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News: Wie werden Arbeitszeitkonten sicher?

Mit dem Ansparen von Überstunden auf Arbeitszeitkonten leben heute viele Unternehmen auf Kredit ihrer Beschäftigten - und diese tragen meist das Risiko für diesen Kredit, wenn ihr Arbeitgeber in Konkurs geht. Sie verlieren nicht nur ihren Arbeitsplatz, sondern häufig auch ihr Arbeitszeitguthaben. Die geltende Sozialgesetzgebung überlässt es den Tarifpartnern, eine geeignete Form der Insolvenzsicherung zu vereinbaren. Entsprechende Vorkehrungen wurden allerdings bisher in den wenigsten Unternehmen getroffen. Welche Form der Absicherung für welchen Fall am besten geeignet ist, haben Wissenschaftler nun ermittelt. Allerdings herrscht nach ihrer Meinung noch erheblicher Entwicklungsbedarf in diesem sensiblen Bereich.
Zahlreichen Arbeitgebern und Betriebsräten ist unklar, welche Form der Absicherung für ihr Unternehmen am besten geeignet ist. Darauf hat Gerhard Bosch, Vizepräsident des Gelsenkirchener Instituts Arbeit und Technik (IAT) im Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen, aufmerksam gemacht.

Im Rahmen des "Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit NRW" und im Auftrag des nordrhein-westfälischen Arbeitsministeriums hat das IAT die bisher praktizierten und neu geplante Modelle zur Insolvenzsicherung von Arbeitszeitguthaben untersucht und auf ihre Eignung und praktische Handhabbarkeit geprüft. Flexible Jahres- oder Mehrjahresarbeitszeiten können leicht zu Plusbeständen von mehreren hundert Arbeitsstunden führen, wie Jochen Schroth, wissenschaftlicher Mitarbeiter am IAT, erläutert. Bei Arbeitszeitmodellen, in denen Freistellungen im Alter oder Sabbaticals aus Arbeitszeitkonten bestritten werden, können die Kontenbestände sogar ein Mehrfaches der Jahresarbeitszeit ausmachen. Es geht also um Guthaben der Beschäftigten zwischen einigen tausend Mark bis in Einzelfällen über 200 000 DM, ergänzt Bosch. In vielen Betrieben wurden in den letzten Jahren beim Wiederanziehen der Konjunktur große Bestände aufgebaut, eine ganze Reihe von Unternehmen würde bei Auszahlung jetzt in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten oder müßte sogar Konkurs anmelden. Besonders virulent ist dieses Problem bei mittleren und kleineren Betrieben.

Durch das Insolvenzgeld des Arbeitsamtes werden nur die Lohn- und Gehaltsansprüche der letzten drei Monate vor der Insolvenz gesichert. Mit dem Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen von 1998 werden von den Vertragsparteien bei längerfristigen Ansparmodellen nur "Vorkehrungen" zur Sicherung der Wertguthaben gefordert. Werden solche Vorkehrungen nicht getroffen, sieht das Gesetz gegenwärtig keine Konsequenzen vor, betont Schroth. Der Verzicht auf eine obligatorische Insolvenzsicherung von Seiten des Gesetzgebers wurde damit gerechtfertigt, dass zunächst dem Flexibilitätsbedürfnis der Praxis Rechnung getragen werden müsse.

In einer Reihe von Branchen und Unternehmen hat man Lösungen zur Absicherung von Arbeitszeitguthaben gefunden, die meist allerdings auf Kosten der Liquidität gehen, da die Guthaben an Fonds oder Versicherungen abgeführt werden müssen, um sie wirklich zu sichern. Bei der Fondslösung richten Unternehmen für die Beschäftigten eigene Depotkonten bei einer Kapitalanlagegesellschaft ein. Die Arbeitszeitguthaben werden darauf eingezahlt, der Arbeitgeber ist zwar Depotinhaber und erhält die Kapitalerträge – sofern nach Abzug der Verwaltungskosten welche bleiben – , er hat jedoch ohne Zustimmung der Beschäftigten keinen Zugriff auf den Fonds.

Ohne Liquiditätsverlust ist die Absicherung von Arbeitszeitguthaben lediglich in Großunternehmen möglich, indem so genannte Konzernklauseln vereinbart werden, wonach die Mutterunternehmen im Fall der Insolvenz die Haftung übernehmen, erläutert Bosch. Nur für solvente Firmen kommen nach Darstellung des Gelsenkirchener Arbeitsmarktforschers Kautionsversicherungen oder Bankbürgschaften in Frage, da in der Regel eine Bonitätsprüfung damit verbunden ist, lediglich bei kleineren Guthaben reicht die Hinterlegung eines Teilbetrags (25 Prozent der Summe) als Sicherheit. Die Verpfändung von Wertpapieren als Sicherheit steht nur Unternehmen offen, die auch über entsprechende Bestände verfügen. Im Bauhauptgewerbe wurde tarifvertraglich vereinbart, daß Arbeitszeitkonten durch Bankbürgschaften, Sperrkonten mit treuhänderischen Pfandrechten oder Hinterlegung bei der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft abgesichert werden müssen.

Bosch und Schroth sind sich einig: Alle Modelle sind noch wenig erprobt und müssen von den Sozialpartnern, Unternehmen, Banken und Versicherungen weiterentwickelt werden. Welche Variante der Insolvenzsicherung jeweils für die Beschäftigten und ihr Unternehmen die Beste ist, hängt davon ab, ob eine möglichst vollständige Sicherheit gewährleistet werden kann und wie leicht und unkompliziert das Modell zu handhaben ist.

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