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Karibik: Zähne zeigen heißt Lachen, nicht Angriff

Projekt "Houses for the Living and the Dead", Courtesy of Current Anthropology
"Unschuldig und von einer solchen Freigiebigkeit, als würden sie einem ihr Herz schenken": So beschrieb Christoph Kolumbus das Volk der Taíno, das seit fast 800 Jahren die karibischen Inseln vor Mittelamerika besiedelte. Weniger freundlich urteilten die Europäer über die kunsthandwerklichen Skulpturen der Taíno. Denn viele davon zeigten aggressiv schauende Menschen – oft mit fletschenden Zähnen. Jetzt sind Archäologen und Psychologen überzeugt: Die Entdecker sind damals einem großen Missverständnis aufgesessen. Die aggressiv scheinenden Gesichter drückten in Wahrheit nichts anderes aus als – Lachen.

Zu diesem Schluss kamen Alice Samson und Bridget Waller, nachdem sie die Mimik wütender Menschen und anderer Primaten erkundeten – und erkannten, dass mit Wut immer auch weit geöffnete Augen, gespannte Unterlider und heruntergezogene Augenbrauen einhergehen. Wer lediglich die Zähne zeigt, muss hingegen nicht angriffslustig sein.

Vielmehr zeugen die Figuren nach Ansicht der Forscherinnen der Universiteit Leiden und der University of Portsmouth von einer für die Europäer vollkommen fremdartigen "Sozialgrammatik". Mit ihrer Mimik hätten die Skulpturen freundliche Absichten signalisiert – und damit etwa ihre Gruppenzugehörigkeit deutlich gemacht. Das Motiv der gebleckten Zähne wäre somit ein Element der sozialen Konventionen der Antillen – ein Begrüßungsritual vielleicht.

Dass die ersten Europäer in der neuen Welt in ihren Urteilen nicht objektiv waren, liegt auf der Hand: Die Spanier nahmen die indigenen Völker wie die Taíno auf der Insel Hispaniola als bedrohlich wahr und betrachteten sie aus der Warte ihres eurozentrischen Weltbilds. Die Zähne waren für sie ein Ausdruck böswilliger Gottheiten. Seltsamerweise wurde dieses Missverständnis nie aufgeklärt – erst jetzt revidieren die Forscher die aggressive Interpretation.

Claudia Reinert

Current Anthropology 51:3 2010

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