Mikroben: Wie Salmonellen das Hungergefühl manipulieren
Wer sich mit einer Lebensmittelvergiftung plagt, verspürt normalerweise alles andere als Hunger. Doch für die häufig ursächlichen Salmonellen ist dieser Zustand kontraproduktiv – denn wer nichts essen mag, kann auch irgendwann nichts mehr ausscheiden. Und das verhindert, dass sich die Bakterien auf neue Wirte ausbreiten können. Bestimmte Stämme von Salmonella haben jedoch einen Mechanismus entwickelt, mit dem sie das Gehirn überlisten und die Appetitlosigkeit aushebeln können. Janelle Ayres vom Salk Institute for Biological Studies in San Diego und ihr Team haben dazu Mäuse mit Salmonellen infiziert, die bei den Nagern bisweilen tödliche Infektionen und bei Menschen zumindest heftige Lebensmittelvergiftungen auslösen, wie die Wissenschaftler in "Cell" berichten. Während einige der angesteckten Mäuse jedoch völlig appetitlos wurden, aßen andere normal weiter, obwohl sie krank waren. Dafür starb die fressende Gruppe deutlich seltener als ihre Artgenossen.
Auslöser dieser unterschiedlichen Verhaltensweisen und Krankheitsverläufe war offensichtlich das Protein SlrP, das von manchen der Salmonellenstämme produziert wird, von anderen aber nicht. Mäuse, deren Salmonelleninfektion kein SlrP freisetzte, fraßen 20 Prozent weniger als die Vergleichsgruppe, dafür verschlimmerte sich bei ihnen die Krankheit und führte häufiger zum Tod. Ayres und Co vermuten daher, dass das Protein das Appetitgefühl manipuliert und damit gleichzeitig dafür sorgt, dass die Erkrankung nicht tödlich verläuft. Bei einer Salmonelleninfektion sendet der Vagusnerv bei den Mäusen Signale an das Gehirn, die den Appetit zügeln – eine normale Reaktion, die dafür sorgen soll, dass der Körper den Erreger aushungert.
Bei den eingesetzten Salmonellenstämmen hat dies jedoch für die Mäuse häufiger fatale Folgen. Normalerweise kommt der Keim nur im Darm der Tiere vor. Sobald jedoch die Nährstoffzufuhr wegen des Hungerns ausbleibt, breitet er sich auf Leber, Milz und andere Organe im Bauch aus. Darauf folgt eine heftige Entzündungsreaktion, denen viele Mäuse zum Opfer fallen. Damit scheiden die Nager aber auch keine Bakterien mehr aus, so dass die Salmonellen sich nur noch schlecht oder gar nicht mehr ausbreiten können. Mit Hilfe des SlrP entgehen sie diesem Schicksal jedoch: Sie sorgen dafür, dass ihre Wirte weiterhin fressen. Die Salmonellen müssen sich auf der Suche nach Energiequellen nicht weiter im Körper verteilen und erhöhen ihre Chance auf Weitergabe, weil die Mäuse Kot ausscheiden. Dieser wird von anderen Tieren berührt oder gar aufgenommen, so dass die Salmonellen potenzielle neue Überträger infizieren können.
Der an der Studie nicht beteiligte Neuroimmunologe Robert Dantzer von der University of Texas in Houston interpretiert die Funde von Ayres und ihren Kollegen gegenüber "Science" jedoch etwas anders: Ausschlaggebend sei weniger, dass die Tiere durch SlrP Hunger hätten, als vielmehr, dass sie deswegen auf Futtersuche ihren Unterschlupf verlassen müssten. Dadurch werde die Übertragung gewährleistet, während schwer erkrankte Individuen eher im Bau blieben, um ihre Kraft in den Kampf gegen die Erkrankung zu stecken.
Auch wenn die Ergebnisse von Mäusen sich nicht direkt auf Menschen übertragen lassen, so deuten sie doch zumindest darauf hin, dass Ernährungsempfehlungen bei Lebensmittelvergiftungen schwierig sind. Andere Untersuchungen an Mäusen, die mit Listerien infiziert wurden, zeigten beispielsweise gegenteilige Folgen: Hier starben mehr der erkrankten Tiere, wenn sie gefüttert wurden, während die hungernden Artgenossen öfter überlebten. Es hängt also vom Auslöser des Unwohlseins ab, ob man essen oder fasten sollte. Die Forscher um Ayres denken allerdings noch weiter: Sie überlegen, ob man mit Hilfe von SlrP vielleicht in der Zukunft appetitlose Krebspatienten oder ältere Menschen zu verstärkter Nahrungsaufnahme animieren könnte.
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