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Erfolg im Sport: Der späte Vogel fängt den Wurm

Eines Tages zur Weltklasse zu gehören, ist der Traum von vielen Athletinnen und Athleten. Vergleichsweise spät mit dem Training zu beginnen, ist keineswegs von Nachteil.
Zu sehen sind die Beine und Füße dreier Sportlerinnen auf dem Treppchen stehend.

Wer im Sport zu den Besten zählen will, muss weder früh anfangen noch tagein, tagaus dasselbe trainieren. Sich in mehr als einer Disziplin zu üben, führt langfristig eher an die Spitze. Zu diesem Schluss kommt der Sportwissenschaftler Arne Güllich von der TU Kaiserslautern gemeinsam mit US-Kollegen in einer Metaanalyse, bei der rund 50 internationale Studien einbezogen wurden.

Die Forschungsgruppe stützt sich dabei auf Daten von mehr als 6000 Topsportlerinnen und -sportlern, darunter 772 aus der Weltklasse, 15 Nationalitäten und sämtliche olympischen Disziplinen. Frühe Erfolge in einer Sportart sind demnach keine Voraussetzung, um es darin zum Meister zu bringen. Die erwachsenen Weltklassesportler begannen im Schnitt später mit Training und Wettbewerben und machten anfangs langsamer Fortschritte. Bei den bereits früh erfolgreichen Jugendlichen war es umgekehrt: Sie waren früher gestartet und hatten schon mehr trainiert.

Ein optimales Alter für den Trainingsstart nennt die Studie nicht, gibt aber Anhaltspunkte: »Das durchschnittliche Einstiegsalter liegt zwischen 4,9 und 11,8 Jahren.« In »Frühstarter«-Sportarten wie Kunstturnen, Tennis und Männerfußball geht es meist schon im Grundschulalter los, in »Spätstarter«-Sportarten wie Triathlon und Rudern erst zwischen 14 und 18 Jahren. In anderen Disziplinen streut das Einstiegsalter stark und reicht von 8 bis 16 Jahre. »Aber in allen Typen von Sportarten lag das Einstiegsalter der späteren Weltklasseathleten rund zwei Jahre über dem der nationalen Klasse«, sagt Arne Güllich.

Bis zum 25. Lebensjahr hatten die Erwachsenen im Schnitt rund 9000 Stunden geführtes Training in ihrer Hauptsportart absolviert, darüber hinaus etwa 1000 Stunden in anderen Disziplinen. Bei Spitzenathleten war das Verhältnis noch ausgeglichener. »Erwachsene Weltklassesportler nahmen in der Kindheit und Jugend häufiger auch an angeleiteten Trainings in anderen Sportarten teil.«

Auch unter Nobelpreisträgern gibt es viele Spätstarter

Warum unterschiedliche Trainingserfahrungen dem späteren Erfolg dienen, sei noch offen, schreiben Güllich und seine Kollegen. Die Vielfalt könne Burnout und Verletzungen vorbeugen sowie das spätere Erlernen spezifischer Fertigkeiten erleichtern oder die Chance erhöhen, den passendsten Sport auszuwählen. Bei Erfahrungen in verschiedenen Disziplinen gehe es zwar anfangs langsamer voran, aber die langfristige Entwicklung sei nachhaltiger. Auch in der Wissenschaft gebe es viele Spätstarter, wie eine Studie zeige: 42 von 48 deutschen Nobelpreisträgerinnen und -preisträgern hätten zunächst in mehreren Disziplinen Erfahrungen gesammelt.

Weltklassesportler, die früh angefangen haben, sind den Forschenden zufolge die Ausnahme, nicht die Regel. Nur selten sehe man Karrieren wie die der Williams-Schwestern, die beide schon mit drei Jahren Tennis spielten und mit 17 ihr erstes Grand-Slam-Turnier gewannen. Ein aktuelles Gegenbeispiel ist der deutsche Sportler Oliver Zeidler. Er wechselte erst mit 20 Jahren vom Schwimmen zum Rudern.

Ein derart später Karrierestart wäre mit den üblichen Talentförderungsprogrammen kaum möglich, wie Güllich und seine Kollegen kritisieren. Dort würden häufig Jugendliche gesucht, die bereits leistungsstark sind und in ihrem Sport schon viel trainiert haben. Das gehe dann so weiter, mit kurzfristigen Erfolgen, aber zu Lasten der langfristigen Entwicklung. Eine frühe Talentförderung sei »weder nötig noch hilfreich für langfristigen Erfolg im Erwachsenenalter«.

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