Kosmische Strahlung: Woher kommt die energiereichste kosmische Strahlung?
Die im Jahr 1912 durch den späteren Nobelpreisträger Victor Franz Hess bei Messungen in der Erdatmosphäre während Ballonfahrten entdeckte kosmische Strahlung, oft auch als Höhenstrahlung bezeichnet, ist ein Teilchenstrom mit sehr unterschiedlichen Energien, die eine große Bandbreite abdecken. Die Teilchen sind hauptsächlich schnelle Protonen, im geringeren Anteil Heliumkerne, aber auch Atomkerne schwererer Elemente. Die Energien und Häufigkeiten der Teilchen variieren erheblich und hängen von ihrer Quelle ab. Dabei werden die energiereichsten Ereignisse mit Höchstenergien bis hin zu 100 Trillionen Elektronvolt nur extrem selten beobachtet. Ihr Ursprung liegt außerhalb der Milchstraße. Die genaue Herkunft dieser extragalaktischen Partikel ist bis heute nicht geklärt und daher Gegenstand aktueller Forschung. Als Kandidaten für Orte, an denen die Teilchen auf solch hohe Geschwindigkeiten beschleunigt werden können, kommen unter anderem aktive Galaxienkerne, Supernova-Explosionen und Stoßwellen bei Galaxienverschmelzungen in Frage. Aus diesem Grund beobachten Forscher die kosmische Strahlung und versuchen Rückschlüsse auf ihre Ursprungsorte zu ziehen.
So auch eine internationale Arbeitsgruppe um den Astrophysiker Gordon Thomson von der University of Utah. Gemeinsam untersuchten sie mittels des Telescope Array Project in Millard County in einem Zeitraum von Mai 2008 bis Mai 2013 die Richtungsverteilung beobachteter Teilchenströme. Dabei konzentrierten sie sich auf solche mit hohen Energien oberhalb von rund 6 x 1019 Elektronvolt, da diese mit zunehmender Energie schwächer von kosmischen Magnetfeldern abgelenkt werden. Somit lässt sich die Richtung, aus denen sie kommen, sicherer bestimmen.
Die kosmische Strahlung wird indirekt nachgewiesen. Bei ihrem Eintritt in die Erdatmosphäre erzeugt sie im Zusammenspiel mit den dort vorhandenen atmosphärischen Gasen einen Schauer an Sekundärteilchen. Während dieses Beschusses werden Kerne gespalten, wobei radioaktive Isotope entstehen. Aber es werden auch unzählige weitere Produkte wie Neutronen, Protonen, Elektronen oder auch Pionen kaskadenartig frei. Ein Teil dieser Sekundärteilchen erreicht den Erdboden und lässt sich dort mit Hilfe von so genannten Szintillationsdetektoren erfassen. Für die Studie verwendeten die Forscher 507 solcher Instrumente, die auf einer Fläche von mehr als 700 Quadratkilometern verteilt sind. Aus der Anzahl der gemessenen Ereignisse und den unterschiedlichen Ankunftszeiten der Schauer konnten sie auf die Energien und die Richtung der Ursprungsteilchen schließen. Ergänzt wurden die Richtungsmessungen durch stereoskopisch angeordnete Teleskope. Diese detektieren Fluoreszenzblitze, die in den Teilchenschauern erzeugt werden. Dabei werden Stickstoffmoleküle durch sekundäre elektromagnetische Strahlung angeregt, woraufhin sie ihrerseits die Energie im ultravioletten Spektralbereich wieder abgeben.
Innerhalb des Beobachtungszeitraums registrierte die Forschergruppe 72 solcher Ereignisse. Dabei stellte sie fest, dass beinahe ein Viertel der Teilchenströme aus der Richtung des Zentrums des Sternbilds Großer Bär eintraf. Dieser "heiße Fleck" weist einen Durchmesser von rund 40 Grad auf und nimmt am Nordhimmel einen Bereich von rund sechs Prozent ein. Da sich in dieser Himmelsregion auch der Virgo-Supergalaxienhaufen befindet, sehen die Wissenschaftler darin einen Hinweis darauf, dass der Ursprung hochenergiereicher kosmischer Strahlung vornehmlich in den großskaligen Strukturen des Universums zu suchen ist. Ähnliche Anzeichen ergaben sich bei einer Durchmusterung der südlichen Himmelssphäre mit dem Pierre-Auger-Observatorium in Argentinien, die eine weitere, wenn auch schwächere Quellregion identifizierte.
Die an dem Telescope Array Project beteiligte Forschergemeinde plant nun einen Ausbau ihrer Anlage, um in Zukunft mehr Ereignisse beobachten zu können. Die höhere Anzahl würde eine zuverlässigere Statistik liefern, mit der eine höhere Richtungsauflösung möglich sein sollte. Das könnte die Suche nach einzelnen Strukturen innerhalb des heißen Flecks und die Identifikation einzelner Quellen ermöglichen.
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