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News: Wohnsituation in Deutschland

Überdurchschnittlich zufrieden sind die Deutschen in Ost und West mit ihrer Wohnungsversorgung. In den 90er Jahren stieg in beiden Teilen die Zahl der Wohnungen schneller als die der Haushalte. Wie aus einer Studie hervorgeht, fehlen jedoch weiterhin preiswerte Wohnungen für Familien besonders in den Innenstädten.
Etwa die Hälfte der vielfach maroden Wohnungsbestände aus der DDR konnte saniert werden. Und bei der technischen Ausstattung der Wohnungen – mit Innen-WC, Bad / Dusche, moderner Heizung, Kommunikations- und Fernsehtechnik – gibt es laut einer Studie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung bereits "gleichwertige Lebensverhältnisse" in Ost und West.

Allerdings hat sich die Inanspruchnahme von Flächen für den Wohnungsbau nicht verlangsamt. Wies die deutsche Durchschnittswohnung 1991 noch 82 Quadratmeter auf, waren es 1998 bereits 87 Quadratmeter. Das Wohnen wurde für die Bürger auch immer teurer. Wandten die westdeutschen Bürger 1960 nur zehn Prozent ihres Einkommens für die Wohnungsmiete auf, waren es 1998 schon 25 Prozent. In den neuen Ländern verläuft die Angleichung der Mieten überdies viel schneller als die Angleichung der Einkommen.

Daher nehmen die sozialen und regionalen Ungleichheiten zu: Leerstand im teuren Segment und im Substandard bei anhaltender Nachfrage nach preiswerten Standardwohungen durch junge Menschen; ein Überangebot mit bis zu zwanzig Prozent Leerstand in immer dünner besiedelten Regionen, in prosperierenden eine nach wie vor lebhafte Nachfrage. Und in West- und Ostdeutschland geht der Wohnungsbau drastisch zurück.

Wilhelm Hinrichs verweist in seiner WZB-Untersuchung auf vier entscheidende Herausforderungen. Die größte besteht in der Schaffung solcher neuen Wohn- und Nachbarschaftsmodelle, durch die soziale Integration begünstigt wird, die praktisch und preiswert ausfallen und umweltschonend sind. Keinesfalls lässt sich dieses Ziel durch eine ausschließliche Konzentration der Wohnungsbauförderung auf den klassischen Eigenheimbau erreichen, obwohl drei Viertel aller Deutschen – ginge es allein nach deren individuellen Vorlieben – in einem Eigenheim leben möchten.

Die zweite zentrale Aufgabe ergibt sich aus dem Anspruch moderner Gesellschaften, einen bezahlbaren Wohn-Durchschnittsstandard für möglichst alle Bevölkerungsgruppen zu gewährleisten. Heute müssen knapp zehn Prozent der Haushalte zur finanziellen Absicherung des Wohnens auf sozialstaatliche Unterstützung zurückgreifen. Eine dauerhafte Durchsetzung des gesellschaftlichen Anspruchs verlangt nicht nur Bedingungen preisgünstigen Bauens, sondern der Staat muß auch die expandierende Wohnkostenentwicklung begleiten und gegebenenfalls hierbei intervenieren.

Drittens ergeben sich zunehmend soziale Problemlagen in den Innenstädten. Die Wohnungen werden überproportional von benachteiligten Gruppen genutzt, beispielsweise von alleinlebenden Personen ohne berufliche Qualifikation, oft auch von einkommensschwachen älteren Personen. Es sind dies vielfach auch Nichterwerbstätige und Arbeiter, deren Haushalts-Nettoeinkommen oft weniger als 2000 Mark beträgt. Hier muß eine konzentrierte Förderung des Mietwohnungsbestands in den Innenstädten erfolgen.

Dabei reichen die Möglichkeiten von der Beibehaltung wirksamer Einflussmöglichkeiten der Kommunen auf die Bestände und die Belegung über die Wiederbelebung des klassischen Genossenschaftsmodells bis hin zu weiteren gezielten Subventionen in diesem Bereich, auch für den sozialen Mietwohnungsbau. Der Abbau sozialer Polarisierungen und eine Wiederbelebung der Innenstädte zur Unterstützung familialer Lebensformen sind darüber hinaus Aufgaben einer gezielten Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Wohnungspolitik.

Der vierte dringende Handlungsbedarf besteht in der Verhinderung extremer regionaler Unterschiede, insbesondere in Ostdeutschland. In den dortigen Innenstädten wurden durch den Strukturwandel massenhaft Industriearbeitsplätze abgebaut, es entstanden größere Industriebrachen und verlassene öffentliche Räume. Auch aus früher wenig entwickelten Gebieten oder aus monostrukturierten Industrieregionen kam es wegen fehlender Arbeitsplätze und schlechter Lebensperspektiven zu umfangreichen Abwanderungen. So verloren einige Regionen seit 1991 bis zu 20 Prozent ihrer Bewohner. Struktureller Wohnungsleerstand und Verödung lassen sich hier ohne staatliche Intervention und Bürgerengagement kaum wirksam beeinflussen.

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