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News: Würmer verteidigen sich durch Hämoglobin

Biochemiker dachten längst, alles über Hämoglobin zu wissen. Normalerweise transportiert das Protein bei vielen Lebewesen von der Schnecke bis zum Menschen den Sauerstoff durch die Blutbahn zu allen Körperteilen. In einem marinen Wurm hat das Molekül aber eine ganz andere Funktion: Es dient als Schild gegen die chemischen Angriffe von Rivalen.
Entlang der Atlantikküste lebt im schlammigen Meeresboden Amphitrite ornata, ein mit vielen Borsten besetztes, ein Zentimeter langes harmloses Tier. Er muß sich sein Habitat mit anderen giftigen marinen Würmer teilen. Diese produzieren verschiedene schädliche Halophenole, pestizidartige Substanzen, um die Anzahl ihre Konkurrenten wie die Amphitriten einzudämmen. Der Chemiker Lukasz Lebioda und seine Kollegen von der University of South Carolina in Columbia endeckten, wodurch die Amphitrite diese Angriffe überleben kann (Nature vom 1. Oktober 1999). Der Wurm produziert ein Enzym, Dehaloperoxidase (DHP), das den Halophenolen entgegenwirkt, nachdem sie in seinen Körper eingedrungen sind.

Als die Forscher die Struktur der DHP bestimmten, erkannten sie, daß ihre Form und Aminosäurensequenz alle Kennzeichen der Globine hat – eine Klasse von Proteinen, unter denen bisher niemals ein Enzym war. Aus seinem Aufbau schlossen sie, daß sich dasselbe Atom, das in Hämoglobin an Sauerstoff bindet, in der DHP statt dessen an ein Molekül Wasserstoffperoxid anlagert. Diese Substanzen kommen im Blutkreislauf von Tieren praktisch überall vor. Von dem Wasserstoffperoxid spaltet die DHP ein Sauerstoffatom ab und läßt es mit vorbeitreibenden Halophenolen reagieren, die dadurch für den Wurm ungefährlich werden.

Biochemiker sind an der neuen Vielseitigkeit der Globine interessiert. Lebioda hofft, daß eines Tages die Würmer (oder ihr DHP) benutzt werden können, um verschmutztes Wasser im Mündungsbereich von Papiermühlen zu reinigen. Halophenole entstehen als Nebenprodukt beim Bleichen und werden dort einfach ins freie Wasser entlassen.

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