Wissenschaftler fordern: Einheitlicher Kohlendioxid-Preis für Europa
Im Kampf gegen den Klimawandel fordern die deutschen Wissenschaftsakademien einen einheitlichen und stabilen Preis für jeglichen Ausstoß von Kohlendioxid in Europa. Ein allgemeiner CO2-Preis schaffe einen ökonomisch effizienten und langfristigen Rahmen für die Energiewende, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Stellungnahme zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft, die am 1. Juli beginnt. Ein CO2-Preis macht Klimaschädlinge wie Kohle, Öl und Gas teurer und damit erneuerbare Energien und Energiesparen attraktiver.
Verfasst wurde das Papier von der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften und der Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften. »Investitionszeiträume im Energie- und Industriebereich betragen oft 30 bis 50 Jahre: Was heute gebaut wird, wird im Jahr 2050 noch in Betrieb sein«, heißt es darin. »Daher kommt es jetzt darauf an, in einer gemeinsamen Kraftanstrengung die entscheidenden Weichen zu stellen.« Für den Umbau des Energiesystems sei ein ordnender Rahmen nötig. Kern sei die »wirksame, umfassende und einheitliche Bepreisung von Treibhausgas-Emissionen«.
Ob der Preis durch eine Ausweitung des Emissionshandels oder Steuern beziehungsweise Abgaben festgesetzt werde, sei zweitrangig. Wichtig sei vielmehr eine schnelle und möglichst einheitliche Einführung vor 2030. Die Akademien plädieren auch für einen Mindestpreis für CO2, da Öl, Gas und Kohle in der Coronakrise billiger geworden sind und so der Investitionsanreiz verloren gehen könnte.
In Europa gibt es bereits einen CO2-Preis für Emissionen aus Fabriken, Kraftwerken und Flugverkehr, der sich über den Handel mit Emissionsrechten bildet. Deutschland führt 2021 zudem national einen Preis für Kohlendioxid aus dem Straßenverkehr und Heizungen ein: Dann müssen Unternehmen, die Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas in Verkehr bringen, Verschmutzungsrechte kaufen. Geplant ist ein Festpreis von 25 Euro je Tonne CO2, der dann schrittweise steigt.
Ausgleichsmechanismen sollen wirtschaftliche Nachteile verhindern
Mit dem Vorschlag der Akademien würde dasselbe Prinzip für die ganze EU umgesetzt. Damit die europäische Wirtschaft trotz Klimaschutz weltweit keine Nachteile hat, befürworten die Wissenschaftler Grenzausgleichsmechanismen oder Konsumabgaben auf CO2. Gemeint ist ein Aufpreis für importierte Güter, die unter weniger strengen Auflagen produziert werden.
Einen solchen Mechanismus plant auch die EU-Kommission im Rahmen ihres »Green Deal«. Das Ziel ist es, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen. Das milliardenschwere Konjunktur- und Investitionsprogramm in der Coronakrise soll ebenfalls an diesem Ziel ausgerichtet werden. Während der deutschen Ratspräsidentschaft steht zudem die Debatte über ein verschärftes EU-Klimaziel für 2030 an.
»Zur Erreichung der Klimaziele sind in der Tat strengere Emissionsminderungsziele notwendig, die rasches Handeln erfordern«, sagte auch Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin dem Science Media Center. »Um zu einer Vollversorgung mit erneuerbaren Energien zu kommen, müssen alle Marktbarrieren des Ausbaus erneuerbarer Energien und vor allem die vielen Vorteile, die konventionelle Energien noch immer haben, abgeschafft werden.«
»Auch wenn viele der zentralen Bausteine genannt werden, fehlen einige ganz entscheidende Elemente in der sehr stark angebotsorientiert denkenden, ansonsten sehr guten Stellungnahme«, urteilt hingegen Manfred Fischedick, Vizepräsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie. »Dies gilt einerseits für eine umfassende Mobilitätswende, die deutlich über einen reinen Wechsel des Kraftstoffs hinausgeht und nur über umfassende Verkehrsvermeidungs- und -verlagerungsstrategien umgesetzt werden kann. Andererseits umfasst dies einen verstärkten Einstieg in eine Circular Economy (»Kreislaufwirtschaft«, Anm. d. Red.), dessen Klimaschutzwirkung immer noch deutlich unterschätzt wird, Deutschland und Europa neben dem Klimaschutz aber helfen könnte, die Robustheit des Wirtschaftssystems zu erhöhen und neue Wertschöpfungspotenziale zu erschließen.« (dpa/dam)
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