Artenschutz: Deutschlands Tiere im Fadenkreuz der Wilderer
Abgeschlachtete Elefanten, denen die Gier nach Elfenbein zum Verhängnis wurde. Nashörner, die wegen ihres in der traditionellen asiatischen Medizin begehrten Horns ins Visier internationaler Verbrechersyndikate geraten sind. Das sind die Bilder, die wohl die meisten Menschen mit Wilderei in Verbindung bringen. Doch das illegale Töten von Wildtieren ist keineswegs nur ein afrikanisches oder asiatisches Problem. Auch Deutschland steht in dieser Hinsicht keinesfalls mit weißer Weste da – auch wenn viele das vielleicht zuerst nicht glauben wollen. Denn selbst streng geschützte Arten können sich hier zu Lande nicht unbedingt sicher fühlen – vor allem nicht, wenn es sich um Raubtiere oder Greifvögel handelt. Sie werden erschossen, vergiftet, verschwinden spurlos irgendwo in der Versenkung. Und nur in den seltensten Fällen wird ein Täter erwischt.
"Bei uns hat diese Form von Kriminalität zwar längst nicht die Dimensionen wie in Afrika", betont Christof Schenck von der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF). Dort aber werde vielerorts wesentlich mehr Aufwand betrieben, um solche Fälle aufzuklären. In Deutschland sieht der Experte dagegen durchaus noch Nachholbedarf: "Wenn wir die Elefantenwilderei kritisieren, während vor unserer eigenen Haustür ungestraft Raubtiere abgeschossen werden, kommen wir international schon in Argumentationsnöte." Da genügt es auch nicht, dass Deutschland zusammen mit Gabun Ende Juli eine Resolution der Vereinten Nationen angestoßen hat, welche die Bekämpfung der Wilderei zum Ziel hat. Damit ist es noch lange nicht getan.
Luchse im Bermuda-Dreieck Bayerns
Als Direktor des Nationalparks Bayerischer Wald kennt Franz Leibl das Problem aus seiner unmittelbaren Nachbarschaft. Denn auch im Umkreis dieses Schutzgebiets haben unbekannte Täter in den letzten Jahren immer wieder zugeschlagen. Die Opfer: Europäische Luchse. Die großen Katzen mit den Pinselohren haben hier und in den angrenzenden Teilen des Böhmerwalds in Tschechien und Österreich eine ihrer mitteleuropäischen Hochburgen. Insgesamt 60 bis 80 erwachsene Tiere sollen jüngsten Erhebungen zufolge durch die Wälder der Region streifen. Und dank ungestörter Kinderstuben im Nationalpark Bayerischer Wald und auf tschechischer Seite im angrenzenden Nationalpark Šumava vermehren sie sich auch recht gut. Experten hatten daher gehofft, dass die einst ausgerottete Art von hier aus weitere Teile ihres ehemaligen Verbreitungsgebiets zurückerobern könnte. Dazu müssten die Jungtiere nur abwandern und sich in der Nachbarschaft der schon besetzten Territorien ein eigenes Revier suchen.
"Geeignete Lebensräume gäbe es auch außerhalb der Schutzgebiete genug", sagt Franz Leibl. "Nur tauchen die Tiere dort nicht auf." Spurlos verschwinden sie in einer Art Bermuda-Dreieck des Artenschutzes. Und manchmal auch nicht ganz so spurlos.
Erst im Mai wurden im Landkreis Cham vier abgeschnittene Luchsbeine entdeckt und zur Untersuchung ans Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin geschickt. Dort konnten die Forscher nicht nur ermitteln, dass es sich um die Überreste von zwei verschiedenen Tieren handelte. "Bei einem davon haben wir auch ältere Geschosspartikel gefunden", sagt IZW-Pathologin Claudia Szentiks. "Offenbar wurde es etwa zwei Monate vor seinem Tod schon einmal beschossen."
