Direkt zum Inhalt

Epidemiologie: Wirksamkeit der Grippeimpfung bei Älteren umstritten

Die positiven Effekte der Influenza-Impfung für Menschen über 65 Jahre wurden bislang stark überschätzt. Zu diesem Schluss kommt ein Team von Medizinern um Lone Simonsen von der George-Washington-Universität in Washington D.C., das die vorhandene Literatur zum Thema gesichtet hat [1]. Zum einen habe die Zahl der grippalen Todesfälle in der entsprechenden Altersklasse trotz zunehmender Impfraten in den vergangenen Jahren zugenommen. Zum anderen fehle es grundsätzlich an wissenschaftlich zuverlässigen Studien zur Wirksamkeit der Vakzination bei älteren Personen.

Aufsehen erregend erscheint dieser Befund vor dem Hintergrund, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) seit jeher dazu rät, insbesondere kranke und ältere Menschen zu impfen, um sie bei einer Grippeepidemie vor einer oft tödlich verlaufenden Infektion zu schützen. Eine Studie in den USA belegte jedoch, dass im Zeitraum zwischen 1980 und 2001 die einer Grippeerkrankung zugeschriebenen Todesfälle unter den über 65-Jährigen zunahmen – obwohl die Impfrate in diesen zwanzig Jahren von 15 auf 65 Prozent anstieg [2].

Eine weitere Untersuchung zeigte, dass gegen Influenza geimpfte Senioren gegenüber nicht geimpften Gleichaltrigen zwar wie erwartet während der winterlichen Grippesaison eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit hatten, aber auch davor und danach [3]. Die Autoren vermuten daher, dass generell gesündere Personen die Impfung bekämen, da sie beispielsweise in der Lage seien, sich selbstständig medizinische Betreuung zu organisieren.

Des Weiteren gibt es nur sehr wenige wissenschaftlich präzise durchgeführte Studien zur Effektivität der Impfungen bei Älteren. Bei jüngeren Menschen wurde die Wirksamkeit durch randomisierte Placebotests – einige Patienten erhielten zufällig statt einer Vakzination ein wirkungsloses Präparat – eindeutig nachgewiesen. Bei Patienten mit hohem Alter verbiete sich ein solches Vorgehen aus ethischen Gründen.

Die Forscher um Lone Simonsen betonen, dass es nicht darum gehe, ältere Menschen weniger zu impfen. Selbst wenn dies nur geringfügig mehr Schutz verschaffe, sei jede Anstrengung sinnvoll und wichtig. Es gehe aber nun darum, die genaue Wirkung der Vakzination zu analysieren, um eventuell einen effektiveren Impfstoff zu entwickeln. Auch alternative Maßnahmen gegen eine Grippeerkrankung gelte es zu überdenken, beispielsweise das vermehrte Impfen von Schulkindern – den Hauptüberträgern der Erreger. (lp)

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.