Mondlandung: "Wir müssen Lebensraum im All schaffen"
Vor 40 Jahren landeten die ersten Menschen auf dem Mond. Hat sich der Ausflug auf einen fremden Himmelskörper gelohnt? Tilman Spohn, Direktor des Instituts für Planetenforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, über die Ergebnisse der Apollo-Missionen - und über die Notwendigkeit, den Weltraum als Lebensraum für die Menschheit zu erschließen.
spektrumdirekt: Wissen Sie noch, wie Sie die erste Mondlandung erlebt haben?
Tilman Spohn: Es war eine Zeit – die späten 1960er-Jahre –, in der sich sehr viel veränderte, die stark von Aufbruch gekennzeichnet war. Irgendwie war das damals fast selbstverständlich: Klar, wir fliegen zum Mond, wir sind ja fast schon da.
spektrumdirekt: Hat sich der Ausflug des Menschen zum Mond gelohnt?
Spohn: In jedem Fall, und zwar aus drei Gründen: Da ist zum einen die Faszination, die von der technologischen Herausforderung an sich ausgeht. Ich erlebe es immer wieder, welche Begeisterung die Mondmission noch heute gerade bei jungen Menschen auslöst, die zu Zeiten von Apollo 11 noch gar nicht geboren waren. Die Faszination, die von dem ersten Schritt auf einem fremden Himmelskörper ausgeht, ist kaum zu überschätzen. Hätten wir diesen Schritt nicht gewagt, müssten wir uns immer eine gewisse Beschränktheit vorwerfen lassen.
Zum anderen haben sich die Reisen zum Mond aus wissenschaftlicher Sicht gelohnt. Sie haben den Grundstein für ein neues Forschungsgebiet gelegt: die Planetologie. Dank Apollo haben wir erstmals Geisteinsproben von einem anderen Himmelskörper gewonnen, konnten erstmals Messgeräte auf einem solchen Himmelskörper aufstellen. Will man es zuspitzen, so könnte man sagen: Planeten und Monde waren für uns danach nicht mehr bloße Lichtpunkte am Himmel – sie nahmen feste Gestalt an und konnten entsprechend erforscht werden.
Und drittens bedeutete das Apollo-Programm den ersten Schritt in Richtung auf eine dauerhafte Präsenz des Menschen im All. Wir können heute schon absehen, dass die Erde mit dem dauerhaften Wachstum der Bevölkerung irgendwann überfordert sein wird. Und auch wenn sich das jetzt ein wenig nach Science-Fiction anhört: Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir Lebensmöglichkeiten im Weltall schaffen, um dieser Überforderung zu begegnen. Damit meine ich nicht unbedingt Raumstationen auf fremden Monden oder Planeten, sondern eher künstliche Lebensräume im erdnahen Weltraum. Die Apollo-Missionen haben uns gezeigt, dass der Weg ins All offen ist.
spektrumdirekt: Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse würden Sie als die wichtigsten der Apollo-Missionen bezeichnen?
Spohn: Seit den Apollo-Missionen wissen wir, dass der Mond genetisch mit der Erde zusammenhängt. Erde und Mond sind gemeinsam entstanden, und wir gehen heute davon aus, dass der Mond das Ergebnis einer Kollision der Erde mit einem anderen großen Himmelskörper ist. Dabei wurde die äußerste Gesteinshülle der Protoerde verdampft. Aus diesem Dampf hat sich nach Abkühlung und Kondensation der Mond gebildet. Übrigens ist der Mond für die Entstehung und Entwicklung des Lebens bedeutsam gewesen. Er stabilisiert durch seine Anziehungskraft die Rotationsachse der Erde und damit die Lage der Klimazonen.
Zudem konnten die Apollo-Astronauten auf dem Mond erstmals Partikel des Sonnenwindes einfangen und zur Erde bringen. Dadurch waren wir erstmals in der Lage, diesen Partikelstrom von der Sonne genauer zu analysieren.
