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Max Weber: »Wir finden nimmer seinesgleichen«

Vor 100 Jahren starb der berühmte Soziologe Max Weber. Kurz vor seinem Tod trug er vor, was einen guten Politiker ausmacht. Bis heute gibt es nur wenige Texte, die für unsere bisweilen bedrückende und gewaltgeladene Gegenwart so wegweisend sind wie diese Rede.
Der Soziologe Max Weber starb am 14. Juni 1920 in München.

Anfang 1919 drohte Deutschland im Chaos zu versinken. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg war ein Bürgerkrieg entfacht, in dem Revolutionäre gegen Reaktionäre, Internationalisten gegen Nationalisten und Zivilisten gegen Soldaten kämpften. Und München war der blutigste Schauplatz dieser Kämpfe. Binnen weniger Monate wurde die Stadt von einem bayerischen König, einem sozialistischen Ministerpräsidenten und den Anführern der Räterepublik regiert. Der Erste war gestürzt worden, der Zweite ermordet und die Anhänger der Dritten wurden umgebracht. »Alles ist jämmerlich, und alles ist blutig«, schrieb zu dieser Zeit Victor Klemperer, Professor an der Universität München, in sein Tagebuch. »Man möchte immer weinen und lachen in einem.«

In diesem Moment der deutschen Geschichte hielt Klemperers Kollege Max Weber den mit Spannung erwarteten Vortrag »Politik als Beruf«. Heute, 100 Jahre nach Webers Tod, gibt es nur wenige Texte, die für unsere bisweilen bedrückende und gewaltgeladene Gegenwart so wegweisend sind wie diese Rede. Vor allem Webers Definition des charismatischen Politikers und seine Unterscheidung zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik sind heute noch relevant.

Der Retter aus der Not

Als Weber 1918 nach München kam, eilte ihm der Ruf als »Mythos von Heidelberg« voraus. Diesen Beinamen hatte er viele Jahre zuvor in der Neckarstadt erhalten, wo er einst seine viel versprechende Universitätskarriere vorzeitig beenden musste – 1903 hatte Weber einen Nervenzusammenbruch, eine Art Burnout erlitten. Nachdem es ihm langsam wieder besser ging, befasste er sich mit seinen Forschungen in Jura und Geschichte und bereitete einige seiner wichtigsten Studien vor: »Die protestantische Ethik und der ›Geist‹ des Kapitalismus« (1904/5) sowie »Wirtschaft und Gesellschaft«, die posthum 1922 erschienen ist.

Webers wissenschaftliche Sorgfalt und seine Rechtschaffenheit beeindruckten Freunde und Kritiker gleichermaßen. Der Wirtschaftswissenschaftler Josef Schumpeter etwa bewunderte Webers tief greifende Wirkung auf andere: »Er war stark genug, … um die Besten seiner Zeit mitzuziehen.« Für den Philosophen und Psychiater Karl Jaspers war Weber »der größte Deutsche unseres Zeitalters« und der Soziologe Robert Michels schrieb, dass manche in Weber »den kommenden Mann Deutschlands, den Retter aus der Not« sehen würden.

Eine Stunde der Not war 1914 gekommen. Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs war Weber bereits 50 Jahre alt. Dennoch meldete er sich als Leutnant der Reserve freiwillig, wurde aber, wie zu erwarten, abgelehnt. Also diente er an der Heimatfront und übernahm als Disziplinaroffizier die Leitung mehrerer Lazarette in Heidelberg. In seiner gewohnt akribischen Art arbeitete Weber alle anfallenden Aufgaben ab. Er befasste sich mit wichtigen finanziellen Angelegenheiten genauso gewissenhaft wie mit skurrilen Sachverhalten – zum Beispiel der geschmacklosen Vorliebe einer Köchin, sich im Schmortopf die Haare zu waschen. Als immer mehr verwundete Soldaten die Lazarette füllten, sah Weber mit eigenen Augen, welche verheerenden Folgen der Grabenkrieg mit sich brachte. In jenem Jahr, in dem sich Weber um die Versorgung der Verstümmelten kümmerte, fielen sein jüngster Bruder, sein Schwager und mehrere Freunde an der Front.

