Neuronale Plastizität : Stress blockiert Nervenverschaltung und fördert Depressionen
Chronischer Stress, der durch wiederholte belastende Ereignisse hervorgerufen wird, hat viele gesundheitliche Folgen; oft führt er bei Betroffenen schließlich zu schweren Depressionen. Der biologische Hintergrund dieses Zusammenhangs ist allerdings noch nicht im Detail bekannt. Es fällt aber auf, dass Stress genau jene typischen Veränderungen in der Gehirnverschaltungsdynamik hervorruft, die auch bei depressiven Patienten zu beobachten sind. Ronald Duman von der Yale University und seinen Kollegen gelang es nun, einen biochemischen Zusammenhang zwischen beiden Beobachtungen herzustellen: Ein bestimmtes für die Neuverknüpfung von Neuronen verantwortliches Regulatorprotein wird bei chronischem Stress wirkungslos; bekannte Antidepressiva wirken dem entgegen.
Die Forscher erkannten den Zusammenhang in Versuchen mit Mäusen, die nach chronischem Stress depressive Verhaltensweisen entwickelten. Zudem produzierten die Nervenzellen des Hippocampus bei betroffenen Nagern deutlich weniger Neuritin – ein kleines Regulationsprotein, das mit der Neuroplastizität in Zusammenhang steht. Neuritin wird im Normalfall in den Synapsen der Zellen von besonders aktivem Nervengewebe stärker exprimiert; in der Folge fördert das etwa das Dendritenwachstum und die Regeneration der Nerven. Diese Aufgabe von Neuritin ist bei den gestressten, depressiven Mäusen unterbunden.
Stress: Das Gegenteil von Antidepressiva
Tatsächlich hat eine Totalblockade von Neuritin in Mäusen den gleichen Effekt wie chronischer Stress: Die Tiere werden rasch antriebslos und depressiv. Im Gegenzug wirkt von außen zugeführtes Neuritin stimmungsaufhellend und fördert die Neuroplastizität von gestressten Mäuse, wie die Forscher zeigen konnten.
Dies passt gut zu den Wirkmechanismen mancher Antidepressiva, beschreiben Duman und Co: Sie erhöhen die Konzentration des Nervenwachstumsfaktors BDNF (Brain-derived neurotrophic factor), der unter anderem auch die synaptische Plastizität fördert. Bekannt war bereits, dass die Menge an BDNF – so wie es nun auch für Neuritin gezeigt wurde – bei chronischem Stress und schweren Depressionen sinkt. Beide Moleküle gehören zu den ersten "frühen" Effektormolekülen, die aktiv werden, wenn neue Synapsen gebildet und verschaltet werden. Der Prozess wird offenbar gestoppt, wenn chronischer Stress auf Dauer durch Stresshormone wie Corticosteron einwirkt.
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