Insgesamt haben die Apollo-Missionen eine Fülle von wissenschaftlichen Erkenntnissen gebracht – was sich auch daran zeigt, dass es seit 40 Jahren eine internationale Tagung gibt, die "Lunar and Planetary Science Conference", die sich mit den Ergebnissen der Mondforschung beschäftigt.
spektrumdirekt: Nach den Apollo-Missionen kam der Mond eine Zeit lang aus der Mode, auch in der Forschung. Warum ist der Erdtrabant in letzter Zeit wieder stärker in den Blick der Wissenschaft geraten?
Spohn: Die Renaissance des Mondes, die wir jetzt erleben, hat wohl vor allem zwei Gründe: Zum einen haben wir in jüngerer Zeit neue Modelle zur Frühzeit des Mondes entwickelt, die wir natürlich am besten an Ort und Stelle überprüfen sollten. Zudem haben wir große Fortschritte bei den Instrumenten gemacht, mit denen wir den Mond erkunden können. Das heißt: Das, was wir zu Zeiten der Apollo-Missionen gemessen haben, können wir heute sehr viel genauer messen. Daher wäre es, neben der Erhebung ganz neuer Daten, auch sinnvoll, Messungen von damals heute noch einmal zu wiederholen.
Zum anderen gibt es heute, anders als zu Apollo-Zeiten, nicht nur zwei, sondern eine ganze Handvoll Raumfahrtnationen, die den Weltraum erkunden. Indien, Japan und China arbeiten an der Entwicklung ihrer Raumfahrtprogramme. Und wenn man mit relativ beschränkten Mitteln ein Objekt im Weltraum erkunden will, ist der Mond das nahe liegende Ziel.
Für die etablierten Raumfahrtnationen USA, Russland und Europa steht dagegen die Frage im Vordergrund: Wie geht es mit der bemannten Raumfahrt weiter? Der Mars wäre sicher ein lohnendes Ziel, doch viele Experten glauben, dass vor einer Mars-Mission erst einmal eine erneute Mondlandung kommen muss. Schließlich ist seit den Apollo-Missionen viel Zeit vergangen und damit auch viel Wissen verlorengegangen. Bevor wir auf dem Mars landen, müssen wir vielleicht erst einmal wieder lernen, auf dem Mond zu landen.
spektrumdirekt: Ließen sich mit unbemannten Sonden die wissenschaftlichen Ziele solcher Missionen nicht genauso gut oder sogar besser erreichen?
Spohn: Man kann sehr viel mit automatischen Sonden erreichen, und das wissenschaftliche Preis-Leistungs-Verhältnis spricht eher für die Automaten. Aus wissenschaftlichen Gründen allein würde daher wohl niemand für eine bemannte Mission plädieren.
Andererseits gibt es die bemannte Raumfahrt, und es ist eine politische und wirtschaftliche Entscheidung der Raumfahrtnationen, sich diesen Zweig der Raumfahrt leisten zu wollen. Und dann sage ich als Wissenschaftler: Wenn ihr eine bemannte Mission zum Mond plant, dann lasst uns dort Wissenschaft machen. Wissenschaftler zeichnen sich grundsätzlich dadurch aus, dass sie zu jeder Forschungsgelegenheit, die sich ihnen bietet, auch die passenden Fragestellungen entwickeln können.
spektrumdirekt: Halten Sie eine dauerhaft bemannte Mondstation für sinnvoll?
Man kann mit solch einer Station sehr viel sinnvolle Wissenschaft betreiben: Angefangen von einem genaueren Studium des Mondes selbst über mögliche Rohstoffvorkommen, die für uns nutzbar wären bis hin zur Errichtung großer Teleskope, mit denen wir das Weltall besser erforschen könnten als mit allen irdischen Observatorien. Auch für die Erdbeobachtung könnte der Mond interessant sein.
spektrumdirekt: Welche Bodenschätze auf dem Mond würden sich denn für einen Abbau anbieten?