Es war nicht das erste Mal, dass manche der streng geschützten Katzen nachweislich illegal getötet wurden. Im März 2012 traf es ein Weibchen namens Tessa, das Wissenschaftler zu Forschungszwecken mit einem Sendehalsband ausgerüstet hatten. Nationalpark-Mitarbeiter entdeckten das verendete Tier neben einem toten Rehbock. Damals fanden die Wissenschaftler des IZW Hinweise auf einen Giftanschlag: Jemand hatte das tote Reh offenbar mit dem Insektizid Carbofuran präpariert und darauf gesetzt, dass Luchse so lange zu ihrer Beute zurückkehren, bis nichts mehr davon übrig ist. Gegen das starke Nervengift, dessen Einsatz in der Europäischen Union seit 2008 verboten ist, hatte die Luchsin keine Chance. Genauso wenig wie eine trächtige Artgenossin, die ein Jahr später bei Bodenmais im Landkreis Regen an einer Schrotladung starb.
Ähnliche Fälle gibt es auch jenseits der Grenzen. Pavel Hubený, der Direktor des Nationalparks Šumava, erinnert sich noch gut an ein mit einem Sendehalsband ausgerüstetes Tier, das er und seine Kollegen eigentlich schon verloren gegeben hatten. Lange Zeit sendete es einfach kein Signal mehr. War es tot? Oder hatte die Technik den Geist aufgegeben? Es sah nicht so aus, als würden die Forscher es je erfahren. "Dann aber saß dieser Luchs eines Tages ein zweites Mal in unserer Falle", berichtet Pavel Hubený. "Und in seinem Halsband hatte sich die Spur einer Kugel eingegraben." Die Sendetechnik hatte das zwar nicht überlebt, aber der Luchs.
Weniger Glück hatte dagegen eine Artgenossin in Österreich, die im Sommer 2013 nur durch einen Zufall in einem kleinen Bootshafen in der Nähe der Mündung des Flusses Ysper in die Donau gefunden wurde. Unbekannte hatten das offenbar erschossene Tier mitsamt seinem Nachwuchs in einen Plastiksack gesteckt und mit Steinen beschwert ins Wasser geworfen. Die bei der Verwesung entstehenden Gase trieben das unappetitliche Paket dann wieder an die Oberfläche – und der Gestank erregte bald Aufmerksamkeit.
"Wir haben aber auch viele indirekte Hinweise auf illegale Luchstötungen", sagt Thomas Engleder vom Luchsprojekt Österreich Nordwest. So fallen in Österreich und Bayern immer wieder verwaiste Jungluchse auf, die schon im Oktober und November allein unterwegs sind. "Da sie eigentlich erst im folgenden Frühjahr selbstständig werden, ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass ihre Mutter tot ist", erklärt der Forscher. Und er hält es nicht für Zufall, dass all diese Weibchen ausgerechnet während der Jagdsaison ums Leben kommen. Für ihren Nachwuchs bedeutet ihr Verschwinden meist ebenfalls das Ende. Wenn die unselbstständigen Jungluchse nicht gefunden und in menschlicher Obhut aufgepäppelt werden, verhungern sie.
Geschossene Wölfe, vergiftete Vögel
Wolfswaisen, die in einem größeren Rudel leben, können immerhin auf die Unterstützung von Artgenossen zählen. Und die ist oft bitter nötig. Denn Wölfe gehören zu den Arten, die in Deutschland besonders häufig Opfer von Wildtier-Kriminalität werden. Allein die Bilanz des letzten Jahres ist erschreckend. Im Juli 2014 erschossen Unbekannte einen Wolf bei Malschendorf in Sachsen. Im August 2014 wurde ein getöteter Artgenosse im Naturschutzgebiet Lieberoser Heide in Brandenburg gefunden, ein weiterer im Dezember 2014 ebenfalls in Brandenburg im Landkreis Elbe-Elster. Beiden Tieren hatten die Täter die Köpfe abgeschnitten. Im Oktober 2014 folgte dann ein weiterer Wolf in der Nähe der brandenburgischen Stadt Bad Belzig, im März 2015 traf es wieder einen Rüden im Landkreis Elbe-Elster und einen weiteren in Sachsen. Und im Juli starb noch ein Tier, ebenfalls durch Beschuss in Sachsen.
