Metazoen-Evolution : Wir müssen mal reden
Viele zusammen sind stärker als einer allein - einer der Gründe für die Entstehung der Vielzeller aus frühen zellulären Einzelkämpfern des Lebens. Aber nur wer die notwendige Grundausstattung mitbrachte, konnte einst erfolgreich mit zum ersten funktionierenden Zellverband fusionieren.
Dem gemeinen Choanoflagellaten wird in der breiten Öffentlichkeit eindeutig zu wenig Respekt entgegengebracht. Auch interessierte Laien sehen in ihm meist nicht viel mehr als ein herumdümpelndes Opfer des großen Appetits von durch die Ozeane pflügenden Walen auf der Suche nach Plankton. Dabei ist jeder Choanoflagellat – oder jede, Geschlechter sind bei den Kragengeißeltieren etwas schwer auseinanderzuhalten – lebender Spross einer ungemein innovativen, uralten Sippe, der auch wir Menschen letztlich alles zu verdanken haben. Denn es waren wahrscheinlich die Ahnen der Choanoflagellaten, die als allererste Einzeller den Sprung zum vielzelligen Tier-Organismus gewagt haben.
All das könnte etwa eine Milliarde Jahre zurückliegen, vielleicht auch etwas weniger, war jedenfalls vor 165 Jahren auch den ersten Menschen aufgefallen. Damals stolperten Zoologen über die überraschende äußere Ähnlichkeit der Kragengeißeltierchen und bestimmter Zellen im Nährgewebe von Schwämmen, den primitivsten der vielzelligen Tiere.
Seit gut eineinhalb Jahrhunderten gilt daher als sehr wahrscheinlich, weil naheliegend, dass am Anfang des vielzelligen Lebens ein Choanoflagellate sich mit anderen zu einer Kolonie zusammengeschlossen hat, aus der dann ein primitiver, schwammähnlicher Organismus entstand: der erste Proto-Vielzeller. Bis zum nächsten, dann entscheidenden Schritt war es nun nicht mehr weit – einige der Choano-Flagellen-Zyten-Kollektive spezialisierten sich vielleicht auf eine Rolle als Ernährungsorgan für andere Zellen, die sich dafür, ohne eigenes Mitwirken gut ernährt, dafür rüsten konnten, eigene Spezialaufgaben etwa als Stützzellen zu übernehmen.
Eine schöne Theorie, für die es sich allemal lohnt, weitere molekularbiologische Beweise zu sammeln. Etwa durch vergleichende Genomforschung, dachte sich Nicole King von der Universität von Kalifornien in Berkeley. Mitsamt dem üblichen ausladenden Tross an DNA-Sequenz interessierten Mitstreitern analysierte sie nun das Erbgut des Durchschnittskragengeißlers Monosiga brevicollis und verglich die Befunde mit Daten anderer Vertreter des Tier- und Pflanzenreiches [1,2].
Dabei fiel den Forschern mehrerlei auf. Zum einen in der Organisation des Genoms: Eingesprenkelt in die Choanoflagellaten-Gene finden sich überraschend viele Introns, also nicht kodierende DNA-Abschnitte, die bei der Übersetzung in Protein letztlich ausgespart werden. Und viele dieser Introns liegen auch in denselben Genbereichen, in denen sie auch bei höheren Vielzellern zu finden sind – ein eindeutiger Hinweis auf eine gemeinsame Abstammung.
Am auffälligsten erwiesen sich für die Wissenschaftler aber die 23 verschiedenen Gene für so genannte Cadherine. Diese in den Zellmembranen hängenden Adhäsionsproteine sind bei Wirbeltieren entscheidend an verschiedenen Prozessen beteiligt, bei denen sich Zellen untereinander erkennen und miteinander kommunizieren. Kein anderer Einzeller, auch keine Pilze oder Pflanzen besitzen sonst diese Art Protein. Offenbar liegt also gerade in diesen Eiweißen ein Schlüssel für die Entstehung der tierischen Vielzeller, meinen King und Co.
Tatsächlich, so zeigen die Forscher, finden sich viele der Proteine gerade in den Regionen des Flagellaten, in der sie am häufigsten in Kontakt mit unbekannter Umweltchemie kommen dürften: Dem "Fuß"ende, mit dem sich die Choanoflagellen gelegentlich am Boden festmachen, sowie dem Kragensaum, an dem es die eingestrudelten Partikel zu analysieren gilt. King ist sich sicher, dass die Cadherine vielseitig genug waren, im entscheidenden Augenblick auch andere, ähnliche Funktionen beim Vielzeller zu übernehmen: "Der Übergang zur Vielzelligkeit basierte zu großen Teilen wahrscheinlich auf der Fähigkeit von Transmembran- und Sekretproteinen, andere, neue Aufgaben zu übernehmen", so King. Ein Hoch also auf die vielseitige Ausstattung unserer gemeinsamen Ahnen – ohne sie sähen wir Vielzeller alle eher so aus wie Pflanzen und Pilze.
All das könnte etwa eine Milliarde Jahre zurückliegen, vielleicht auch etwas weniger, war jedenfalls vor 165 Jahren auch den ersten Menschen aufgefallen. Damals stolperten Zoologen über die überraschende äußere Ähnlichkeit der Kragengeißeltierchen und bestimmter Zellen im Nährgewebe von Schwämmen, den primitivsten der vielzelligen Tiere.
