Embryonenschutz in Deutschland : Wissenschaftsakademien fordern Spielraum bei der Embryonenforschung
Das strikte Verbot der Forschung an frühen Embryonen außerhalb des menschlichen Körpers sollte in Deutschland aus Sicht der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina fallen. Im Einklang mit internationalen Standards sollten Wissenschaftler hochrangige Forschungsziele verfolgen können, heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme der Leopoldina und der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften. Genutzt werden könnten hierfür überzählige Embryonen, die im Rahmen von Kinderwunschbehandlungen entstanden sind, aber nicht mehr benötigt würden. Ein eigens geschaffenes Gremium soll vorher die jeweiligen Forschungsprojekte und ihre Ziele überprüfen.
Nach internationaler wissenschaftlicher Auffassung gebe es eine Reihe wichtiger Fragen, die wissenschaftlich nur mit Hilfe der Embryonenforschung bearbeitet werden können, schreiben die Experten. Dazu gehöre etwa die Behandlung von Volkskrankheiten wie Diabetes, Arthrose, Herzinfarkt oder Schlaganfall mit Stammzelllinien. Zudem gehe es um die Klärung der frühen Entwicklungsbiologie des Menschen, die Verbesserung der Fortpflanzungsmedizin oder eine bessere Entwicklung von Embryonen und Föten in der Schwangerschaft. Schon heute fänden die Ergebnisse der Embryonenforschung im Ausland auch in Deutschland Anwendung, zum Beispiel bei der künstlichen Befruchtung oder der Präimplantationsdiagnostik.
Die Embryonenforschung sorgt seit Jahrzehnten für intensive Debatten. Dabei spielen Forschungsinteressen ebenso eine Rolle wie ethische und rechtliche Überlegungen. Derzeit erlaube das 1990 verabschiedete Embryonenschutzgesetz (ESchG) lediglich die Erzeugung menschlicher Embryonen in vitro zum Zweck der Fortpflanzung, heißt es in der Stellungnahme. Bei der In-vitro-Fertilisation (IVF) werden der Frau nach einer Hormongabe Eizellen entnommen und mit dem Samen des Mannes zusammengebracht. Zum Teil entstehen dabei aber mehr Embryonen als der Frau am Ende wieder übertragen werden. An ihnen zu forschen, ist in Deutschland jedoch verboten.
In anderen Ländern ist die Embryonenforschung in engen Grenzen erlaubt
Anders sieht das in Ländern wie etwa Israel, Dänemark, Schweden, Großbritannien, den USA und Japan aus: Hier sei die Forschung an frühen menschlichen Embryonen, die nicht mehr für die Fortpflanzung benötigt werden, in engen Grenzen erlaubt, schreiben die Experten. An überzähligen Embryonen dürfe dort bis 14 Tage nach der Befruchtung geforscht werden. International werde sogar eine Ausweitung auf 28 Tage diskutiert.
Bislang könnten deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu dieser Forschung wenig beitragen, heißt es in der Stellungnahme weiter. »30 Jahre nach Inkrafttreten des Embryonenschutzgesetzes ist es nach Auffassung der Akademien an der Zeit, den rechtlich zulässigen und ethisch vertretbaren Umgang mit frühen menschlichen Embryonen neu zu bewerten.«
Die Entscheidung darüber, ob überzählige Embryonen für die Forschung zur Verfügung gestellt werden, sollte aus Sicht der Wissenschaftsakademien bei dem Paar liegen, von dem sie stammen. Wenn die Familienplanung abgeschlossen ist, könnten die übrigen Embryonen bislang nur verworfen oder für andere Paare gespendet werden. Künftig sollten die Betroffenen deshalb auch die Möglichkeit erhalten, überzählige Embryonen der Forschung zu überlassen. Eine unabhängige Beratung soll dabei eine informierte Entscheidung der Paare ermöglichen. (dam)
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