Alle diese Opfer hat Claudia Szentiks vom IZW vor sich auf dem Sektionstisch gehabt. Wann immer in Deutschland ein Wolf zu Tode kommt, wird er zur Untersuchung nach Berlin geschickt – egal, ob er Opfer eines Verbrechens oder eines Verkehrsunfalls geworden ist. Dort durchleuchten die Forscher das Tier im Computertomografen, entnehmen seine Organe, untersuchen es auf Parasiten und Bakterien, Viren und Gifte. So versuchen sie, einen Überblick über den Gesundheitszustand und die Todesursachen der deutschen Wölfe zu gewinnen. "In forensischen Fällen geht es natürlich auch immer darum, die Beweislage zu sichern", erklärt die Pathologin. Da wird zum Beispiel der Ein- und Ausschussweg bestimmt und nach Geschosspartikeln gesucht. Oft finden sich dabei die Reste von Jagdmunition. "Und bei Tieren, die durch andere Ursachen ums Leben kamen, sehen wir immer häufiger Indizien dafür, dass sie in ihrem Leben bereits beschossen wurden", sagt Claudia Szentiks. "Mitunter auch mehrfach." Die Luft scheint für deutsche Wölfe ziemlich bleihaltig zu sein.
Täter, die es auf Greifvögel und Eulen abgesehen haben, arbeiten dagegen oft mit speziellen Fallen wie den so genannten Habicht-Fangkörben. Und noch häufiger greifen sie zu Giftködern. Das Insektenvernichtungsmittel Carbofuran, das schon die Luchsin Tessa das Leben kostete, haben Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität München kürzlich zum Beispiel auch in einem toten Uhu nachgewiesen. Spaziergänger hatten das ausgewachsene Weibchen Mitte Juni auf einem Feldweg bei Beratzhausen im Landkreis Regensburg gefunden – direkt neben einem toten Huhn ohne Kopf, das mit dem Pestizid präpariert war. "Der Giftköder war zwar aller Wahrscheinlichkeit nach nicht für den Uhu, sondern für einen Fuchs bestimmt", meint Norbert Schäffer vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) in Hilpoltstein. Vielleicht hat dieser Uhu also einfach Pech gehabt. In vielen anderen Fällen aber werden Greifvögel und Eulen ganz gezielt zu Opfern illegaler Nachstellungen. Dass die meisten Arten in Deutschland unter strengem Schutz stehen, scheint die Täter dabei nicht zu kümmern. Allein zwischen 2004 und Mitte 2014 hat das Komitee gegen den Vogelmord in Bonn bundesweit mehr als 680 solcher Fälle dokumentiert. Mindestens 1130 Vögel wurden dabei gefangen, verletzt oder getötet, ihre Bruten gestört oder vernichtet. Und das dürfte nur die Spitze des Eisbergs sein. Das Komitee schätzt, dass weniger als zehn Prozent aller illegalen Greifvogeltötungen überhaupt bekannt werden.
Hass statt Geld?
Was aber treibt die Täter eigentlich zu solchen Aktionen? "Ums Reichwerden kann es ihnen kaum gehen", meint Christof Schenck von der ZGF. Für einen toten Wolf, Luchs oder Uhu gibt es eigentlich keinen Absatzmarkt, und schon gar nicht lassen sich so Schwindel erregende Gewinne erzielen wie mit Elfenbein oder Nashornpulver. Und auch andere wirtschaftliche Gründe hält der Experte für unwahrscheinlich. Denn wenn sich zum Beispiel Wölfe an Haustieren vergreifen, bekommen die Besitzer vielerorts eine Entschädigung dafür. In manchen Fällen geht es den Tätern womöglich um eine Trophäe für den Hausgebrauch. Sowohl bei den geköpften Wölfen als auch bei den abgetrennten Luchsbeinen hält IZW-Pathologin Claudia Szentiks das durchaus für möglich.
Das wohl stärkste Motiv aber ist nach Einschätzung vieler Naturschützer ein regelrechter Hass auf Raubtiere. "Beim Gedanken, dass es in Deutschland vom Menschen unkontrollierte Wildnis geben könnte, haben einige Leute ohnehin schon ein mulmiges Gefühl", erklärt Christof Schenck. Das zeigt so manche Diskussion über die Einrichtung von Nationalparks sehr deutlich. Wenn dann noch der Eindruck aufkommt, irgendwelche weit entfernten Stadtbewohner wollten den Menschen vor Ort eine solche Entwicklung aufzwingen, kochen die Emotionen schnell hoch. "Und gerade Raubtiere polarisieren in solchen Situationen besonders stark", sagt der ZGF-Mitarbeiter.
