Naturkatastrophen: Zäher Wiederaufbau
Über ein Jahr ist es nun her, seit Hurrikan Katrina die amerikanische Südstaatenmetropole New Orleans untergehen ließ. Die Wirbelsturmsaison 2006 scheint die Stadt bislang zu verschonen. Dennoch geht ihr Wiederaufbau nur sehr zögerlich voran, und offensichtlich werden alte Fehler wiederholt.
Wenn die Vergangenheit ein Menetekel für die Zukunft ist, dann sieht diese für New Orleans gar nicht rosig aus – meinen zumindest die Wissenschaftler um Robert Kates von der Louisiana State University in Baton Rouge und widersprechen damit den meisten lokalen, regionalen und nationalen Politikern ihres Landes [1]. Diese wollen die Metropole nach dem Überflutungsdesaster vom August 2005 größer und schöner denn je wiederaufbauen, den rund vierzig bis fünfzig Milliarden Dollar Schaden zum Trotz.
Anfänglich waren für den Bau und Unterhalt dieser Deiche allein die Landbesitzer verpflichtet, später ging die Aufgabe an bundesstaatliche und nationale Behörden über. An einer Prämisse änderte sich allerdings bis heute kaum etwas: Die vorgeschriebene Höhe der Bollwerke orientierte sich an der Höhe der letzten Fluten, auf die knapp dreißig Zentimeter als Puffer aufgeschlagen wurden. Am Grundübel – der fortwährenden und zunehmenden Besiedlung eigentlich siedlungsuntauglicher Senken und Sümpfe im Großraum – änderte sich jedoch wenig, was die jeweiligen Bewohner stets aufs Neue spüren mussten.
Noch bis kurz vor dem 29. August 2005 prophezeiten Experten den Politikern, dass im Fall der Fälle die Deiche nicht standhalten würden und mehr als die Hälfte der knapp 440 000 Bürger des zentralen Stadtbereichs dadurch betroffen sein könnten. Neben technischen Maßnahmen mahnten sie vor allem einen ausgeklügelten Evakuierungsplan an, der auch an die 130 000 Bewohner ohne eigenen fahrbaren Untersatz dachte. Vergebens: Zehntausende mussten während des Sturms und der nachfolgenden Tage in überfüllten, teils von der Außenwelt abgeschnittenen Notunterkünften oder auf ihren Hausdächern auf Hilfe warten, 1600 Menschen starben.
Nachdem die Politik und sogar die nationalen Katastrophenschützer der USA das Ausmaß der Schäden deutlich unterschätzten, überboten sie sich anschließend mit Hilfszusagen und Parolen für den Wiederaufbau. Dennoch brauchte es sechs Wochen, bis das Wasser aus allen Straßen und Bezirken wieder verschwunden war und die Phase der Reparatur und des Neuanfangs einsetzen konnte. Hier zeigt sich allerdings deutlich, wie uneins die daran Beteiligten mittlerweile sind, da die unterschiedlichsten Behörden auf allen Verwaltungsebenen und externe Fachleute an Plänen und Problemlösungen arbeiten.
Die "Bring New Orleans Back Commission" etwa sieht eine deutlich kleinere Stadt vor sich, in der nur mehr 250 000 Menschen leben – diese aber sicherer, weil auf höher gelegene Bezirke konzentriert. Demgegenüber stehen die Absichten und finanziellen Zuweisungen staatlicherseits, deren Muster jenen vergangener Zeiten gleich, so Kates. Wieder sollen die Dämme verstärkt und erhöht werden, damit sie zukünftig einem Hurrikan der Kategorie 5 standhalten können (Katrina fiel unter Kategorie 4, als sie New Orleans traf). Und da Flutkarten nicht ausreichend aktualisiert wurden, gelangten auch Menschen und Stadtteile, die auch zukünftig Fluten leichter anheim fallen könnten, in die Gunst von Aufbau- statt Umsiedelungshilfe.
Generell fokussieren die lokalen Stadtplaner und Ingenieure auf technische Lösungen und neue, praktikablere Evakuierungspläne, um ein zweites Katrina-Unglück zu verhindern. Allein 4,5 Milliarden Dollar wurden bislang investiert, um die gebrochenen Dämme wieder zu befestigen und mit neuem Material und stärker verankerten Flutwellen zu verbessern. Leider lassen sie nach Ansicht der Forscher veränderte Landnutzungen im Stadtgebiet und vor allem die Restaurierung der Marschen, Sümpfe und Salzwiesen im Delta des Mississippis völlig außen vor, obwohl der so genannte Lousiana-Coast-2050-Plan genau dies vorsieht. Denn die Feuchtgebiete entlang der Küste schützen ihr Hinterland, jeder Sturm verliert durch die Bodenreibung an Kraft und Windgeschwindigkeit. Doch bis heute gibt es kein Budget für den auf 14 Milliarden Dollar Kosten geschätzten natürlichen Küstenschutz.