Spohn: Um ehrlich zu sein: Im Moment würde es sich nicht rentieren, irgendetwas auf dem Mond abzubauen. Helium 3 wird gern als möglicher Rohstoff für die Energiegewinnung genannt, aber auch hier ist eine wirtschaftliche Nutzung nicht absehbar. Zudem würde der Abbau etwa von Helium-3 bedeuten, dass wir den Mond als "wissenschaftliches Archiv" des frühen Sonnensystems verlieren würden. Denn der Abbau würde die Mondoberfläche ähnlich stark verändern wie es auf der Erde der Braunkohle-Tagebau tut. Und hier müssen wir abwägen: Wollen wir den Mond erhalten, wie er ist – oder wollen wir ihn gnadenlos ausbeuten. Ich denke, so lange wir es uns leisten können, sollten wir auf Rohstoffe vom Mond verzichten.
spektrumdirekt: Brauchen wir den Mond als Sprungbrett zum Mars?
Spohn: Sicher ist die Idee eines Flugs zum Mars auch etwas, was unser "Entdecker-Gen" anspricht. Und die große Resonanz auf die Marsflug-Initiative von Ex-Präsident George W. Bush hat das erst vor wenigen Jahren wieder bewiesen. Die Idee einer bemannten Marsmission wird solange aktuell bleiben, bis wir dort gewesen sind – oder bis wir eingesehen haben, dass es nicht geht.
Die Herausforderungen eines Marsflug sind gewaltig: Immerhin reden wir hier von bis zu drei Jahren, die eine Raumschiff-Crew unterwegs ist – eine kleine Gruppe, die sich nicht aus dem Weg gehen kann. Dazu neben der Schwerelosigkeit die Strahlenbelastung, die so ein Langzeitflug mit sich bringt – das sind nur einige der großen Probleme, die noch zu bewältigen sind.
Wenn wir wirklich einmal soweit sind, dass wir uns eine solche Langzeitmission zutrauen könnten, ist es eine Frage der Strategie, ob wir zuerst zum Mond fliegen oder gleich zum Mars. Lange galt der "Zwischenschritt" Mond als notwendige Voraussetzung für eine Marsmission. Inzwischen mehren sich die Stimmen, vor allem in den USA, die eine Mondlandung als unnötige Verzögerung empfinden. Ob sich diese Sicht durchsetzen kann, bleibt abzuwarten.
Die oft gehörte Meinung, man könne ein Marsraumschiff wegen der gewaltigen Dimensionen nicht von der Erde aus starten, sondern müsse es auf dem Mond zusammenbauen und starten, halte ich für wenig überzeugend. Die technologischen Herausforderungen für den Transport zum Mond und den Bau dort sind so groß, dass wir gleich auch nach Möglichkeiten suchen können, wie wir das komplette Raumschiff von der Erde oder vom erdnahen Weltraum aus starten.
Allerdings sehe ich heute noch nicht die letztlich zündende Idee, die einen Flug zum Mars entscheidend vorantreiben könnte. Bei der Mondlandung war es der Wettlauf zwischen den USA und der UdSSR, der sich als treibende Kraft erwies. Einen solchen Motor vermisse ich für den Marsflug noch – und so lange er fehlt, wird es schwer sein, ein solch ambitioniertes Ziel zu erreichen. Sicherlich müsste es sich um eine globale Anstrengung handeln, die alle Erdlinge vereint.
Tilman Spohn: Es war eine Zeit – die späten 1960er-Jahre –, in der sich sehr viel veränderte, die stark von Aufbruch gekennzeichnet war. Irgendwie war das damals fast selbstverständlich: Klar, wir fliegen zum Mond, wir sind ja fast schon da.
