News: Wie Rüben die Welt veränderten
Die Wissenschaftler vermuten, daß sich mit dem Kochen von Wurzelknollen die Körpergröße und auch die Zahnform veränderten, mit denen sich Homo erectusvon ursprünglicheren menschlichen Vorfahren abgegrenzt hat. Zu diesen Ahnen gehört zum Beispiel Lucy, die sehr kräftige Zähne besaß, mit denen sie den ganzen Tag kauen konnte. In dieser Zeit waren auch die Männchen noch deutlich größer als die Weibchen. Mit der Entdeckung des Kochens vor etwa zwei Millionen Jahren verkleinerten sich jedoch die Zähne, und die Körpergrößen nahmen zu, wobei sich auch die Geschlechter annäherten: Homo erectus erschien auf der Bildfläche der Evolution.
"Wir vermuteten stark, daß Hominiden mit dem Erscheinen von Homo erectus vor etwa 1,9 Millionen Jahren begannen, das Feuer zu nutzen", sagt Laden. "Die Beweise für das Feuer in so früher Zeit waren allerdings ein bißchen dünn, aber als unsere Idee erst einmal bekannt wurde, schrieben uns Kollegen, die in Ost-Afrika arbeiten, daß sie selbst auch starke Hinweise auf eine so frühe Nutzung des Feuers gefunden haben, und das auch demnächst veröffentlichen werden. In jedem Fall hätte das Feuer nicht einen derartig zündenden Effekt auf die Evolution gehabt, wenn Wurzeln nicht bereits zum Nahrungsspektrum gehört hätten."
Laden und seinen Kollegen zur Folge aßen auch Lucy und ihre Verwandten Wurzeln, aber sie verzehrten sie roh. Dafür brauchten sie große Zähne und starke Kiefer. Durch das Kochen wurden die Knollen jedoch weicher, das Kauen einfacher und mehr Nährstoffe verfügbar. Außerdem konnten nun auch Nahrungsmittel genutzt werden, die ungekocht giftig sind. Im Zusammenhang damit konnten unsere Vorfahren ihren Lebensraum vom Regenwald auf die Savanne ausdehnen, da dort Wurzelknollen besonders häufig zu finden sind.
Die Wissenschaftler führen jedoch noch weitere grundlegende soziale Veränderungen im Leben der frühen Menschen an, die das Kochen hervorgerufen hat. Die gefundenen Knollen wurden nicht mehr an Ort und Stelle verspeist, sondern zu einem gemeinsamen Kochplatz gebracht. Dort jedoch könnten die stärkeren Männer womöglich den schwächeren Frauen ihre Vorräte weggenommen haben. Diese mußten also eine neue Überlebensstrategie entwickeln und sich Männer suchen, die bereit waren, sie gegen solche Übergriffe zu schützen. Und obwohl Liebe eigentlich durch den Magen gehen soll, war vielleicht doch das Äußere entscheidender: Frauen wurden schön und sexuell anziehend. Anders als bei den weiblichen Verwandten der Menschenaffen sind Frauen für Männer immer sexuell attraktiv, nicht nur in Brunftphasen. Dies könnte nach Meinung der Autoren grundlegend für die Entwicklung lebenslanger Beziehungen sein. Ganz entscheidend soll sich ihrer Meinung nach auch das veränderte Verhältnis der Körpergrößen ausgewirkt haben. In Lebensgemeinschaften, in denen die Männchen sehr viel größer als die Weibchen sind, bilden sich oft Harem-ähnliche Strukturen wie bei den Gorillas oder Promiskuität wie bei den Schimpansen aus. Dagegen ist bei ähnlicher Körpergröße die traute Zweisamkeit die Regel.
Ob nun die Männer oder die Frauen das Kochen erfunden haben, wissen die Wissenschaftler nicht. "Aber die Art von Konkurrenz, wie wir sie bei Primaten beobachten, hätte eine kochen-basierte Strategie unmöglich gemacht. Paarbindung und so eine Art Familie um einen Herd herum würden dagegen eine stabile, evolutiv sinnvolle Strategie darstellen", sagt Laden.
Fazit: Der Mensch ist, wie er ist, weil vor etwa zwei Millionen Jahren jemand auf die Idee kam, Karotten zu kochen.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 15.12.1998
"Mit Kopf und Fuß" - Spektrum Ticker vom 30.1.1998
"Die Zähne Afrikas" - Spektrum Ticker vom 5.5.1998
"So hell wie das ganze übrige Universum"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum der Wissenschaft 6/97, Seite 64
"Ein neues Modell der Homo-Evolution"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)
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