Deutschland in der Außenseiterrolle

Anfangs glaubte Weber, Deutschland führe einen Verteidigungskrieg. Doch schon bald reifte in ihm die Auffassung, dass Narren und Schurken das Land regierten – erst recht, als die Regierung verkündete, in Belgien, Frankreich und Teilen des russischen Kaiserreichs einmarschieren zu wollen. Endgültig davon überzeugt war er, als der deutsche Kaiser 1917 den uneingeschränkten U-Boot-Krieg ausrief. Die Kaiserliche Marine durfte damit auch alliierte Handels- und Passagierschiffe anvisieren. Diese Kriegspolitik sei nicht nur ein Verbrechen, warnte Weber, sondern auch ein strategischer Fehler. Der Plan würde scheitern und Deutschland in eine globale Außenseiterrolle drängen. »Geht das so weiter«, erklärte Weber, »dann haben wir den Krieg mit aller Welt sicher.«

München im Mai 1919 | Bewaffnete Freiwilligenverbände kämpften in Straßenschlachten gegen die Anhänger der revolutionären Räterepublik Baiern. Wenige Monate zuvor hatte Max Weber in der Isarstadt eine seiner wichtigsten Politikanalysen vorgetragen.

Selbst nach dem Kriegsende 1918 war Weber nicht überzeugt, dass die Gefahr eines erneuten Gewaltausbruchs gebannt war. Ein Grund war der »Kriegsschuldartikel« im Versailler Friedensvertrag. Artikel 231 besagte, dass Deutschland am Konflikt und den Kriegsverwüstungen die alleinige Schuld trage. Weber räumte zwar ein, dass seine Regierung viele Fehler begangen hatte, aber er warnte die Alliierten, durch Artikel 231 Verantwortung mit Schuld zu verwechseln. Denn genau das berge große Sprengkraft. Die Schuld stünde mit der Vergangenheit in Verbindung – und die ließe sich nicht mehr ändern. Verantwortung hingegen ist mit Verpflichtungen für die Zukunft verknüpft, die ja noch offen ist. Indem die Alliierten Deutschland die Schuld für das bereits Geschehene aufbürdeten, würden sie sich der Verantwortung für das entziehen, was noch kommen sollte.

Weber kritisierte auch die deutschen Nationalisten. Weil sie fiktive Feinde wie die Juden für die Niederlage ihres Landes verantwortlich machten – und nicht die »Horde Irrsinniger, [die] uns regierte«. Weber verabscheute den scharfen Nationalismus und Antisemitismus unter deutschen Akademikern und an deutschen Universitäten. Er verurteilte das System, das seines Erachtens »immer wieder die dümmste ›arische‹ Impotenz den tüchtigsten Juden vorgezogen« habe.

In diesen Jahren hatte Weber in den Augen der Öffentlichkeit eine nahezu messianische Ausstrahlung. Einer seiner Studenten, der spätere Philosoph Karl Löwith, schrieb: »Sein von einem struppigen Bart umwachsenes Gesicht erinnerte an die düstere Glut der Bamberger Prophetengestalten [am dortigen Dom].« Er übte auf seine Studenten und Kollegen einen gewaltigen Einfluss aus. Das überrascht eigentlich nicht: In seiner grundlegenden, posthum erschienenen Studie »Wirtschaft und Gesellschaft« führte Weber das moderne Konzept des Charismas ein. Es sei, so schrieb er, das wesentliche Element für eine erfolgreiche politische Herrschaft. Menschen neigen zur der Ansicht, dass ein Mensch entweder Charisma hat oder eben nicht. Aber laut Weber verhält es sich eher umgekehrt – andere entscheiden, ob man Charisma hat oder nicht. Tatsächlich ist es eine flüchtige, aber bedeutsame Eigenschaft. Charisma ist sowohl ein objektives Charaktermerkmal, das bestimmte Anführer haben, als auch ein subjektiver Zustand, der von der Sichtweise anderer abhängt.

