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Paläontologie: Wo Krokodile einst Riesenschildkröten knackten

Aldabra im Indischen Ozean ist ein Inselparadies für riesige Schildkröten. Frei von Fressfeinden, dominieren sie das Eiland. Das war aber nicht immer so.
Riesenschildkröte von Aldabra

100 000 Riesenschildkröten der Art Aldabrachelys gigantea leben auf dem Aldabra-Atoll im Indischen Ozean – keine andere über und an Land lebende Großschildkrötenart kommt häufiger vor; ihre Verwandten von Galapagos gelten durchweg als vom Aussterben bedroht. Die abgelegenen Inseln der Seychellen und die unwirtliche Umwelt haben dafür gesorgt, dass Aldabra nie wirklich besiedelt wurde. Deshalb entgingen die Schildkröten dem Schicksal vieler anderer Arten und wurden nicht ausgerottet (auch wenn dies der Menschheit zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch kommerzielle Jagd dennoch fast gelungen wäre). Heute streifen zumindest die erwachsenen Tiere frei von natürlichen Feinden über das Atoll, das ein streng bewachtes Naturreservat ist. Doch so harmlos wie dieser Tage war das Leben für die großen Reptilien zumindest vor tausenden Jahren nicht, wie eine Arbeit von Wissenschaftlern um Dennis Hansen von der Universität Zürich in "Royal Society Open Science" zeigt.

Während einer Expedition auf Aldabra bemerkte Hansen Fossilien, die sein Interesse weckten. Denn es handelte sich um Bruchstücke von Schildkrötenpanzern, die von Löchern durchstanzt waren, die den Ökologen an Bissspuren von Krokodilen erinnerten. Zudem entdeckte der Forscher die Überreste eines fossilen Krokodils, das laut den Analysen 90 000 bis 125 000 Jahre alt sein musste. Mit seinem kräftigen Gebiss war das Tier offensichtlich in der Lage gewesen, die Schildkröten zu knacken. Dies galt bislang als unmöglich, denn Aldabra-Riesenschildkröten bringen es auf eine Länge von bis zu 1,2 Meter und auf ein Gewicht von mehr als 250 Kilogramm: Kein bislang bekanntes Tier auf dem Atoll konnte sein Maul weit genug öffnen, um die Schildkröten damit zu packen. Alle anderen Krokodilfunde von Aldabra waren deutlich kleiner und stellten daher keine Gefahr dar.

Die bislang namentlich nicht beschriebene neue Krokodilart scheint dagegen deutlich größer gewesen zu sein: Anhand des Funds schätzen die Paläontologen, dass sie 3,5 bis 4 Meter lang wurde. Damit übertraf sie die heute noch lebenden Westafrikanischen Krokodile (Crocodylus suchus), blieb jedoch hinter dem Nilkrokodil (Crocodylus niloticus) und dem Salzwasserkrokodil (Crocodylus porosus) zurück. Anhand der Bissspuren ziehen Hansen und Co zwei mögliche Beutetaktiken in Betracht: Zum einen könnten die Krokodile den Schildkröten in Tümpeln aufgelauert haben. Sobald diese zum Trinken ihren Kopf neigten, packten die Reptilien sie und ertränkten sie, bevor sie den Panzer knackten. Oder aber die Schildkröten starben während Dürren an Hunger oder Durst, und die Krokodile delektierten sich anschließend an den verrottenden Leichnamen.

Die Paläontologin Stephanie Drumheller-Horton von der University of Tennessee in Knoxville hält diese Thesen gegenüber der "New York Times" für plausibel, denn sie passen zu anderen fossilen Bissmarken, die auf Krokodile zurückgehen. Auch wenn die Riesenschildkröten trotz der immensen Bisskraft von Krokodilen wohl eine "harte Nuss" waren, so die Forscherin.

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