Robotik: "Wir wollen der Welt zeigen, was wir können"
Er ist ein RoboCup-Teilnehmer der ersten Stunde: Hans-Dieter Burkhard, Professor für Künstliche Intelligenz und Roboterfreund. Im Interview erklärt er, warum die deutsche Robotik einen Spitzenplatz einnimmt. Und weshalb der RoboCup eine Bildungsoffensive für den Nachwuchs ist.
spektrumdirekt:
Herr Burkhard, der damalige Präsident der RoboCup Federation, Hiroaki Kitano, prophezeite 1997, dass der Start des RoboCups "ein Wendepunkt in der Geschichte der Natur- und Ingenieurwissenschaften" sein werde. Ist das nicht ein bisschen dick aufgetragen?
In den nicht einmal zehn Jahren seit dem Start ist eine steile Entwicklung vor sich gegangen, die man sowohl am RoboCup, aber auch bei vielen anderen Robotik-Projekten beobachten kann. Tatsächlich dient aber gerade der RoboCup oft als Referenz-Projekt, auf das in vielen wissenschaftlichen Publikationen Bezug genommen wird. Ich denke, dass der RoboCup tatsächlich mit am Beginn einer vielleicht weit reichenden Umwälzung steht. Ganz neue Materialien wie beispielsweise künstliche Muskeln oder empfindliche künstliche Haut lassen in der Zukunft noch viel erwarten. Ich meine, dass wir bei den humanoiden Robotern viel mehr über biologisch inspirierte Modelle nachdenken müssen. Da ist noch viel interdisziplinäre Arbeit erforderlich, wobei der RoboCup ein guter Ausgangspunkt ist.
spektrumdirekt:
Welche Idee steckte zu Beginn hinter dem Wettbewerb?
Burkhard:
Die Vision lautet damals wie heute: bis 2050 ein Roboterteam bauen, das gegen den FIFA-Weltmeister bestehen kann. Das Nette dabei ist, dass es nicht notwendig ist, das zu erreichen, weil die Menschheit auch ohne Fußball-Roboter leben kann. Es gibt keine Versprechungen wie bei anderen hochtrabenden Projekten aus der Künstlichen Intelligenz der 80er Jahre oder auch der früheren Weltraumfahrt. Es ist eben eine spannende Vision.
spektrumdirekt:
Spannend allemal, aber auch realistisch?
Burkhard:
Ob es gelingt, ist schwer zu sagen, aber wir werden viel dabei lernen. Früher war ich skeptischer als heute. Nach den schnellen Entwicklungen der letzten Jahre halte ich es nicht mehr für unmöglich. Das Energieproblem ist sicher noch eine harte Hürde, aber auch die Sicherheit für die menschlichen Kontrahenten auf dem Spielfeld.
spektrumdirekt:
Wie hat sich der RoboCup als Veranstaltung seit seinem Start vor acht Jahren entwickelt?
Burkhard:
Aus anfänglich 300 Teilnehmern sind mehr als 1 000 Teilnehmer aus mehr als 30 Ländern geworden. Die Atmosphäre bei den Teams ist nach wie vor geprägt von der Spannung, von schlaflosen Nächten, weil man noch schnell etwas verbessern möchte, von Jubel und Enttäuschung. 2002 in Fukuoka kamen 120 000 begeisterte Besucher. Das haben wir in Europa nicht wieder erreicht, aber beeindruckt waren die Leute auch bei uns.
spektrumdirekt:
Was wird jetzt im Juni bei den Fußball-Wettbewerben anders sein als bei den Lissaboner Meisterschaften 2004?
Burkhard:
Bei den realen Fußball-Robotern werden die Bedingungen zum Beispiel durch größere Spielfelder oder härtere Strafen für Kollisionen sowie den Wegfall von Orientierungspunkten und der Bande als Begrenzung erschwert. So erscheint die Umwelt komplexer und die Roboter haben mehr Probleme bei der Orientierung. In der Fußball-Simulationsliga wird die Gestaltung der virtuellen Welt komplexer. Seit 2004 erfolgt die Simulation bereits unter genauerer Nachbildung physikalischer Gesetze, etwa bei Kollisionen.