Ich war 19 und hatte gerade mein Abitur gemacht. Da hatte man viele Dinge im Kopf, und nicht unbedingt an erster Stelle die Mondlandung. Ich glaube, wir haben damals eine Party gefeiert, und dabei hat jemand den Fernseher angemacht. Aber die Mondlandung hatte damals noch nicht so eine Bedeutung für mich. Meine prägenden Erlebnisse in Sachen Astronomie und Planetenforschung waren eher die Missionen der Voyager-Sonden, die in den 1980er-Jahren die äußeren Planeten des Sonnensystems erkundeten.
spektrumdirekt: Hat sich der Ausflug des Menschen zum Mond gelohnt?
Spohn: In jedem Fall, und zwar aus drei Gründen: Da ist zum einen die Faszination, die von der technologischen Herausforderung an sich ausgeht. Ich erlebe es immer wieder, welche Begeisterung die Mondmission noch heute gerade bei jungen Menschen auslöst, die zu Zeiten von Apollo 11 noch gar nicht geboren waren. Die Faszination, die von dem ersten Schritt auf einem fremden Himmelskörper ausgeht, ist kaum zu überschätzen. Hätten wir diesen Schritt nicht gewagt, müssten wir uns immer eine gewisse Beschränktheit vorwerfen lassen.
Zum anderen haben sich die Reisen zum Mond aus wissenschaftlicher Sicht gelohnt. Sie haben den Grundstein für ein neues Forschungsgebiet gelegt: die Planetologie. Dank Apollo haben wir erstmals Geisteinsproben von einem anderen Himmelskörper gewonnen, konnten erstmals Messgeräte auf einem solchen Himmelskörper aufstellen. Will man es zuspitzen, so könnte man sagen: Planeten und Monde waren für uns danach nicht mehr bloße Lichtpunkte am Himmel – sie nahmen feste Gestalt an und konnten entsprechend erforscht werden.
Und drittens bedeutete das Apollo-Programm den ersten Schritt in Richtung auf eine dauerhafte Präsenz des Menschen im All. Wir können heute schon absehen, dass die Erde mit dem dauerhaften Wachstum der Bevölkerung irgendwann überfordert sein wird. Und auch wenn sich das jetzt ein wenig nach Science-Fiction anhört: Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir Lebensmöglichkeiten im Weltall schaffen, um dieser Überforderung zu begegnen. Damit meine ich nicht unbedingt Raumstationen auf fremden Monden oder Planeten, sondern eher künstliche Lebensräume im erdnahen Weltraum. Die Apollo-Missionen haben uns gezeigt, dass der Weg ins All offen ist.
spektrumdirekt: Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse würden Sie als die wichtigsten der Apollo-Missionen bezeichnen?
Spohn: Seit den Apollo-Missionen wissen wir, dass der Mond genetisch mit der Erde zusammenhängt. Erde und Mond sind gemeinsam entstanden, und wir gehen heute davon aus, dass der Mond das Ergebnis einer Kollision der Erde mit einem anderen großen Himmelskörper ist. Dabei wurde die äußerste Gesteinshülle der Protoerde verdampft. Aus diesem Dampf hat sich nach Abkühlung und Kondensation der Mond gebildet. Übrigens ist der Mond für die Entstehung und Entwicklung des Lebens bedeutsam gewesen. Er stabilisiert durch seine Anziehungskraft die Rotationsachse der Erde und damit die Lage der Klimazonen.
Wir konnten außerdem nachweisen, dass die Mondoberfläche sehr alt ist. Der Mond ist gewissermaßen ein Archiv, in dem die frühe Entwicklung des Erde-Mond-Systems gespeichert ist. Zudem hat uns die Untersuchung des Mondgesteins das Rüstzeug an die Hand gegeben, mit dem wir heute auch die Oberflächen anderer Himmelskörper im Sonnensystem datieren können.
Zudem konnten die Apollo-Astronauten auf dem Mond erstmals Partikel des Sonnenwindes einfangen und zur Erde bringen. Dadurch waren wir erstmals in der Lage, diesen Partikelstrom von der Sonne genauer zu analysieren.
