Direkt zum Inhalt

Klimawandel: Wolkenschwund könnte extremen Treibhauseffekt auslösen

Wenn die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre weiter steigt, könnte das verheerende Folgen für eine Wolkenform haben, die unsere Erde kühl hält.
Heizdecke oder Kühlkissen? Wolken gibt es in unterschiedlichsten Formen und Grau-Weiß-Schattierungen. Manche lassen mehr Wärmestrahlung passieren, andere weniger.

Marine Stratocumuluswolken, die in vergleichsweise geringen Höhen rund 20 Prozent der subtropischen Meere bedecken, haben einen wichtigen Einfluss auf das Klima: Weil sie einen Teil des kurzwelligen Sonnenlichts zurück ins All reflektieren, kühlen sie die Erde. Doch wenn die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre weiter steigt, könnte es – zumindest theoretisch – genau dieser Wolkenform an den Kragen gehen. Und das hätte extreme Konsequenzen. Das zeigt nun ein Modell, das ein Team um Tapio Schneider vom California Institute of Technology in Pasadena im Fachmagazin »Nature Geoscience« vorgestellt hat.

Weil Stratocumuluswolken auf Grund lokaler Turbulenzen entstehen, werden sie von Klimamodellen in aller Regel nicht erfasst. Schneider und seine Kollegen nutzten deshalb das Modell einer räumlich begrenzten Atmosphärensektion über einem subtropischen Ozean, um zu simulieren, wie sich die Wolken bei steigenden Kohlendioxidwerten verhalten. Kletterten diese auf etwa 1200 parts per million (ppm), hatte das verheerende Folgen für die Stratocumulusschichten: Sie lösten sich einfach auf. Ohne die kühlende Wolkendecke stieg auch die globale Durchschnittstemperatur sprunghaft um rund 8 Grad Celsius an – und setzte so eine Kettenreaktion in Gang, die den Klimawandel noch weiter anheizte. Die Simulation offenbarte zudem: Um die Wolkenschichten zurückzuholen, reicht es nicht aus, den Kohlendioxidausstoß wieder geringfügig zu verringern. Einmal verschwunden, erholt sich die Stratocumulusdecke erst wieder, wenn die CO2-Werte deutlich unter 1200 ppm sinken.

Derzeit liegt die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre bei etwa 410 ppm – Tendenz steigend: In den letzten Jahren nahm sie um durchschnittlich 3 ppm pro Jahr zu. Manche Wissenschaftler gehen deshalb davon aus, dass Werte um 1200 ppm in den nächsten 100 bis 150 Jahren durchaus Realität werden könnten, wenn wir den CO2-Ausstoß nicht weiter begrenzen. Schneider glaubt und hofft jedoch, dass es nicht so weit kommen wird, auch weil der technologische Fortschritt uns bis dahin wohl neue Möglichkeiten beschert, um mehr Kohlendioxid einzusparen. Kerry Emanuel, Meteorologe am MIT, geht außerdem davon aus, dass der Klimawandel schon vor dem Erreichen der 1200-ppm-Schwelle deutlich spürbare Konsequenzen für Gesellschaften haben wird, etwa Missernten und kollabierende Gesellschaften. Ein Zusammenbruch der Wirtschaft würde dann zum Beispiel automatisch dazu beitragen, dass sich CO2-Ausstoß verringert, wie er im »Quanta Magazine« erklärt. Ob ein Verschwinden der Wolkendecke wirklich ein realistisches Szenario für die Zukunft ist, bleibt also fraglich.

Neu wären solche extremen Kohlendioxidwerte für die Erde übrigens nicht: In der Kreidezeit vor etwa 66 Millionen Jahren kam unser Planet ebenfalls auf rund 1200 ppm Kohlendioxid in der Atmosphäre. Die Temperaturen waren damals allerdings deutlich höher als heute und Teile der Kontinente von Flachmeeren bedeckt.

WEITERLESEN MIT »SPEKTRUM +«

Im Abo erhalten Sie exklusiven Zugang zu allen Premiumartikeln von »spektrum.de« sowie »Spektrum - Die Woche« als PDF- und App-Ausgabe. Testen Sie 30 Tage uneingeschränkten Zugang zu »Spektrum+« gratis:

Jetzt testen

(Sie müssen Javascript erlauben, um nach der Anmeldung auf diesen Artikel zugreifen zu können)

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.