Erschwerte Bedingungen bedeuten auch technische Weiterentwicklungen. Welche Trends werden die Zuschauer in Osaka bewundern können?
Burkhard:
Insbesondere erwarte ich neue technische Entwicklungen bei den humanoiden Robotern, die zumeist aus Japan kommen. Bereits im vergangenen Jahr gab es zum ersten Mal einen Torwart, der sich beim Elfmeterschießen auf den Ball geworfen hat und danach wieder aufstehen konnte. Die anderen brauchten dazu noch menschliche Hilfe oder blieben lieber gleich stehen. Im Vergleich zu einigen marktgängigen Produkten muss beachtet werden, dass im RoboCup bestimmte Körperproportionen vorgeschrieben sind. Die Füße dürfen beispielsweise nicht beliebig groß sein. Wie beim Menschen ist deshalb ein kompliziertes Zusammenspiel von Gleichgewichtssinn und Motorik notwendig. Ein heranwachsendes Kind braucht ja auch ziemlich viel Übung, bis es auf zwei Beinen stehen und laufen kann.
spektrumdirekt:
Sie haben Japan angesprochen. Wo stehen die deutschen Fußball-Roboter verglichen mit anderen Nationen?
Burkhard:
Es gibt eine Medaillenwertung der „klassischen“ RoboCup-Fußball-Disziplinen. Dazu zählen die Small Size-, die Middle Size-, die Sony-Roboter- und die Simulationsliga. Danach liegt Deutschland auf Platz zwei knapp hinter den USA, aber noch beträchtlich vor Japan. Insbesondere in Lissabon haben wir sehr erfolgreich abgeschnitten. Deutschland hält außerdem einen Spitzenplatz bei den wissenschaftlichen Publikationen im Bereich des RoboCups. Nachholbedarf gibt es bei der Konstruktion von humanoiden Robotern. Ausgehend von den Erfahrungen bei den Aibos von Sony bin ich aber optimistisch, denn wir konnten bessere Programme dafür entwickeln als die Japaner selbst.
spektrumdirekt:
In der Simulationsliga kommen – auf den ersten Blick überraschend – 28 von 67 Teams aus dem Iran. Wie ist das zu erklären?
Burkhard:
Der RoboCup ist dort sehr populär, die Teams sind sehr ehrgeizig, Erfolge im Ausland zählen stark und die Forschung ist sehr gut. Vielleicht noch auffälliger als die hohe Anzahl der teilnehmenden Mannschaften ist der Umstand, dass in den iranischen Teams mehr Frauen mitarbeiten als in den meisten anderen Teams.
Die Jubiläumsauflage findet in Deutschland statt. Welche Hoffnungen setzen Sie auf den RoboCup 2006 in Bremen?
Burkhard:
Sehr große Hoffnungen. Der RoboCup wird parallel zur Fußball-Weltmeisterschaft stattfinden. Weiterhin wird 2006 als Wissenschaftsjahr der Informatik gewidmet und der RoboCup wird dabei eine zentrale Rolle spielen. Vor allem wollen wir der Weltöffentlichkeit zeigen, was wir in Deutschland können. Unser Ziel ist es, die Möglichkeiten der Informatik und Robotik einem breiten Publikum vorzustellen sowie Kinder und Jugendliche über die Robotik an technische Berufe heranzuführen.
spektrumdirekt:
Die Nachwuchsförderung spielt beim RoboCup also eine bedeutende Rolle?
Ja. RoboCupJunior ist eine weltweite, projektorientierte Bildungsinitiative, die regionale, nationale und internationale Roboter-Veranstaltungen für junge Menschen fördert. Das Ziel besteht darin, Kindern und Jugendlichen Roboter und ihre Anwendung vorzustellen und ihre Kreativität herauszufordern. Die einzelnen Teams bestehen aus mehreren Teilnehmern, die bei der Konstruktion und Programmierung der Roboter eng zusammenarbeiten. Die Kinder und Heranwachsenden erwerben dabei nicht nur technische Fertigkeiten, sondern auch soziale Fähigkeiten. Wir haben speziell in Vorbereitung zum Turnier in Bremen die „Bundesweite Initiative RoboCupJunior zum Wissenschaftsjahr 2006" ins Leben gerufen, um möglichst viele Kinder und Jugendliche darauf aufmerksam zu machen.