Jährlich liefern Wirbelstürme aller Stärke ihren Angaben zufolge etwa 26 Millionen Tonnen Sand und Schlick an die Küste, was mehr als dem Fünffachen der Sedimentfracht des Mississippis vor den großen Eindeichungen am Fluss entspricht. Der bedrohliche Schwund der Feuchtgebiete – sie schrumpften nach dem Zweiten Weltkrieg teilweise jährlich um mehr als 11 000 Hektar und gegenwärtig noch um knapp 2600 Hektar – hängt daher eher mit mangelndem organischem Bestandsabfall zusammen, so die Forscher. Der Aushub von Kanälen zur Gas- und Ölförderung habe die Vegetation zerstört und damit deren Beitrag zur Festlandbildung ausgelöscht. Turners Team schlägt deshalb vor, zuerst diese künstlichen Abflüsse zuzuschütten, bevor Teile des Deltas mittels neuer technischer Flussverbauungen im großen Strom wieder mit frischen Sedimenten aus dem Mississippi versorgt werden.
Kritiker bezeichnen die hilfreichen Wirbelstürme dagegen als Nullsummenspiel, denn ihr Material stammt womöglich einfach nur von vorgelagerten Sandbänken, sodass deren wellenbrechender Charakter verloren ginge. Bis dieser wissenschaftliche Disput jedoch geklärt ist, wird wohl noch einige Zeit ins Land gehen – Zeit, die New Orleans wahrscheinlich nicht hat. Denn der historische Vergleich von Robert Kates zeigt, dass Katastrophen wie diese solchen Städten, die sich ohnehin im Abschwung befinden, oft noch den Todesstoß versetzen. Schon in den Jahren vor "Katrina" verlor die Metropole ein Drittel ihrer Einwohner durch Abwanderung. Von den letztes Jahr Evakuierten werden wohl wieder geschätzte 160 000 für immer fernbleiben – die Kleinstadtvision der "Bring New Orleans Back Commission" könnte also doch noch ungeplant eintreffen.
Womöglich werden sie dabei aber wieder jene Fehler der Stadtgeschichte begehen, die schon in vergangenen Jahrhunderten nach jedem Unglück den Grundstein für nachfolgende neue Katastrophen legten. Ein Blick in die Archive zeigt schließlich, dass New Orleans während seiner 288-jährigen Existenz immer wieder von Stürmen und Überflutungen heimgesucht wurde. Etwa einmal pro Jahrzehnt trat der Mississippi über seine Ufer oder zog ein Hurrikan über die auch "Big Easy" genannte Agglomeration hinweg und verheerten die Stadt. Doch gleich ob 1718, 1723, 1849 oder 1927: Stets wuchs New Orleans nach Flut- oder Sturmkatastrophen weiter und versuchte sich durch den Bau neuer wie höherer Dämme gegen die Unbilden der Natur zu wappnen.
Anfänglich waren für den Bau und Unterhalt dieser Deiche allein die Landbesitzer verpflichtet, später ging die Aufgabe an bundesstaatliche und nationale Behörden über. An einer Prämisse änderte sich allerdings bis heute kaum etwas: Die vorgeschriebene Höhe der Bollwerke orientierte sich an der Höhe der letzten Fluten, auf die knapp dreißig Zentimeter als Puffer aufgeschlagen wurden. Am Grundübel – der fortwährenden und zunehmenden Besiedlung eigentlich siedlungsuntauglicher Senken und Sümpfe im Großraum – änderte sich jedoch wenig, was die jeweiligen Bewohner stets aufs Neue spüren mussten.
Richtig in Fahrt kam der Städtebau in Big Easy im 20. Jahrhundert, als bessere Pump- und Drainagetechniken sowie vermeintlich stabilere Dammbauten mehr und mehr Menschen in gefährdete Gebiete ziehen ließen, die eigentlich nur unter großem Aufwand trocken gehalten werden können. Warnzeichen für bevorstehende richtig große Desaster gab es dabei zuhauf. So verhinderte 1927 nur die Sprengung eines Damms flussaufwärts in der Gemeinde St. Bernhard, auf Kosten der Landbevölkerung, ein Überschwappen des Mississippi nach New Orleans. Und 1965 machte Hurrikan "Betsy" mehr als 300 000 Stadtmenschen obdachlos, indem er 27 000 Häuser vernichtete.
Noch bis kurz vor dem 29. August 2005 prophezeiten Experten den Politikern, dass im Fall der Fälle die Deiche nicht standhalten würden und mehr als die Hälfte der knapp 440 000 Bürger des zentralen Stadtbereichs dadurch betroffen sein könnten. Neben technischen Maßnahmen mahnten sie vor allem einen ausgeklügelten Evakuierungsplan an, der auch an die 130 000 Bewohner ohne eigenen fahrbaren Untersatz dachte. Vergebens: Zehntausende mussten während des Sturms und der nachfolgenden Tage in überfüllten, teils von der Außenwelt abgeschnittenen Notunterkünften oder auf ihren Hausdächern auf Hilfe warten, 1600 Menschen starben.
