News: X-förmige Kunst
So weit, so gut. Doch erst die Kultur macht aus einem Menschen einen wahren Menschen. Und die enstand schließlich in Europa. Zeugen doch die altsteinzeitlichen Meisterwerke in den Höhlen von Lascaux oder Altamira davon, welche künstlerischen Höhen der Europäer erklimmen konnte – und das schon vor 30 000 Jahren.
Doch in Südafrika sitzt ein Archäologe, der zweifelt das kulturelle Erstgeburtsrecht der Europäer an. Christopher Henshilwood von den Iziko Museums of Cape Town gräbt seit mehreren Jahren in der südafrikanischen Höhle Blombos Cave – und wurde schon mehrfach fündig. Die Knochenwerkzeuge, die er hier mit seinen Kollegen ans Tageslicht brachte, zeugen von einer hohen handwerklichen Begabung der früheren Höhlenbewohner. Und die lebten hier nicht vor 30 000 Jahren, sondern ein paar Jährchen vorher. Die Datierung ergab ein Alter von 77 000 Jahren; die Funde gehören damit zu einem Zeitalter, das in Afrika als Mittlere Steinzeit bezeichnet wird und vor 250 000 Jahren begann. Damals war in Europa noch der Neandertaler aktiv.
Doch schnödes Handwerk ist das Eine. Wo bleibt die Kunst? Genau die glaubt Henshilwood jetzt in Blombos Cave gefunden zu haben. Auf zwei kleinen Ockerstückchen, jeweils 53 und 76 Millimeter lang, hatte ein unbekannter Meister regelmäßige, X-förmige Gravuren hinterlassen. Leider weiß niemand, welche Botschaft sich hier verbirgt, doch Henshilwood ist überzeugt: "Das ist keine sinnlose Kritzelei." Und der Anthropologe Stanley Ambrose von der University of Illinois gibt ihm recht: "Das ist Kunst."
Das könnte bedeuten, dass die frühreifen Afrikaner sich schon in abstrakten Kunstwerken übten – und vielleicht diese Kultur quasi als Entwicklungshilfe nach Europa brachten. Doch noch fehlen weitere Belege für frühe kulturelle Leistungen der Afrikaner. Und Kunstwerke sind leider sehr vergänglich. "Die Mona Lisa", gibt Kathleen Gibson von der University of Texas zu bedenken, "hätte auch keine 40 000 Jahre überlebt."
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