Das Interview führte Tobias Rabe.
Herr Burkhard, der damalige Präsident der RoboCup Federation, Hiroaki Kitano, prophezeite 1997, dass der Start des RoboCups "ein Wendepunkt in der Geschichte der Natur- und Ingenieurwissenschaften" sein werde. Ist das nicht ein bisschen dick aufgetragen?
Burkhard:
In den nicht einmal zehn Jahren seit dem Start ist eine steile Entwicklung vor sich gegangen, die man sowohl am RoboCup, aber auch bei vielen anderen Robotik-Projekten beobachten kann. Tatsächlich dient aber gerade der RoboCup oft als Referenz-Projekt, auf das in vielen wissenschaftlichen Publikationen Bezug genommen wird. Ich denke, dass der RoboCup tatsächlich mit am Beginn einer vielleicht weit reichenden Umwälzung steht. Ganz neue Materialien wie beispielsweise künstliche Muskeln oder empfindliche künstliche Haut lassen in der Zukunft noch viel erwarten. Ich meine, dass wir bei den humanoiden Robotern viel mehr über biologisch inspirierte Modelle nachdenken müssen. Da ist noch viel interdisziplinäre Arbeit erforderlich, wobei der RoboCup ein guter Ausgangspunkt ist.
spektrumdirekt:
Welche Idee steckte zu Beginn hinter dem Wettbewerb?
Burkhard:
Die Vision lautet damals wie heute: bis 2050 ein Roboterteam bauen, das gegen den FIFA-Weltmeister bestehen kann. Das Nette dabei ist, dass es nicht notwendig ist, das zu erreichen, weil die Menschheit auch ohne Fußball-Roboter leben kann. Es gibt keine Versprechungen wie bei anderen hochtrabenden Projekten aus der Künstlichen Intelligenz der 80er Jahre oder auch der früheren Weltraumfahrt. Es ist eben eine spannende Vision.
spektrumdirekt:
Spannend allemal, aber auch realistisch?
Burkhard:
Ob es gelingt, ist schwer zu sagen, aber wir werden viel dabei lernen. Früher war ich skeptischer als heute. Nach den schnellen Entwicklungen der letzten Jahre halte ich es nicht mehr für unmöglich. Das Energieproblem ist sicher noch eine harte Hürde, aber auch die Sicherheit für die menschlichen Kontrahenten auf dem Spielfeld.
spektrumdirekt:
Wie hat sich der RoboCup als Veranstaltung seit seinem Start vor acht Jahren entwickelt?
Burkhard:
Aus anfänglich 300 Teilnehmern sind mehr als 1 000 Teilnehmer aus mehr als 30 Ländern geworden. Die Atmosphäre bei den Teams ist nach wie vor geprägt von der Spannung, von schlaflosen Nächten, weil man noch schnell etwas verbessern möchte, von Jubel und Enttäuschung. 2002 in Fukuoka kamen 120 000 begeisterte Besucher. Das haben wir in Europa nicht wieder erreicht, aber beeindruckt waren die Leute auch bei uns.
spektrumdirekt:
Was wird jetzt im Juni bei den Fußball-Wettbewerben anders sein als bei den Lissaboner Meisterschaften 2004?
Burkhard:
Bei den realen Fußball-Robotern werden die Bedingungen zum Beispiel durch größere Spielfelder oder härtere Strafen für Kollisionen sowie den Wegfall von Orientierungspunkten und der Bande als Begrenzung erschwert. So erscheint die Umwelt komplexer und die Roboter haben mehr Probleme bei der Orientierung. In der Fußball-Simulationsliga wird die Gestaltung der virtuellen Welt komplexer. Seit 2004 erfolgt die Simulation bereits unter genauerer Nachbildung physikalischer Gesetze, etwa bei Kollisionen.
spektrumdirekt:
Erschwerte Bedingungen bedeuten auch technische Weiterentwicklungen. Welche Trends werden die Zuschauer in Osaka bewundern können?