Ein charismatischer Mensch besitze »die spezifisch ›schöpferische‹ revolutionäre Macht der Geschichte«, schreibt Weber in »Wirtschaft und Gesellschaft«. Damit näherte sich Weber dem Begriff des Übermenschen, den eines seiner Vorbilder, Friedrich Nietzsche, geprägt hatte. Ähnlich wie der Übermensch ist der charismatische Anführer in der Lage, über die ideologischen und intellektuellen Auseinandersetzungen seiner Zeit hinauszugehen. Beide kontrollieren die Emotionen und Widersprüche ihrer Epoche. Doch ebenso wie Emotionen vergänglich sind, ist auch die Vormachtstellung eines charismatischen Anführers nicht von Dauer.

Die Entzauberung der Welt

Kaum einer, der Weber kannte, hatte Zweifel daran, dass er »selbst der charismatische Mensch war, den er beschrieben hat«, wie es auch der Politologe Karl Loewenstein betonte. In einem Brief von 1919 flehte ein Student Weber sogar an, das Land anzuführen: »Ich hätte nichts so gewünscht, … als Sie auf dem Reichskanzlerposten zu sehen … Wir brauchen jetzt einfach einen Erzieher, der das ganze Volk diese Dinge so verarbeiten lehrt, daß es etwas daraus macht.« Und in einem Nachruf erinnerte sich Webers Kollege Josef Schumpeter: »Kraft klang in jedem seiner Worte, strömte sozusagen aus allen Poren seines Wesens.« Die Erwartungen an Weber waren hoch, besonders in Münchens politischem Chaos der Nachkriegszeit. Sie versetzten Weber in eine Position, die nur wenige Akademiker je erleben sollten.

Konterrevolutionäre Kämpfer | Im April 1919 formierte sich am Münchner Hauptbahnhof eine Front zwischen Putschisten (im Bild) und Anhängern der Räterepublik. Es entbrannte eine blutige Auseinandersetzung.

Nur wenige Jahre zuvor hatte Weber seine Kollegen noch davor gewarnt, eine solche Rolle zu übernehmen. 1917 hielt er ebenfalls in München vor dem Freistudentischen Bund eine Rede mit dem Titel »Wissenschaft als Beruf«. Der Vortrag sorgte für großes Aufsehen. Weber spielte darin durch, was es bedeutet, eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen. Und er legte dar, was diese Arbeit bringe und bereits gebracht habe: So seien alle Erkenntnisse – von der griechischen Antike bis zur Aufklärung in Europa – unter dem Druck der wissenschaftlichen Methode aufgerieben worden. Der Vormarsch von Wissenschaft und Technik habe zu dem geführt, was Weber »die Entzauberung der Welt« nannte: »Die zunehmende Intellektualisierung und Rationalisierung bedeutet … das Wissen davon oder den Glauben daran, daß man, wenn man nur wollte, es jederzeit erfahren könnte, daß es also prinzipiell keine geheimnisvollen unberechenbare Mächte gebe, die da hineinspielen, daß man vielmehr alle Dinge – im Prinzip – durch Berechnen beherrschen könne. Nicht mehr … muß man zu magischen Mitteln greifen, um die Geister zu beherrschen … Sondern technische Mittel und Berechnung leisten das.« Die Menschen haben zahlreiche naturwissenschaftliche Entdeckungen gemacht und die erkundeten Gesetzmäßigkeiten auch angewendet. Damit haben sie die Natur ihrer Geheimnisse beraubt – jener geheimnisvollen Mächte, die unsere Vorfahren noch in ihr wähnten.

Wenn es aber um die ganz großen Fragen der Menschheit geht, haben die Gelehrten keine großen Antworten zu bieten. Die Wissenschaft kann uns sagen, was bei der Verbindung verschiedener Elemente oder der komparativen Analyse diverser Texte herauskommt. Aber sie kann uns nicht sagen, warum diese Dinge es wert sind, sie zu wissen. Als Soziologe ging Weber den Ursprüngen und Merkmalen sozialer Phänomene auf den Grund. Darüber hinaus trieb er sein berufliches Schaffen aber nicht weiter. Er hätte nicht behaupten können, dass seine Erkenntnisse eine wesentliche Bedeutung für andere besaßen, die nicht seine Leser und Zuhörer waren.