Insgesamt haben die Apollo-Missionen eine Fülle von wissenschaftlichen Erkenntnissen gebracht – was sich auch daran zeigt, dass es seit 40 Jahren eine internationale Tagung gibt, die "Lunar and Planetary Science Conference", die sich mit den Ergebnissen der Mondforschung beschäftigt.
spektrumdirekt: Nach den Apollo-Missionen kam der Mond eine Zeit lang aus der Mode, auch in der Forschung. Warum ist der Erdtrabant in letzter Zeit wieder stärker in den Blick der Wissenschaft geraten?
Spohn: Die Renaissance des Mondes, die wir jetzt erleben, hat wohl vor allem zwei Gründe: Zum einen haben wir in jüngerer Zeit neue Modelle zur Frühzeit des Mondes entwickelt, die wir natürlich am besten an Ort und Stelle überprüfen sollten. Zudem haben wir große Fortschritte bei den Instrumenten gemacht, mit denen wir den Mond erkunden können. Das heißt: Das, was wir zu Zeiten der Apollo-Missionen gemessen haben, können wir heute sehr viel genauer messen. Daher wäre es, neben der Erhebung ganz neuer Daten, auch sinnvoll, Messungen von damals heute noch einmal zu wiederholen.
Zum anderen gibt es heute, anders als zu Apollo-Zeiten, nicht nur zwei, sondern eine ganze Handvoll Raumfahrtnationen, die den Weltraum erkunden. Indien, Japan und China arbeiten an der Entwicklung ihrer Raumfahrtprogramme. Und wenn man mit relativ beschränkten Mitteln ein Objekt im Weltraum erkunden will, ist der Mond das nahe liegende Ziel.
Für die etablierten Raumfahrtnationen USA, Russland und Europa steht dagegen die Frage im Vordergrund: Wie geht es mit der bemannten Raumfahrt weiter? Der Mars wäre sicher ein lohnendes Ziel, doch viele Experten glauben, dass vor einer Mars-Mission erst einmal eine erneute Mondlandung kommen muss. Schließlich ist seit den Apollo-Missionen viel Zeit vergangen und damit auch viel Wissen verlorengegangen. Bevor wir auf dem Mars landen, müssen wir vielleicht erst einmal wieder lernen, auf dem Mond zu landen.
spektrumdirekt: Ließen sich mit unbemannten Sonden die wissenschaftlichen Ziele solcher Missionen nicht genauso gut oder sogar besser erreichen?
Spohn: Man kann sehr viel mit automatischen Sonden erreichen, und das wissenschaftliche Preis-Leistungs-Verhältnis spricht eher für die Automaten. Aus wissenschaftlichen Gründen allein würde daher wohl niemand für eine bemannte Mission plädieren.
Andererseits gibt es die bemannte Raumfahrt, und es ist eine politische und wirtschaftliche Entscheidung der Raumfahrtnationen, sich diesen Zweig der Raumfahrt leisten zu wollen. Und dann sage ich als Wissenschaftler: Wenn ihr eine bemannte Mission zum Mond plant, dann lasst uns dort Wissenschaft machen. Wissenschaftler zeichnen sich grundsätzlich dadurch aus, dass sie zu jeder Forschungsgelegenheit, die sich ihnen bietet, auch die passenden Fragestellungen entwickeln können.
spektrumdirekt: Halten Sie eine dauerhaft bemannte Mondstation für sinnvoll?
Spohn: Ich denke, das wird sicher kommen. Der Mensch wurde immer angetrieben von der Idee, seine Grenzen zu erweitern und dorthin zu gehen, wo noch niemand war. Dieses "Entdecker-Gen" tragen wir immer noch in uns, und es wird meiner Einschätzung nach dazu führen, dass wir irgendwann eine bemannte Mondstation errichten.
