Mondforschung: Was erzeugte die Schrammen um das Mare Imbrium?
Auf unserem Mond zeigen sich schon dem bloßen Auge helle und dunkle Gebiete, die mit etwas Fantasie ein Gesicht auf der Mondscheibe bilden. Dabei stellt das Mare Imbrium, das Regenmeer, das linke Auge dar. Dieses mit 1250 Kilometer Durchmesser größte Einschlagbecken auf der Mondvorderseite entstand vor etwa vier Milliarden Jahren durch den Impakt eines Asteroiden. Der Forscher Peter H. Schultz von der Brown University in Rhode Island und sein Kollege David A. Crawford von den Sandia National Laboratories in New Mexico befassten sich nun genauer mit der Entstehung des Regenmeers. Dabei setzten sie sowohl auf Beschussversuche von Metallplatten mit Hochgeschwindigkeitsprojektilen als auch auf Computermodellierungen, um den Details der Kraterbildung auf die Spur zu kommen.
Rund um das Mare Imbrium lassen sich unter geeigneten Bedingungen wie extrem flachem Lichteinfall lange Furchen oder Schrammen erkennen, die radial vom Zentrum des Regenmeers ausgehen. Sie erstrecken sich über viele hundert Kilometer. Diese Furchen werden bislang als die Schrammspuren von Gestein der Mondkruste interpretiert, das bei dem heftigen Einschlag explosiv aus dem sich gerade bildenden Einschlagbecken herausgeschleudert wurde. Dabei soll das Auswurfmaterial an der Mondkruste entlanggeschrammt sein und die Furchen ausgehoben haben. Die Verteilung der Schrammen deutet darauf hin, dass der rund 250 Kilometer große Impaktor von Nordwesten kommend auf der Mondoberfläche unter einem flachen Winkel einschlug.
Schulz und Crawford stellten nun anhand ihrer Schussversuche und Computermodellierungen fest, dass beim Einschlag eines derart großen Himmelskörpers nicht nur Mondgestein freigesetzt wird, sondern auch Material des Projektils, das über die Mondoberfläche schrammt. Dies geschieht in dem Moment, in dem der Impaktor die Mondoberfläche gerade berührt, aber die Kraterbildung noch nicht begonnen hat. Das freigesetzte Material bewegt sich sehr schnell und unter sehr flachem Winkel relativ zur Mondoberfläche. Tatsächlich fanden sich in den Mondgesteinen, die von den Apollo-Astronauten zur Erde gebracht wurden, auch Brocken aus dem Mare Imbrium. Darin gab es immer wieder kleine Einsprengsel von meteoritischem Material, die sogar Rückschlüsse auf das Material des Impaktors zulassen. Demnach wäre es ein Asteroid vom Typ E gewesen, also ein Gestein mit einem hohen Gehalt des Silikatminerals Enstatit.
Erst wenn ein Impaktor wenige tausendstel Sekunden später tiefer in die Mondkruste eindringt, verdampft er wegen seiner hohen Bewegungsenergie, die auf einen Schlag in Wärme umgesetzt wird, vollständig in einer gewaltigen Explosion. Diese erfolgt symmetrisch und hebt einen initialen Einschlagkrater aus, so dass ein rundes Einschlagbecken entsteht. Im Fall des Mare Imbrium war dieser erste Krater etwa 850 Kilometer groß und mehrere hundert Kilometer tief. Durch den Einschlag wurde die Mondkruste zusammengedrückt und federte nur einige Dutzend Sekunden später zurück – ähnlich wie Wasser, in das man einen Stein wirft. Bei solchen Prozessen entstehen die charakteristischen Ringe um das Zentrum des Einschlagbeckens. Von diesen ist beim Mare Imbrium nur noch ein Teil sichtbar, denn vor rund vier Milliarden Jahren war der Mond noch sehr stark vulkanisch aktiv. Die Einschlagbecken auf der Mondvorderseite füllten sich allmählich mit Lava und erscheinen daher heute dunkel. Vor der Erfindung des Fernrohrs interpretierten Beobachter diese Regionen als Wasserflächen, und sie werden noch heute als Meer (lateinisch: mare) bezeichnet.
Ein weiteres sehr interessantes Detail der Untersuchungen der beiden Forscher ist, dass beim Einschlag sogar rund zwei Prozent des Impaktormaterials auf derart hohe Geschwindigkeiten beschleunigt wurden, dass sie das Schwerefeld des Erde-Mond-Systems verließen und zurück in den interplanetaren Raum flogen. Dieses Material wäre dann im späteren Verlauf der Entwicklung des Sonnensystems mit einem der vier erdähnlichen Planeten zusammengestoßen und hätte dort weitere Krater ausgehoben.
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