Direkt zum Inhalt

Seltsame Elastizität: Wie Spermien das dritte newtonsche Gesetz brechen

Eigentlich dürften Spermien in Wasser gar nicht vorwärtsschwimmen, weil sich ihre Schwanzschläge ausgleichen. Dass sie trotzdem vorankommen, verdanken sie einem mechanischen Trick.
Befruchtung einer Eizelle
Spermien erzeugen mit ihrem Schwanz eine zyklische Wellenbewegung.

In der mikroskopischen Welt gelten manchmal andere Gesetze – und einige vertraute Regeln gelten nicht mehr. So gilt in unserem Alltag das dritte newtonsche Gesetz, laut dem jede Kraft eine gleich große Gegenkraft erzeugt. Doch Spermien brechen bei ihrer Bewegung dieses Wechselwirkungsprinzip. Sie schwimmen, indem sie die dünnen Filamente an ihrem Hinterende hin- und herschlagen – und das, obwohl das eigentlich nicht funktionieren dürfte. Das Problem ist, dass Wasser für ein so kleines Objekt quasi zäh wird. Zellen schwimmen wie durch Honig, und dabei kann man sich durch eine reine Hin-und-her-Bewegung – wie zum Beispiel auch durch die Schwanzflosse von Fischen – nicht vorwärtsbewegen. Jede Bewegung, die die Zelle nach vorne treibt, wird durch die entgegengesetzte Bewegung wieder zunichtegemacht.

Trotzdem schaffen es Spermien offensichtlich zur Eizelle. Der Trick dabei ist, dass die Samenzellen nicht bloß im Stil von Indiana Jones mit ihrer Peitsche wedeln. Ihr Filament, Flagellum genannt, ist ein so genanntes aktives Material – es kann seine Elastizität an jedem Punkt gezielt verändern, was man als »odd elasticity« bezeichnet. Das klingt erst einmal nicht allzu bemerkenswert – doch wie das Flagellum dadurch beim Schwimmen Newtons drittes Gesetz verletzt, gibt Fachleuten nach wie vor Rätsel auf. Ein Team um Kenta Ishimoto von der Universität Kyoto hat nun ein Modell vorgestellt, wie das funktioniert. Wie die Forscher in der Fachpublikation »PRX Life« berichten, kann das dritte newtonsche Gesetz verletzt werden, weil die entlang des Flagellums eingebrachte zusätzliche Energie verändert, wie mechanische Kräfte innerhalb des Flagellums weitergegeben werden.

Die »Peitsche« des Spermiums schwingt zwar zyklisch hin und her, aber entlang seiner Länge verändert sich dabei die Elastizität auf exotische Weise. Über bestimmte Strecken verhält sich das Material sogar, als hätte es eine negative Elastizität. Dadurch kann sich das Flagellum gezielt an bestimmten Punkten durch die umgebende Flüssigkeit bewegen, als wenn es keine gleich große Rückstellkraft erfahren würde – und andererseits die Rückstellkraft an anderen Punkten für den Vortrieb nutzen. Die Kräfte, die während des zyklischen Hin-und-her-Schlagens auf das Spermium als Ganzes wirken, gleichen sich nicht über den Bewegungszyklus hinweg aus, wie es bei einem ganz normal elastischen Material der Fall wäre. Dadurch kann das Spermium eine Kraft nach vorne erzeugen, obwohl sich das Flagellum symmetrisch nach beiden Seiten bewegt.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.