Man kann mit solch einer Station sehr viel sinnvolle Wissenschaft betreiben: Angefangen von einem genaueren Studium des Mondes selbst über mögliche Rohstoffvorkommen, die für uns nutzbar wären bis hin zur Errichtung großer Teleskope, mit denen wir das Weltall besser erforschen könnten als mit allen irdischen Observatorien. Auch für die Erdbeobachtung könnte der Mond interessant sein.
spektrumdirekt: Welche Bodenschätze auf dem Mond würden sich denn für einen Abbau anbieten?
Spohn: Um ehrlich zu sein: Im Moment würde es sich nicht rentieren, irgendetwas auf dem Mond abzubauen. Helium 3 wird gern als möglicher Rohstoff für die Energiegewinnung genannt, aber auch hier ist eine wirtschaftliche Nutzung nicht absehbar. Zudem würde der Abbau etwa von Helium-3 bedeuten, dass wir den Mond als "wissenschaftliches Archiv" des frühen Sonnensystems verlieren würden. Denn der Abbau würde die Mondoberfläche ähnlich stark verändern wie es auf der Erde der Braunkohle-Tagebau tut. Und hier müssen wir abwägen: Wollen wir den Mond erhalten, wie er ist – oder wollen wir ihn gnadenlos ausbeuten. Ich denke, so lange wir es uns leisten können, sollten wir auf Rohstoffe vom Mond verzichten.
spektrumdirekt: Brauchen wir den Mond als Sprungbrett zum Mars?
Spohn: Sicher ist die Idee eines Flugs zum Mars auch etwas, was unser "Entdecker-Gen" anspricht. Und die große Resonanz auf die Marsflug-Initiative von Ex-Präsident George W. Bush hat das erst vor wenigen Jahren wieder bewiesen. Die Idee einer bemannten Marsmission wird solange aktuell bleiben, bis wir dort gewesen sind – oder bis wir eingesehen haben, dass es nicht geht.
Die Herausforderungen eines Marsflug sind gewaltig: Immerhin reden wir hier von bis zu drei Jahren, die eine Raumschiff-Crew unterwegs ist – eine kleine Gruppe, die sich nicht aus dem Weg gehen kann. Dazu neben der Schwerelosigkeit die Strahlenbelastung, die so ein Langzeitflug mit sich bringt – das sind nur einige der großen Probleme, die noch zu bewältigen sind.
Wenn wir wirklich einmal soweit sind, dass wir uns eine solche Langzeitmission zutrauen könnten, ist es eine Frage der Strategie, ob wir zuerst zum Mond fliegen oder gleich zum Mars. Lange galt der "Zwischenschritt" Mond als notwendige Voraussetzung für eine Marsmission. Inzwischen mehren sich die Stimmen, vor allem in den USA, die eine Mondlandung als unnötige Verzögerung empfinden. Ob sich diese Sicht durchsetzen kann, bleibt abzuwarten.
Die oft gehörte Meinung, man könne ein Marsraumschiff wegen der gewaltigen Dimensionen nicht von der Erde aus starten, sondern müsse es auf dem Mond zusammenbauen und starten, halte ich für wenig überzeugend. Die technologischen Herausforderungen für den Transport zum Mond und den Bau dort sind so groß, dass wir gleich auch nach Möglichkeiten suchen können, wie wir das komplette Raumschiff von der Erde oder vom erdnahen Weltraum aus starten.
Allerdings sehe ich heute noch nicht die letztlich zündende Idee, die einen Flug zum Mars entscheidend vorantreiben könnte. Bei der Mondlandung war es der Wettlauf zwischen den USA und der UdSSR, der sich als treibende Kraft erwies. Einen solchen Motor vermisse ich für den Marsflug noch – und so lange er fehlt, wird es schwer sein, ein solch ambitioniertes Ziel zu erreichen. Sicherlich müsste es sich um eine globale Anstrengung handeln, die alle Erdlinge vereint.
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