Work-Life-Balance: Zu viel freie Zeit tut auch nicht gut
Mehr Freizeit zu haben, macht zufriedener – allerdings nur bis zu einem gewissen Grad. Das legen Auskünfte von mehr als 35 000 Erwachsenen nahe, die ein Forschungsteam um Marissa Sharif von der University of Pennsylvania ausgewertet hat. Den ganzen Tag zur freien Verfügung zu haben, kann demnach unglücklich machen.
Die Angaben stammen zum einen von 14 000 Berufstätigen in den USA. In wiederholten Umfragen zwischen 1992 und 2008 berichteten sie, wie viel Zeit sie an einem durchschnittlichen Arbeitstag mit welchen Aktivitäten verbrachten und wie zufrieden sie mit ihrem Leben waren. Zum anderen stützt sich die Analyse auf Daten, die die US-Behörde für Arbeitsstatistik 2012 und 2013 erhoben hat: Knapp 22 000 Personen gaben an, womit sie sich in den vergangenen 24 Stunden wie lange beschäftigt hatten. Was zum Freizeitvergnügen zählte und was nicht, wurden von unabhängigen Dritten beurteilt.
Nicht weniger als zwei, nicht mehr als fünf Stunden Freizeit
Ergebnis: Berufstätige ohne Kinder hatten am Tag im Mittel rund viereinhalb Stunden Freizeit, während Eltern mit mindestens einem Kind unter sechs Jahren auf rund eine Stunde weniger kamen. Der optimale Korridor reichte von zwei bis fünf Stunden: Bei weniger, aber auch bei mehr freier Zeit sank die Zufriedenheit, und das unabhängig von Alter, Geschlecht und Bildungsniveau.
»Wenig Zeit zu haben, ist schlecht, aber mehr Zeit zu haben, ist nicht immer besser«, sagt die Motivationsforscherin Marissa Sharif. Woran das liegt, untersuchten sie und ihr Team in weiteren Onlineexperimenten. Ihre rund 6000 Versuchspersonen sollten sich vorstellen, sie würden täglich über eine bestimmte Menge Freizeit verfügen: eine Viertelstunde, dreieinhalb oder sieben Stunden. Wie glücklich und zufrieden wären sie damit?
Bei mittlerer Stundenzahl fielen die Antworten am positivsten aus. Nur eine Viertelstunde Freizeit am Tag empfanden die Versuchspersonen als Stress. Bei sieben Stunden meinten sie allerdings, sich weniger produktiv zu fühlen, besonders wenn sie sich vorstellten, die Zeit vor dem Fernseher zu verbringen und nicht mit etwas, was sie schön und sinnvoll fanden, wie Sport und Hobbys. Das Team um Sharif schließt daraus, ein Übermaß an Freizeit sei mit einem Gefühl von Unproduktivität verbunden.
Die Studie ist nicht die erste, die auf mögliche negative Seiten von viel freier Zeit hinweist. Die meisten Menschen sind offenbar gerne viel beschäftigt und damit glücklicher, als wenn sie nichts zu tun haben – selbst wenn sie sich das nicht ausgesucht haben.
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