Was tun bei einem Fund?
Wenn Sie einen toten Luchs oder Wolf finden, sollten Sie nichts anfassen und stattdessen die Polizei sowie örtliche Naturschutzverbände informieren. In Bayern existiert zudem eine Hotline, in der Fälle von vergifteten Greifvögeln gemeldet werden können. Der Landesbund für Vogelschutz bietet zudem eine kostenfreie Broschüre zum Thema im Download an.
Schließlich hat der Wolf seit jeher mit seinem Ruf als reißende Bestie zu kämpfen. Naturschützer sprechen in diesem Zusammenhang gern vom "Rotkäppchen-Syndrom". Luchse haben heutzutage zwar ein deutlich besseres Image. Doch nicht jeder scheint den großen Katzen die gerissenen Rehe zu gönnen: "Manche Jäger sehen die Art wohl immer noch als Konkurrenz an", meint Nationalparkdirektor Franz Leibl. Die vier abgeschnittenen Gliedmaßen interpretiert er dagegen als eine Art demonstrativen Protest gegen den Naturschutz. Der Landesbund für Vogelschutz vermutet beispielsweise einen Zusammenhang zwischen den getöteten Luchsen und dem Einsatz der Organisation für ein Luchsschutzgebiet am Kaitersberg im Bayerischen Wald. Hier wurde eine 37 Hektar große Fläche, die die Tiere zur Jungenaufzucht und als Rückzugsraum nutzen, als Naturschutzgebiet ausgewiesen – was in Teilen der lokalen Politik und Kletterszene auf heftige Kritik stieß.
Bisher sind das alles aber nur Vermutungen. Denn nur in den wenigsten Fällen ist es gelungen, die Verantwortlichen dingfest zu machen und ihre Motive zu ermitteln. Einigen Tauben- und Geflügelzüchtern, die um ihre Schützlinge fürchteten, konnte immerhin die illegale Verfolgung von Greifvögeln nachgewiesen werden. Und der Jäger, der im April 2012 einen Wolf im Westerwald erschoss, hat sich selbst gestellt. Nach eigener Aussage hatte er das Tier mit einem Hund verwechselt.
Schwierige Ermittlungen
"Solche Jagdunfälle können sicherlich vorkommen", gesteht auch Claudia Szentiks vom IZW zu. Sie geht aber davon aus, dass in viel mehr Fällen Vorsatz im Spiel ist – insbesondere dann, wenn der Wolf nach der Tötung an einen anderen Ort geschafft wird. Die Jagdverbände distanzieren sich von solchen Taten. Die jüngste Luchstötung im Bayerischen Wald zum Beispiel verurteilte der Bayerische Jagdverband (BJV) scharf. Man werde alles tun, um die Arbeit der Polizei zu unterstützen, und bitte alle Mitglieder dabei um Mithilfe. "Wer einen Luchs illegal abschießt oder vergiftet, begeht eine Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe geahndet wird", betonte BJV-Präsident Jürgen Vocke. Ähnlich äußerten sich im Juli auch der Deutsche Jagdverband und der Landesjagdverband Sachsen nach dem Abschuss eines Wolfs im Landkreis Görlitz. Die beiden Organisationen stellten Strafanzeige gegen Unbekannt und forderten eine konsequente Strafverfolgung.
Die erweist sich allerdings oft als sehr schwierig. Da die Täter häufig nach dem einprägsamen Motto "schießen, schaufeln, schweigen" handeln, werden zahlreiche tote Tiere erst gar nicht gefunden. Und selbst wenn sie irgendwo auftauchen, steckt die Ermittlungsarbeit voller Tücken. Claudia Szentiks und ihre Kollegen vom IZW führen in solchen Fällen oft zahlreiche Telefongespräche mit der Polizei. Die Beamten fordern in Berlin zum Beispiel Geschossreste aus den Körpern der Opfer an oder interessieren sich für eventuell gefundene Fasern, die einen Hinweis auf den Täter liefern könnten. Wenn der Verdacht auf Vergiftung besteht, sprechen sie mit den Wissenschaftlern auch die toxikologischen Untersuchungen durch.