Burkhard:
Insbesondere erwarte ich neue technische Entwicklungen bei den humanoiden Robotern, die zumeist aus Japan kommen. Bereits im vergangenen Jahr gab es zum ersten Mal einen Torwart, der sich beim Elfmeterschießen auf den Ball geworfen hat und danach wieder aufstehen konnte. Die anderen brauchten dazu noch menschliche Hilfe oder blieben lieber gleich stehen. Im Vergleich zu einigen marktgängigen Produkten muss beachtet werden, dass im RoboCup bestimmte Körperproportionen vorgeschrieben sind. Die Füße dürfen beispielsweise nicht beliebig groß sein. Wie beim Menschen ist deshalb ein kompliziertes Zusammenspiel von Gleichgewichtssinn und Motorik notwendig. Ein heranwachsendes Kind braucht ja auch ziemlich viel Übung, bis es auf zwei Beinen stehen und laufen kann.
spektrumdirekt:
Sie haben Japan angesprochen. Wo stehen die deutschen Fußball-Roboter verglichen mit anderen Nationen?
Burkhard:
Es gibt eine Medaillenwertung der „klassischen“ RoboCup-Fußball-Disziplinen. Dazu zählen die Small Size-, die Middle Size-, die Sony-Roboter- und die Simulationsliga. Danach liegt Deutschland auf Platz zwei knapp hinter den USA, aber noch beträchtlich vor Japan. Insbesondere in Lissabon haben wir sehr erfolgreich abgeschnitten. Deutschland hält außerdem einen Spitzenplatz bei den wissenschaftlichen Publikationen im Bereich des RoboCups. Nachholbedarf gibt es bei der Konstruktion von humanoiden Robotern. Ausgehend von den Erfahrungen bei den Aibos von Sony bin ich aber optimistisch, denn wir konnten bessere Programme dafür entwickeln als die Japaner selbst.
spektrumdirekt:
In der Simulationsliga kommen – auf den ersten Blick überraschend – 28 von 67 Teams aus dem Iran. Wie ist das zu erklären?
Burkhard:
Der RoboCup ist dort sehr populär, die Teams sind sehr ehrgeizig, Erfolge im Ausland zählen stark und die Forschung ist sehr gut. Vielleicht noch auffälliger als die hohe Anzahl der teilnehmenden Mannschaften ist der Umstand, dass in den iranischen Teams mehr Frauen mitarbeiten als in den meisten anderen Teams.
spektrumdirekt:
Die Jubiläumsauflage findet in Deutschland statt. Welche Hoffnungen setzen Sie auf den RoboCup 2006 in Bremen?
Burkhard:
Sehr große Hoffnungen. Der RoboCup wird parallel zur Fußball-Weltmeisterschaft stattfinden. Weiterhin wird 2006 als Wissenschaftsjahr der Informatik gewidmet und der RoboCup wird dabei eine zentrale Rolle spielen. Vor allem wollen wir der Weltöffentlichkeit zeigen, was wir in Deutschland können. Unser Ziel ist es, die Möglichkeiten der Informatik und Robotik einem breiten Publikum vorzustellen sowie Kinder und Jugendliche über die Robotik an technische Berufe heranzuführen.
spektrumdirekt:
Die Nachwuchsförderung spielt beim RoboCup also eine bedeutende Rolle?
Burkhard:
Ja. RoboCupJunior ist eine weltweite, projektorientierte Bildungsinitiative, die regionale, nationale und internationale Roboter-Veranstaltungen für junge Menschen fördert. Das Ziel besteht darin, Kindern und Jugendlichen Roboter und ihre Anwendung vorzustellen und ihre Kreativität herauszufordern. Die einzelnen Teams bestehen aus mehreren Teilnehmern, die bei der Konstruktion und Programmierung der Roboter eng zusammenarbeiten. Die Kinder und Heranwachsenden erwerben dabei nicht nur technische Fertigkeiten, sondern auch soziale Fähigkeiten. Wir haben speziell in Vorbereitung zum Turnier in Bremen die „Bundesweite Initiative RoboCupJunior zum Wissenschaftsjahr 2006" ins Leben gerufen, um möglichst viele Kinder und Jugendliche darauf aufmerksam zu machen.
Das Interview führte Tobias Rabe.
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