Strom leitende Bakterien: Wurmröhren als Kabelkanal
Erst 2012 haben Forscher Kabelbakterien entdeckt: Filamente bildende Bakterien im Meeresboden, die Strom zwischen aeroben und anaeroben Schichten im Sediment leiten und so Energie gewinnen. Bisher dachte man, dass diese Bakterien nicht in durchwühlten Sedimenten vorkommen. Nach einer neuen Studie profitieren sie aber sogar davon – indem sie Wurmröhren als stabile Tunnel nutzen.
Direkt an den Tunnelwänden des Vielborsters Chaetopterus variepedatus werden die Bakterienfilamente länger als in größerer Entfernung dazu, berichtet die Arbeitsgruppe um Robert Aller im Fachmagazin »Science Advances«. Mit rund einem halben bis einem Millimeter Länge waren die von Aller und Kollegen gefundenen Filamente allerdings kürzer als Exemplare aus früheren Studien, bei denen mitunter sogar bis zu anderthalb Zentimeter gemessen wurden. Das könnte an ihrer Probennahme gelegen haben, vermuten die Wissenschaftler.
Für die Bakterien sind die relativ dauerhaften Wurmröhren von Vorteil: Hier herrschen im Vergleich zum umliegenden Sediment gleich bleibende Bedingungen für den Elektronenaustausch. Im Gegenzug verleihen die Bakterien den Tunneln zusätzliche Stabilität. Sie halten den pH-Wert annähernd konstant, verbrauchen die giftigen Sulfide rund um die Röhren und bewirken, dass sich Mangan- und Eisenoxide an den Wänden ablagern. Diese reagieren mit potenziell schädlichen gelösten Stoffen aus dem Sediment und halten sie dadurch davon ab, in den Tunnel vorzudringen.
Die Bakterien sind mit dieser Gemeinschaft besser an vielfältige Umweltbedingungen angepasst als bisher vermutet. Auch die Evolution von größeren Organismen, die den Boden beeinflussen, hat den Bakterien nicht geschadet. Im Gegenteil, sie hat ihnen weitere Überlebensmöglichkeiten eröffnet.
Wann Kabelbakterien entstanden sind, ist unklar. Aus genetischen Unterschieden zwischen bisher beschriebenen Arten könne man schließen, dass ihr gemeinsamer Ursprung mehrere hundert Millionen Jahre zurückliege, erklärt Lars Peter Nielsen vom Zentrum für Elektromikrobiologie der Universität Aarhus. Möglicherweise hätten sich Kabelbakterien auch mehrfach entwickelt: Ihrem Stoffwechsel nach zu urteilen könnten sie als Folge der Sauerstoffanreicherung in der Atmosphäre entstanden sein.
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