Doch allzu oft verlaufen die Spuren im Sand. Denn die verwendete Jagdmunition ist so weit verbreitet, dass sie sich kaum zurückverfolgen lässt. Zumal Bleigeschosse in der Regel aus Recyclingmaterial bestehen, so dass selbst ein chemischer Fingerabdruck nichts über ihre Herkunft verrät. "Oft haben wir es auch mit Fällen zu tun, in denen das Tier vom Tatort entfernt und irgendwo anders abgeladen wurde", sagt die Pathologin. Das macht es für die Ermittler noch schwieriger, verräterische Fußspuren oder Reifenabdrücke, Zigarettenkippen oder Geschossreste zu finden.
Doch sie versuchen es. Für sämtliche in Sachsen getöteten Wölfe hat seit Januar 2014 das Landeskriminalamt in Dresden die Ermittlungen übernommen – ein Schritt, den viele Experten sehr begrüßen. In Bayern und etlichen anderen Bundesländern sind dagegen nach wie vor die örtlichen Polizeidienststellen zuständig. Dort aber haben Naturschützer mitunter die Erfahrung gemacht, dass solche Straftaten nicht sehr ernst genommen werden, ganz abgesehen davon, dass es oft an Personal und Zeit für die Bearbeitung fehlt.
"Dabei handelt es sich ja nicht um Kavaliersdelikte", betont ZGF-Mitarbeiter Christof Schenck. Seine Organisation war zum Beispiel jahrzehntelang an einem Projekt zur Wiederansiedlung des Bartgeiers in den Alpen beteiligt. "Die Aufzucht und das Auswildern eines einzigen solchen Vogels kostet ungefähr 75 000 Euro", sagt der Zoologe. Wer einen Bartgeier illegal tötet, was durchaus schon vorgekommen ist, richtet also jede Menge Schaden an. Da ist eine professionelle Strafverfolgung durchaus angesagt. Zahlreiche Organisationen vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) bis zum Landesbund für Vogelschutz (LBV) in Bayern fordern daher, die Bekämpfung solcher Delikte zentral zu bündeln. Zumindest in jedem Bundesland, vielleicht sogar auf Bundesebene brauche man spezielle Abteilungen für Wildtierkriminalität, wie es sie in einigen anderen Ländern bereits gibt. "Umweltkriminalität ist kein Kavaliersdelikt", betont Norbert Schäffer vom LBV. "Wir fordern, dass solche Straftaten systematisch erfasst, aufgeklärt und angemessen geahndet werden", so der Biologe. Das bayerische Innenministerium solle deshalb endlich eine Spezialeinheit einrichten, die gezielt gegen derartige Verbrechen vorgeht: "Wir brauchen ein kleines Team von Experten, das gut ausgebildet und jederzeit verfügbar ist und sich sofort nach Bekanntwerden um derartige Fälle kümmert."
Bären unter Polizeischutz
"Wichtig sind klare Zuständigkeiten im Behördenapparat und eine bekannte Telefonnummer, bei der man entsprechende Straftaten melden kann", bestätigt Gabriel Schwaderer von der Naturschutzstiftung Euronatur in Radolfzell am Bodensee. Diese Erfahrung haben er und seine Kollegen zum Beispiel im Norden Spaniens gemacht, wo sie sich gemeinsam mit der spanischen Naturschutzorganisation FAPAS für den Schutz der letzten Braunbären einsetzen.
Zwei voneinander getrennte Bestände der zottigen Raubtiere streifen dort noch durch das Kantabrische Gebirge. "Wir hatten lange befürchtet, dass vor allem die sehr kleine östliche Population genetische Probleme haben könnte", erinnert sich Gabriel Schwaderer. Wenn nur wenige Artgenossen isoliert wie auf einer Insel in der Kulturlandschaft leben, steigt schließlich das Risiko für Inzucht und damit verbundene Erbkrankheiten. Neue genetische Analysen zeigen allerdings, dass diese Sorge wohl unbegründet ist. Von den 26 Bären, die Wissenschaftler im östlichen Verbreitungsgebiet nachgewiesen haben, besitzen nur fünf die typischen genetischen Charakteristika dieser Region. Dagegen sind sieben nachweislich aus dem Westen zugewandert, und alle übrigen tragen eine Mischung aus Ost- und West-Erbgut in sich.