Vollzeitakademiker seien überhaupt schlechte Anführer. Sie könnten allenfalls die Werkzeuge für eine Analyse bereitstellen und ihren Studenten helfen, ihre Pflichten und Aufgaben besser zu erfassen. Aber »der Prophet«, so Weber, »nach dem sich so viele in unserer jüngsten Generation sehnen, ist eben nicht da«. Denn kein Wissenschaftler könne den Menschen erklären, wie sie zu leben hätten, ihnen den Sinn ihres Daseins begründen oder das Land anführen.

Politik als Beruf

Doch zwei Jahre später war für viele ebenjener »Prophet« gekommen. In der Gestalt des Soziologen Max Weber. Der Anlass war wiederum eine Einladung des Freistudentischen Bunds. Weber möge sich mit der Politik als Beruf befassen. Denn wer könnte dieses Feld besser durchdringen, so die Ansicht der Studenten, als der »Mythos von Heidelberg«?

Der »Mythos« war aber zunächst nicht interessiert. Niemand, antwortete Weber, sei weniger berufen als er, über den Beruf des Politikers zu sprechen. Schließlich gab er nach, zweifelte aber noch am Abend des 28. Januar 1919 an seiner Eignung, als er in einer Münchner Buchhandlung seinen Vortrag »Politik als Beruf« hielt. Er trat vor die erwartungsvolle Menge und erklärte: »Der Vortrag, den ich auf Ihren Wunsch zu halten habe, wird Sie nach verschiedenen Richtungen notwendig enttäuschen.« Er habe nicht die Absicht, schickte er voraus, zu aktuellen Tagesfragen der Politik Stellung zu nehmen. Sein Ansatz folge streng einer formalen Analyse. Allerdings waren Analyse und leidenschaftliche Auseinandersetzung mit der Sache für Weber durchaus vereinbar. Die scheinbaren Gegensätze ergänzten sich sogar.

In seinem Vortrag stellte Weber den Aufstieg der modernen Parteien in Deutschland, Großbritannien und den USA gegenüber. Dadurch dass die Politik in diesen Ländern bürokratischer geworden sei, würden die Politiker inzwischen mehr von der Politik als für die Politik leben. Was bedeutete diese Entwicklung für das Wesen des politischen Berufs und seine erstrebenswerten Qualitäten? Weber sprach dazu über die Eitelkeit. Vor ihr sei keiner vollkommen gewappnet – vor allem in »Gelehrtenkreisen ist sie eine Art Berufskrankheit«. Aber beim Gelehrten stellt sie auch keine besonders gefährliche Eigenschaft dar. Ganz anders bei einem Politiker: Der strebe grundsätzlich nach Macht, was aber auch normal sei. Ein Politiker ohne Machtinstinkt wäre wie ein Schriftsteller, der kein Interesse an Worten hat. Aber es sei falsch, wenn das »Machtstreben unsachlich und ein Gegenstand rein persönlicher Selbstberauschung wird«.

»Was für ein Mensch muß man sein, um seine Hand in die Speichen des Rades der Geschichte legen zu dürfen?«Max Weber, Soziologe, aus »Politik als Beruf«, München 1919

Daher stellte Weber die dringende Frage an seine Zuhörer, »was für ein Mensch man sein muß, um seine Hand in die Speichen des Rades der Geschichte legen zu dürfen«. Solche Menschen könnten zwei fatale Fehler begehen: unsachlich und verantwortungslos zu handeln. Der Demagoge beispielsweise tut beides, weil er nur von dem Wunsch angetrieben wird, Aufmerksamkeit zu erregen. Ihm geht es darum, eine Wirkung zu erzielen – »er ist eben deshalb stets in Gefahr, … zum Schauspieler zu werden«. Will ein Politiker bei seinen Anhängern nur einen Eindruck hinterlassen, ist er nicht in der Lage, Verantwortung für sein Tun zu übernehmen. Dieser Mangel an Sachlichkeit lässt ihn lediglich »den glänzenden Schein der Macht statt der wirklichen Macht … erstreben«. Durch seine Verantwortungslosigkeit genießt er die Macht lediglich um ihrer selbst willen.