Die etwa zehn Mikrometer großen, in Meer wie Süßwasser heimischen Flagellaten zeichnen sich durch einen kragenartigen Tentakelsaum an einem Zellende aus – "Choano" leitet sich vom griechischen Wort für Kragen ab. In diesen Tentakelsaum strudeln sie mit ihrer langen Geißel die Bakterien, von denen sie sich ernähren. Äußerlich, aber eben auch im Futterverhalten kaum von ihnen zu unterscheiden, zeigen sich bestimmte Zelltypen im Nährdeckschichtgewebe der Schwämme, die ebenso treffend benannten Choanozyten.
Seit gut eineinhalb Jahrhunderten gilt daher als sehr wahrscheinlich, weil naheliegend, dass am Anfang des vielzelligen Lebens ein Choanoflagellate sich mit anderen zu einer Kolonie zusammengeschlossen hat, aus der dann ein primitiver, schwammähnlicher Organismus entstand: der erste Proto-Vielzeller. Bis zum nächsten, dann entscheidenden Schritt war es nun nicht mehr weit – einige der Choano-Flagellen-Zyten-Kollektive spezialisierten sich vielleicht auf eine Rolle als Ernährungsorgan für andere Zellen, die sich dafür, ohne eigenes Mitwirken gut ernährt, dafür rüsten konnten, eigene Spezialaufgaben etwa als Stützzellen zu übernehmen.
Eine schöne Theorie, für die es sich allemal lohnt, weitere molekularbiologische Beweise zu sammeln. Etwa durch vergleichende Genomforschung, dachte sich Nicole King von der Universität von Kalifornien in Berkeley. Mitsamt dem üblichen ausladenden Tross an DNA-Sequenz interessierten Mitstreitern analysierte sie nun das Erbgut des Durchschnittskragengeißlers Monosiga brevicollis und verglich die Befunde mit Daten anderer Vertreter des Tier- und Pflanzenreiches [1,2].
Dabei fiel den Forschern mehrerlei auf. Zum einen in der Organisation des Genoms: Eingesprenkelt in die Choanoflagellaten-Gene finden sich überraschend viele Introns, also nicht kodierende DNA-Abschnitte, die bei der Übersetzung in Protein letztlich ausgespart werden. Und viele dieser Introns liegen auch in denselben Genbereichen, in denen sie auch bei höheren Vielzellern zu finden sind – ein eindeutiger Hinweis auf eine gemeinsame Abstammung.
Fasziniert konstatierten die Forscher an dem Kragengeißeltier erneut auch einiges an genetischer Ausstattung, die für ein derart primitives Lebewesen eigentlich völlig unnötig erscheint. So besitzt M. brevicollis etwa Gene ähnlich denen, die bei höheren Wirbeltieren das zentrale Nervensystem und die körpereigenen Abwehrmoleküle sowie Skelettproteine oder bestimmte interzelluläre Signalstoffe kodieren – obwohl der Kragengeißler weder Gehirn, Immunsystem, Knochen noch überhaupt eine Nachbarzelle besitzt, mit der er sich verabreden könnte, ein Gewebe zu bilden.
Am auffälligsten erwiesen sich für die Wissenschaftler aber die 23 verschiedenen Gene für so genannte Cadherine. Diese in den Zellmembranen hängenden Adhäsionsproteine sind bei Wirbeltieren entscheidend an verschiedenen Prozessen beteiligt, bei denen sich Zellen untereinander erkennen und miteinander kommunizieren. Kein anderer Einzeller, auch keine Pilze oder Pflanzen besitzen sonst diese Art Protein. Offenbar liegt also gerade in diesen Eiweißen ein Schlüssel für die Entstehung der tierischen Vielzeller, meinen King und Co.
"Der Übergang zur Vielzelligkeit basierte zu großen Teilen auf der Fähigkeit bestimmter Proteine, andere Aufgaben zu übernehmen"
(Nicole King)
Ihre Cadherine könnten Choanoflagellaten in verschiedener Hinsicht nützlich sein – auch wenn sie kaum exakt die Rolle als Zelladhäsionsmoleküle oder Signaleiweiß ausüben dürften wie bei höheren Tieren. Analog dazu erkennen Kragengeißler aber per Cadherin womöglich Bakterienbeute (ein der Zelladhäsion sehr ähnlicher Prozess), oder sie binden sich an bestimmte bevorzugte Oberflächen und bemerken chemische Milieus, in dem eine ganz bestimmte zelluläre Reaktion von Vorteil wäre – beides Prozesse, die ähnliche Herausforderungen stellen wie die zelluläre Signalübertragung im höher entwickelten Vielzeller. (Nicole King)
Tatsächlich, so zeigen die Forscher, finden sich viele der Proteine gerade in den Regionen des Flagellaten, in der sie am häufigsten in Kontakt mit unbekannter Umweltchemie kommen dürften: Dem "Fuß"ende, mit dem sich die Choanoflagellen gelegentlich am Boden festmachen, sowie dem Kragensaum, an dem es die eingestrudelten Partikel zu analysieren gilt. King ist sich sicher, dass die Cadherine vielseitig genug waren, im entscheidenden Augenblick auch andere, ähnliche Funktionen beim Vielzeller zu übernehmen: "Der Übergang zur Vielzelligkeit basierte zu großen Teilen wahrscheinlich auf der Fähigkeit von Transmembran- und Sekretproteinen, andere, neue Aufgaben zu übernehmen", so King. Ein Hoch also auf die vielseitige Ausstattung unserer gemeinsamen Ahnen – ohne sie sähen wir Vielzeller alle eher so aus wie Pflanzen und Pilze.
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