News: Windige Geschichte
Durch die Deformation bekommt das Erdmagnetfeld eine tropfenförmige Gestalt. Die Bugstoßwelle, an der die Partikelströme der Sonne auf die irdische Magnetosphäre treffen, liegt in einer Entfernung von 14 bis 16 Erdradien. Auf der sonnenabgewandten Seite bildet die Magnetosphäre indes einen langen Schweif aus, der sich in der Größenordnung von 1000 Erdradien in den Raum erstreckt.
Seit 1994 erforscht die NASA mit der WIND-Mission die Wechselwirkungen des Sonnenwindes mit dem irdischen Magnetfeld - und löste dabei offenbar ganz zufällig ein altes Rätsel. Am 1. April des Jahres 1999 passierte die Sonde auf der Lee-Seite der Magnetosphäre einen Bereich, wo die entgegengesetzt gerichteten Magnetfeldlinien von Sonne und Erde miteinander verschmelzen, einen Zustand niedrigerer Energie erreichen und dabei zwei bi-direktionale Plasmajets entstehen.
Diese magnetische Rekonnexion erfolgt in rund 400 000 Kilometern Entfernung auf der Nachtseite der Erde. Hier dringen die ionisierten Gase - das Plasma - des Sonnenwindes in die Magnetosphäre ein. Die dabei freigesetzte Energie kann akkumulieren und schließlich Polarlichter - oder eben Stromausfälle - verursachen.
Der Prozess der magnetischen Rekonnexion wurde schon 1946 von dem australischen Physiker Ronald Giovanelli (1915-1984) postuliert. Dabei kollidieren entgegengesetzt gerichtete Magnetfelder, verschlingen ineinander und vereinigen sich schließlich, wobei hunderte von Kilometer pro Sekunde schnelle Plasmaströme freigesetzt werden. Erst kürzlich hatten Tai Phan von der University of California in Berkeley entlang der Bugstoßwelle zum ersten Mal solche entgegengesetzt gerichteten Plasmajets beobachten können.
Nun spielte Marit Øieroset aus derselben Arbeitsgruppe der Zufall in die Hände. Eigentlich sollte die WIND-Sonde mithilfe eines slingshot-Manövers das Schwerefeld der Erde ausnutzen, um auf eine neue Umlaufbahn zu gelangen, und geriet dabei in einer Entfernung von 390 000 Kilometern genau in die so genannte Diffusionsregion, wo sich die irdischen und solaren Magnetfeldlinien vereinigen. In dieser, kaum 2000 Kilometer großen Zone dringen die geladenen Teilchen des Sonnenwindes in die Magnetosphäre ein.
Die Rekonnexion geht so schnell vonstatten, dass die Forscher deshalb von einem stoßfreien Prozess (collisionless process) ausgehen. Dabei lösen sich die positiv geladenen Ionen und die Elektronen nicht gleichzeitig von ihren Magnetfeldlinien (collisional process), sondern nacheinander. Zunächst trennen sich die großen, positiv geladenen Wasserstoff-Ionen von den Feldlinien, während die Elektronen das Magnetfeld weitertragen und sich erst im letzten Moment vor der Vereinigung zweier entgegengesetzt orientierter Magnetfeldlinien lösen. Den gängigen Modellen zufolge ist diese Form der stoßfreien Rekonnexion rund zehnmal schneller als der collisional process.
Die magnetische Rekonnexion ist einer der fundamentalen Prozesse in der Astrophysik. Direkt zu beobachten ist sie nur in der Magnetosphäre. Aber sie treibt genauso die gigantischen Materie-Eruptionen aus der Sonnenoberfläche an und könnte bei der Entwicklung von Kernfusions-Reaktoren helfen.
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