Mikrobiom: Wie uns Bakterien die Medikamente wegfuttern
Das Absterben bestimmter Nervenzellen im Gehirn führt bei Parkinsonpatienten zu einem Mangel am neuronalen Botenstoff Dopamin. Medikamente sollen den Dopaminmangel ausgleichen und damit die Symptome lindern. Oft ist dabei der Wirkstoff Levodopa oder L-Dopa die erste Wahl: Er wird im Gehirn zu Dopamin umgewandelt. Doch diese Behandlung schlägt nicht bei allen Patienten gleich gut an. Ein US-amerikanisches Team um Peter Turnbaugh von der University of California und Emily Balskus von der Harvard University meinen nun, dass daran bestimmte Bakterien schuld sind. Mit Hilfe ihrer Enzyme wandeln diese das Parkinsonmedikament bereits im Darm um und verhindern, dass es wie geplant seine Arbeit verrichten kann. Im Fachmagazin »Science« erklären die Forscher, wie man die Bakterien aufhalten und damit vielleicht die Behandlung von Parkinson verbessern könnte.
Es war bereits bekannt, dass das Mikrobiom von Patienten mitbestimmt, wie gut Levodopa gegen ihre Parkinsonsymptome hilft. Studien hatten gezeigt, dass der Dopamin-Vorläufer besser wirkt, wenn man den Betroffenen zugleich Breitbandantibiotika verabreicht. Allerdings tötet man damit auch Bakterien ab, die wichtig für Verdauung und Immunabwehr der Patienten sind. Das Team um Turnbaugh und Balskus wollte diesen Rundumschlag nun umgehen. Zunächst versuchte es daher herausfinden, welche Bakterien das Medikament abfangen und wie sie dies tun. Dazu durchforsteten die Wissenschaftler das Erbgut aller typischen Darmbakterien nach der Sequenz für Enzyme, die Levodopa in Dopamin umwandeln können, die Tyrosin-Decarboxylasen. Fündig wurden sie dabei zum Beispiel im Genom von Enterococcus faecalis. Als Nächstes untersuchten die Forscher diese Bakterien im Labor und in menschlichen Stuhlproben: In 12 von 19 Proben beobachteten sie, dass die Bakterien markiertes Levodopa abbauen. Dabei galt: Je stärker Enterococcus faecalis im Darminhalt einer Person vertreten war, desto mehr des Medikaments wurde umgesetzt.
Schon heute wird Parkinsonpatienten zusätzlich zu L-Dopa ein Hemmstoff verabreicht, der Decarboxylasen bremsen soll – zum Beispiel Carbidopa –, um den Abbau des Wirkstoffs vor dem Überwinden der Blut-Hirn-Schranke zu vermindern. Die Forscher um Turnbaugh beobachteten nun jedoch, dass Carbidopa zwar die Decarboxylasen des menschlichen Körpers stoppt, gegen die Enzyme der Bakterien jedoch wenig ausrichten kann. Das Team versuchte daher, diese mit einem anderen Molekül mit ähnlicher chemischer Struktur auszuschalten. Diese Verbindung, AFMT, blockierte tatsächlich ausschließlich das bakterielle Enzym. Die Bakterien in Stuhlproben, denen die Forscher sowohl Levodopa als auch AFMT zugesetzt hatten, konnten das Medikament also nicht mehr abbauen.
Das Team um Turnbaugh und Balskus schlägt deshalb vor, Parkinsonpatienten zusätzlich zu L-Dopa und Carbidopa Enzyme zu verschreiben, die wie AFMT bakterielle Decarboxylasen hemmen. Noch fehlen dazu allerdings Studien. Um die geeignete AFMT-Dosis zu bestimmen, müsste man zunächst die Bakterienverteilung in Stuhlproben von Parkinsonpatienten untersuchen. Das wäre ein Schritt in Richtung personalisierte Parkinson-Medizin. Zu bedenken bleibt, dass die Bakterien in unserem Darm verschiedenste Wirkstoffe abbauen oder aktiver – und womöglich giftiger – machen. Die Bakterien in unserem Darm spielen eine große Rolle für unsere Gesundheit und werden umgekehrt auch durch unseren Lebensstil, unsere Ernährung und die Medikamente, die wir einnehmen, beeinflusst.
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