Gesinnungsethik vs. Verantwortungsethik

Webers Profil eines solchen Politikers lässt sich auf unsere Zeit genauso anwenden wie auf seine. Noch relevanter ist jedoch das Profil jenes Politikers, der aus ethischen Gründen nach Macht strebt. Es gibt zwei Typen von ethischen Politikern: solche, die sich von der Gesinnungsethik anleiten lassen, und solche, die sich der Verantwortungsethik verbunden fühlen. Der erste Typ folgt seiner Überzeugung, ohne sich mit den Konsequenzen seines Tuns herumzuschlagen. Das Ziel steht über allen Dingen und es rechtfertigt, dass sich der Politiker selbst oder andere für die Sache opfern, solange »die Flamme der reinen Gesinnung … nicht erlischt«, wie Weber es formulierte. Und wenn etwas schiefläuft, dann würde nicht er die Verantwortung tragen, sondern der Rest der Welt sei dafür verantwortlich und »die Dummheit der anderen Menschen«.

Der verantwortungsethische Politiker hingegen ist sich genau dessen bewusst. Er rechnet mit »eben jenen durchschnittlichen Defekten der Menschen«, weil er weiß, dass wir Fehler machen, fehlbar und allzu menschlich sind. Folglich müssen immer die Konsequenzen berücksichtigt werden. Wer dieser Ethik folgt, »fühlt sich nicht in der Lage, die Folgen eigenen Tuns, soweit er sie voraussehen konnte, auf andere abzuwälzen. Er wird sagen: diese Folgen werden meinem Tun zugerechnet.« Er oder sie muss immer bereit sein, für alle Bekannten und Unbekannten seiner Handlungen Rechenschaft abzulegen. Es sei überaus ergreifend, erklärt Weber, jemanden zu sehen, der sich seiner Verantwortung bewusst ist und auch so handelt – und »an irgendeinem Punkte sagt: ›Ich kann nicht anders, hier stehe ich‹.«

Auf dem Heidelberger Bergfriedhof | Grabstein von Max Weber und seiner Frau Marianne. Darauf steht: »Wir finden nimmer seinesgleichen.«

Weber erinnert uns auch daran, dass die Grenze zwischen der Gesinnungs- und der Verantwortungsethik nicht so undurchlässig ist, wie wir es vielleicht meinen. Denn wir können sehr genau die Folgen einer Handlung berechnen und dennoch an unseren Überzeugungen festhalten. Ebenso können wir unsere Überzeugungen für absolut unabdingbar halten, sie aber auch aufgeben, wenn ihre Folgen untragbar werden. Weber betont, dass es weder die eine wahre noch die richtige Art und Weise gibt, zwischen diesen beiden Typen der Ethik zu wählen. Aus diesem Grund haben nur die Menschen, die beide Typen pflegen, wahrhaftig den »Beruf zur Politik«.

Weber musste seinem Publikum nicht erklären, welche tragischen Seiten der Beruf des Politikers haben konnte. Der Krieg war gerade erst vorbei, und Unruhen erschütterten die Städte. Diejenigen, die diesen Beruf ergreifen würden, konnten gewiss sein, immer auf entmutigende Hindernisse zu stoßen. Aus diesem Grund betonte Weber: »Nur wer sicher ist, daß er daran nicht zerbricht, wenn die Welt, von seinem Standpunkt aus gesehen, zu dumm oder zu gemein ist für das, was er ihr bieten will, daß er all dem gegenüber: ›dennoch!‹ zu sagen vermag, nur der hat den ›Beruf‹ zur Politik.«

Dummheit und Niedertracht grassieren heute genauso in der Politik wie zu Webers Zeiten. Und zweifellos gibt es und wird es immer feige oder ahnungslose Frauen und Männer geben, die charismatischen Gestalten anhängen, deren Denken und Handeln auf Diskriminierung und Hass beruhen. Weber hatte geraten, deshalb nicht zu verzweifeln. Mit seinem Leben und seinen Schriften hat der Soziologe aufgedeckt, wie solche Politiker entlarvt werden können.

© 2019 Foreign Affairs. Council on Foreign Relations, publisher of Foreign Affairs. Distributed by Tribune Content Agency, LLC.

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