"Es kann also kaum an der Genetik liegen, dass sich der Bestand im Osten seit Jahren nicht erholt", betont Gabriel Schwaderer. Genug Nahrung und Lebensraum gibt es dort auch. Doch mehr als 20 bis 26 Tiere werden es einfach nicht. Und die Naturschützer von FAPAS und Euronatur ahnen auch, woran das liegt: Bei einer so kleinen Population kommt es auf jeden einzelnen Bären an. In den letzten zehn Jahren aber sind in der Region nachweislich elf Tiere illegal getötet worden. "Die öffentlichen Stellen haben das oft verschleiert oder zumindest nicht mit Nachdruck untersucht", sagt Gabriel Schwaderer.
Viel besser ist die Situation dagegen im westlichen Teil des Verbreitungsgebiets in der Region Asturien. Dort gab es viele Jahre lang fast gar kein Wildereiproblem mehr – ein gemeinsamer Erfolg von FAPAS und der spanischen Umweltpolizei SEPRONA. Diese Spezialeinheit der Guardia Civil ist für Fälle von Boden-, Wasser- und Luftverschmutzung ebenso zuständig wie für Verstöße gegen den Artenschutz. Die Naturschützer von FAPAS haben Kontakt zu dieser Stelle aufgenommen und die dortigen Experten in Sachen Wildtierkriminalität und Bärenschutz geschult. Gemeinsam ist man auf Bärenpatrouille gegangen, hat Spuren gesucht und die Eigenarten der Tiere analysiert. "Die Polizisten müssen ungefähr wissen, wie sich Bären verhalten", erklärt Gabriel Schwaderer. "Nur dann können sie zum Beispiel beurteilen, wie plausibel Zeugenaussagen in solchen Fällen sind".
Nun werden die Spezialisten der SEPRONA jedes Mal eingeschaltet, wenn der Verdacht auf illegale Tötung von Bären oder anderen Wildtieren besteht. Immer wieder haben sie Hausdurchsuchungen und andere größere Ermittlungsaktionen durchgeführt. Und das hat vor Ort durchaus Eindruck gemacht. Wenn ein paar Naturschützer in der lokalen Bar auftauchen und nach einem toten Bären fragen, mag man das vielleicht nicht so ernst nehmen. Wenn die Polizei kommt, sieht das schon deutlich anders aus. "Heute würde sich keiner mehr hinstellen und öffentlich mit einem Bärenabschuss angeben", sagt Gabriel Schwaderer.
Doch auch die Naturschützer konnten ihren Teil zur Fahndungsarbeit beitragen. "In den letzten zehn Jahren haben wir die Daten unserer Kamerafallen systematisch auch im Hinblick auf Wilderei ausgewertet", berichtet der Euronatur-Mitarbeiter. Diese in den Bärenlebensräumen verteilten Fotoapparate machen automatisch Bilder, wenn sie durch Wärme oder Bewegung ausgelöst werden. Eigentlich dienen sie dazu, die Bärenbestände zu dokumentieren – doch sie haben auch schon den einen oder anderen Wilderer abgelichtet.
Tatsächlich schien es lange so, als hätten all diese Bemühungen das Problem für die westliche Bärenpopulation gelöst. Trophäenjagd kam kaum noch vor, es verendete höchstens einmal ein Jungtier in einer für Wildschweine ausgelegten Schlinge. Und die Bestände haben erstaunlich schnell reagiert. Noch Mitte der 1990er Jahre lebten im gesamten Kantabrischen Gebirge nur noch 40 bis 60 Bären, inzwischen ist die westliche Population auf mehr als 200 Tiere angewachsen. Allerdings scheint die Wirtschaftskrise die Wilderei nun wieder aufflammen zu lassen. So haben die Kameras im vergangenen Jahr mehrfach mit Sturmhauben vermummte Wilderer abgelichtet. Die haben es zwar vermutlich eher auf Wildbret abgesehen. Die Naturschützer befürchten aber, dass sie auch auf einen Bären feuern könnten, wenn sie einem begegnen. "Grundsätzlich war der Kampf gegen die Wilderei in dieser Region jedoch ein Riesenerfolg", freut sich Gabriel Schwaderer. "Man sieht dort ganz deutlich, was man mit konsequentem Durchgreifen bewirken kann." In Deutschland stehen solche Erfolge dagegen noch aus.
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