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Wissenschaftler der Duke University untersuchten den Nervus hypoglossus, eine Struktur, die bisher bei der Suche nach anatomischen Hinweisen auf die Evolution des menschlichen Sprechens nicht beachtet wurde. Der Nervus hypoglossus übermittelt die Nervensignale an die Kontrollmuskulatur der Zunge. Mit Ausnahme eines einzigen Muskels werden alle durch ihn gesteuert. Die Forscher nehmen an, daß die Regulierung der Zungenform, durch die die Stimmlaute gebildet werden, um so feiner ist, je mehr Fasern der Nervus hypoglossus enthält. Außerdem halten sie es für wahrscheinlich, daß die Größe des hypoglossalen Kanals, der den Nervus hypoglossus umgibt, als Gradmesser für die stimmlichen Fähigkeiten heutiger und früherer Menschen angesehen werden kann.
Die Wissenschaftler berichten, daß sie Vergleichsmessungen des hypoglossalen Kanals von modernen Menschen, Affen und einigen wichtigen hominiden Fossilien vorgenommen haben (Proceedings of the National Academy of Sciences vom 28. April 1998). Dabei stellte sich heraus, daß der hypoglossale Kanal heutiger Menschen etwa zweimal so groß ist wie der heutiger Affen. Gleichzeitig unterscheidet sich die Größe des Kanals bei frühen menschlichen Fossilien kaum von derjenigen bei Zwerg- oder gewöhnlichen Schimpansen.
Im Unterschied dazu bewegt sich die Kanalgröße von Menschen, die zwischen 40 000 und 400 000 Jahren vor unserer Zeit gelebt haben – inklusive der Neandertaler –, in dem Bereich, der auch bei modernen Menschen üblich ist. Nach Meinung von Richard Kay vom Duke UniversityMedical Center in Durham ergeben sich durch diese Resultate zeitliche Rahmendaten für das Auftreten moderner Zungenkontrolle und damit auch fortgeschrittener Redefähigkeiten.
Siehe auch
- Spektrum der Wissenschaft 7/89, Seite 34
"Neandertaler – sprachbegabt wie der moderne Mensch?"
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