News: Worte können Wunden schlagen
Schon wenn Frauen minder schwerer Gewalt ausgesetzt sind - wie Drohungen oder auch 'Schubsen' - erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, daß sie physische oder psychische Gesundheitsprobleme entwickeln. Das fanden amerikanische Forscher bei einer anonymen Erhebung heraus, an der sich fast 2 000 Frauen beteiligten.
Kliniker, Forscher und Personen im Gesundheitswesen sollten sich bewußt sein, daß schon eine Gewaltanwendung gegen Frauen, die häufig als relativ geringfügig angesehen wird, mit gesundheitlichen Problemen verknüpft sein kann, erklärt Jeanne McCauley von der John Hopkins Medical Services Corporation. Frauen neigen dazu, Probleme in ihren Partnerschaften abzustreiten, aber im Gesundheitswesen Beschäftigte sollten sich ihrer Ansicht nach über diesen Verleugnungsprozeß im Klaren sein.
Die Wissenschaftler benutzten anonyme Fragebögen, um einen Überblick über Frauen zu bekommen, die Termine für ärztliche Untersuchungen an vier verschiedenen öffentlichen Kliniken um Baltimore hatten. Die Erhebungsbögen fragten unter anderem, ob die Teilnehmerinnen in den vorhergegangenen sechs Monaten 22 verschiedene körperliche Symptome gezeigt hatten. Zusätzlich erkundigten sie sich nach seelischem Leid, Alkohol- und Drogenmißbrauch und danach, ob die Frauen Mißbrauch in der Kindheit oder als Erwachsene erlebt hatten. Auch momentan erlittene Gewalt und die Krankheitsgeschichte der Probandinnen wurden erfragt.
Die Gruppe der mißbrauchten Frauen bestand zu 70 Prozent aus Weißen und ungefähr die Hälfte von ihnen war verheiratet. Alter, Bildungsstand und sozioökonomischer Status variierten. Patientinnen, die Gewaltanwendung erfahren hatten, zeigten eine höhere Wahrscheinlichkeit für momentanen oder vergangenen Drogenmißbrauch und hatten häufiger Partner mit einem Drogenproblem als Frauen, deren Leben gewaltfrei verlief. Insgesamt zeigten die mißbrauchten Frauen mehr körperliche Krankheitssymptome als Frauen, die niemals einen Mißbrauch erlebt hatten. So litten sie häufiger an Durchfällen, Appetitlosigkeit, Unterleibsschmerzen und Vaginalausfluß (Journal of Internal Medicine vom Oktober 1998).
Von den 1 931 befragten Frauen hatten 79 (4,1 Prozent) schwere Gewalt erlitten: Sie wurden geschlagen, getreten, verbrannt, gewürgt, mit einer Waffe bedroht oder verletzt oder zu sexuellen Handlungen gezwungen. Für die Frauen dieser Gruppe war es wahrscheinlicher, einmal im Leben einen Selbstmord versucht zu haben. 47 der Probandinnen (2,4 Prozent) erfuhren minderschwere Gewalt, indem sie herumgestoßen oder festgehalten wurden oder indem ihnen gedroht wurde, daß entweder den Frauen selbst oder einer Person, die sie liebten, Leid zugefügt werden würde. Ein Anteil von 28,4 Prozent (548) der an der Erhebung beteiligten Frauen erlebte in der Vergangenheit als Kind oder Erwachsene eine Form von Mißbrauch. Nur 65,1 Prozent der Teilnehmerinnen hatte nach eigenen Angaben in ihrem bisherigen Leben keine Form der Gewaltanwendung erfahren.
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