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News: Wundpflaster für Muskeln

Muskelkraft hat ihren Preis: Die Anspannung verursacht winzige Schäden an den Muskelzellen. Normalerweise werden diese sekundenschnell durch ein Bio-Pflaster verschlossen. Fehlt ein für diesen Prozess wichtiges Protein, bleiben die Wunden offen, und der Muskel degeneriert nach und nach.
Klimmzug, Sprint und Co sind nicht nur anstrengend, sondern setzen auch den Muskeln gewaltig zu – wer hat nicht schon einmal nach einer ungewohnten Belastung seine Muskeln am nächsten Tag schmerzhaft gespürt? Schuld an diesem Muskelkater sind nach heutigem Wissensstand winzige Risse der Muskelfasern. Noch kleinere Schäden bleiben eher unbemerkt: Die Bewegung reißt auch winzige Löcher in die Membran, welche die Muskelfasern umhüllt, das Sarkolemm. Diese Miniwunden werden innerhalb von zehn bis dreißig Sekunden richtiggehend verpflastert.

Der Ablauf dieses Vorgangs ist im Einzelnen nicht genau bekannt. Nach der gängigen Hypothese ruft die geschädigte Zelle um Hilfe, indem Calcium in die Zelle eindringt. Daraufhin wandern kleine Bläschen aus dem Zellinneren – die cytoplasmatischen Vesikel – unter die Membran und verschmelzen dort sowohl untereinander als auch mit der Zellhülle. Im Endeffekt entsteht dadurch ein neues Membranstück, das die Wunde wie ein Pflaster von innen her verklebt.

Bei Muskeldystrophien, einer Gruppe von Krankheiten, bei denen die Muskeln nach und nach an Kraft verlieren, bis der Patient auf den Rollstuhl angewiesen ist, scheint dieser Erste-Hilfe-Prozess gestört zu sein: Hier sammeln sich unter den Mikroverletzungen Bläschen an. Ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen Muskelpflaster und Muskeldystrophie besteht, ergründeten nun Kevin Campbell von der University of Iowa und seine Kollegen.

Dabei interessierte die Wissenschaftler insbesondere das Protein Dysferlin, das sich sowohl im Sarkolemm als auch in den cytoplasmatischen Vesikeln findet – also in beiden Bestandteilen des Pflasters. Veränderungen in diesem Eiweiß verursachen zudem zwei Typen von Muskeldystrophien.

Für ihre Untersuchungen züchteten die Wissenschaftler Mäuse, denen Dysferlin fehlt. Diese Tiere litten unter einer langsam fortschreitenden Muskeldystrophie, die einer Form der Krankheit beim Menschen ähnelt. Die Forscher löcherten mit Laser die Muskelfasern von gesunden Mäusen und von solchen, die entweder besonders viel oder gar kein Dysferlin produzieren. Anschließend beobachteten sie, wie schnell die Verletzungen im Sarkolemm verschlossen wurden.

Normale und Dysferlin überproduzierende Mäuse erledigten dies innerhalb von einer Minute – vorausgesetzt, es war Calcium vorhanden. Den Tieren ohne Dysferlin dagegen gelang es weder mit noch ohne Calcium, die Wunden zu verpflastern. Unter dem Elektronenmikroskop zeigten sich bei ihnen unterhalb der Verletzungen außerdem Ansammlungen von Vesikeln.

Dysferlin spielt demnach beim Andocken der Bläschen an das Sarkolemm und bei ihrer Verschmelzung mit der Zellmembran eine wichtige Rolle. Die Muskelschäden bei Muskeldystrophien können also tatsächlich dadurch entstehen, dass kleine Verletzungen aufgrund von fehlerhaftem Dysferlin unzureichend verarztet werden.

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