Nachdem die Politik und sogar die nationalen Katastrophenschützer der USA das Ausmaß der Schäden deutlich unterschätzten, überboten sie sich anschließend mit Hilfszusagen und Parolen für den Wiederaufbau. Dennoch brauchte es sechs Wochen, bis das Wasser aus allen Straßen und Bezirken wieder verschwunden war und die Phase der Reparatur und des Neuanfangs einsetzen konnte. Hier zeigt sich allerdings deutlich, wie uneins die daran Beteiligten mittlerweile sind, da die unterschiedlichsten Behörden auf allen Verwaltungsebenen und externe Fachleute an Plänen und Problemlösungen arbeiten.
Die "Bring New Orleans Back Commission" etwa sieht eine deutlich kleinere Stadt vor sich, in der nur mehr 250 000 Menschen leben – diese aber sicherer, weil auf höher gelegene Bezirke konzentriert. Demgegenüber stehen die Absichten und finanziellen Zuweisungen staatlicherseits, deren Muster jenen vergangener Zeiten gleich, so Kates. Wieder sollen die Dämme verstärkt und erhöht werden, damit sie zukünftig einem Hurrikan der Kategorie 5 standhalten können (Katrina fiel unter Kategorie 4, als sie New Orleans traf). Und da Flutkarten nicht ausreichend aktualisiert wurden, gelangten auch Menschen und Stadtteile, die auch zukünftig Fluten leichter anheim fallen könnten, in die Gunst von Aufbau- statt Umsiedelungshilfe.
Generell fokussieren die lokalen Stadtplaner und Ingenieure auf technische Lösungen und neue, praktikablere Evakuierungspläne, um ein zweites Katrina-Unglück zu verhindern. Allein 4,5 Milliarden Dollar wurden bislang investiert, um die gebrochenen Dämme wieder zu befestigen und mit neuem Material und stärker verankerten Flutwellen zu verbessern. Leider lassen sie nach Ansicht der Forscher veränderte Landnutzungen im Stadtgebiet und vor allem die Restaurierung der Marschen, Sümpfe und Salzwiesen im Delta des Mississippis völlig außen vor, obwohl der so genannte Lousiana-Coast-2050-Plan genau dies vorsieht. Denn die Feuchtgebiete entlang der Küste schützen ihr Hinterland, jeder Sturm verliert durch die Bodenreibung an Kraft und Windgeschwindigkeit. Doch bis heute gibt es kein Budget für den auf 14 Milliarden Dollar Kosten geschätzten natürlichen Küstenschutz.
Möglicherweise hilft hier aber auch Mutter Natur dem Menschen. Denn Stürme wie "Katrina" leisten nach den Ergebnissen von Eugene Turner, ebenfalls an der Louisiana State University in Baton Rouge, und seinen Kollegen beträchtliche Aufbauarbeit in den Salzmarschen des Mississippi-Deltas [2]. Bei verschiedenen Messungen im Küstenbereich entdeckten sie im Schnitt fünf Zentimeter frischen Schlamm, der von den Sturmfluten im Gefolge von "Katrina" und Hurrikan "Rita" abgelagert wurde. Insgesamt, so berechneten die Geowissenschaftler, schütteten die beiden Naturereignisse 130 Millionen Tonnen Sediment über die Marschen.
Jährlich liefern Wirbelstürme aller Stärke ihren Angaben zufolge etwa 26 Millionen Tonnen Sand und Schlick an die Küste, was mehr als dem Fünffachen der Sedimentfracht des Mississippis vor den großen Eindeichungen am Fluss entspricht. Der bedrohliche Schwund der Feuchtgebiete – sie schrumpften nach dem Zweiten Weltkrieg teilweise jährlich um mehr als 11 000 Hektar und gegenwärtig noch um knapp 2600 Hektar – hängt daher eher mit mangelndem organischem Bestandsabfall zusammen, so die Forscher. Der Aushub von Kanälen zur Gas- und Ölförderung habe die Vegetation zerstört und damit deren Beitrag zur Festlandbildung ausgelöscht. Turners Team schlägt deshalb vor, zuerst diese künstlichen Abflüsse zuzuschütten, bevor Teile des Deltas mittels neuer technischer Flussverbauungen im großen Strom wieder mit frischen Sedimenten aus dem Mississippi versorgt werden.
Kritiker bezeichnen die hilfreichen Wirbelstürme dagegen als Nullsummenspiel, denn ihr Material stammt womöglich einfach nur von vorgelagerten Sandbänken, sodass deren wellenbrechender Charakter verloren ginge. Bis dieser wissenschaftliche Disput jedoch geklärt ist, wird wohl noch einige Zeit ins Land gehen – Zeit, die New Orleans wahrscheinlich nicht hat. Denn der historische Vergleich von Robert Kates zeigt, dass Katastrophen wie diese solchen Städten, die sich ohnehin im Abschwung befinden, oft noch den Todesstoß versetzen. Schon in den Jahren vor "Katrina" verlor die Metropole ein Drittel ihrer Einwohner durch Abwanderung. Von den letztes Jahr Evakuierten werden wohl wieder geschätzte 160 000 für immer fernbleiben – die Kleinstadtvision der "Bring New Orleans Back Commission" könnte also doch noch ungeplant eintreffen.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.