die Klimaschutzziele bis 2045 zu erreichen, müssen fast alle Gebäude angepasst werden. Diese wichtige Botschaft muss klar kommuniziert werden, was viel zu selten geschieht«, sagte er gegenüber dem Science Media Center. Für viele Menschen sei die Ansage der Bundesregierung, dass ab 2024 keine neuen fossilen Heizungen mehr eingebaut werden dürfen, eine große Herausforderung. »Die Finanzierung ist noch nicht klar planbar. Hinzu kommt, dass angesichts langer Investitionszyklen eine Fehlentscheidung ein erhebliches Risiko bedeutet. Viele fühlen sich damit tendenziell überfordert.« Solche und ähnliche Probleme arbeite das Gutachten gut heraus.

Auch Cornelia Betsch, Leiterin der Arbeitsgruppe Gesundheitskommunikation am Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg, lobt die Arbeit des Sachverständigenrats. Der Ansatz sei »absolut begrüßenswert und zielführend – das Gutachten basiert auf dem Grundsatz, dass menschliches Verhalten verstanden werden muss, um es zu verändern«, sagt sie. »Die Veränderung von Verhalten muss immer im Konzert mit der Veränderung von Produktionsprozessen und politischen Rahmenbedingungen gesehen werden.« Das sei wichtig, da bisweilen beide Richtungen gegeneinander ausgespielt würden und sich so die jeweils andere Seite aus der Verantwortung ziehen könne.

Auf die Frage, wie sich der Fleischkonsum der Bevölkerung langfristig verringern lasse, antwortet Lukas Fesenfeld, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern, dass insbesondere eine sinnvolle Kombination und Abfolge von Maßnahmen wirkungsvoll und politisch realisierbar sei. »Im ersten Schritt können fördernde Maßnahmen – wie die Reduktion der Mehrwertsteuer auf pflanzliche Produkte und die Förderung attraktiver vegetarischer Optionen in Kantinen – den Fleischkonsum effektiv reduzieren und eine nachhaltige Esskultur stärken«, sagt er. Empirische Studien wiesen zudem darauf hin, dass eine wachsende Erfahrung der Verbraucher und Verbraucherinnen mit hochwertigen Fleischalternativen ein besonders wichtiger Faktor sei, um den Fleischkonsum zu reduzieren.

Weil Verbote ein schlechtes Image haben, unterscheidet der Sachverständigenrat in seinen Empfehlungen unter anderem zwischen Push-Maßnahmen, die umweltschädliches Verhalten erschweren, und Pull-Maßnahmen, die umweltfreundliches Verhalten begünstigen. Gerhard Reese, Professor für Umweltpsychologie an der Universität Koblenz-Landau, empfiehlt, solche Maßnahmen zusammenzudenken. »Wir sollten nicht von flächendeckenden Verboten reden, sondern von Regulierungen, die einzelne besonders schädliche Verhaltensweisen einschränken. Beispiele dafür sind ein Tempolimit – wie überall sonst in Europa – oder das Verbot von Kurzstreckenflügen. Solche Regulierungen betreffen oft eine Minderheit, nutzen aber der gesamten Gesellschaft und sind gerecht, weil sich niemand ›rauskaufen‹ kann«, sagt er.

Allerdings, so betont der geschäftsführende Direktor des Center for Environmental Systems Research an der Universität Kassel, Andreas Ernst, gebe es zahlreiche Situationen, in denen Verordnungen und Verbote deutlich wirksamer seien als Anreize. »Sie stellen sicher, dass sich möglichst alle daran halten. Dies wiederum ist ein wichtiger psychologischer Faktor: Nichts ist unangenehmer als der Eindruck, man folge einem umweltfreundlichen Appell oder Anreiz, bleibt damit aber allein auf weiter Flur.«

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