Bewegungssehen: Zeichentrick im Gehirn
Schnelle Bewegungen durch Striche anzudeuten, ist ein Trick, den nicht nur Comiczeichner kennen. Auch das menschliche Gehirn geht offenbar ähnlich vor, um die Richtung von schnellen Bewegungen abzubilden. Wie Forscher um Deborah Apthorp von der University of Wollongong in Australien berichten, findet dies bereits auf frühen Stufen der visuellen Reizverarbeitung in der Großhirnrinde statt.
Die Forscher zeigten acht Probanden auf einem Bildschirm aufwärts driftende Punktwolken. In Abständen von etwa einer Minute verschwanden die bewegten Punkte. Auf einer Seite des ansonsten leeren Bildschirms erschien stattdessen ein schwer auszumachendes, unbewegtes Liniengitter. Die Versuchspersonen sollten nun angeben, ob die Linien links oder rechts lagen.
Bewegte sich die Wolke mit gemächlichen 1,6 Metern pro Sekunde, bemerkten die Probanden horizontale Streifen, die senkrecht zur Driftrichtung lagen, deutlich besser. Anders bei Punkten, die mit 13 Metern pro Sekunde vorbeiflogen. Hier war die Sensibilität für vertikale Gittermuster – parallel zur Bewegungsrichtung – größer. Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten verarbeitet das Gehirn also nicht nach dem gleichen Schema.
Wie Messungen per funktioneller Magnetresonanztomografie ergaben, regten sich die frühen Sehareale V1, V2 und V3 bei schnellen Bewegungen stärker als bei der Wahrnehmung des langsamen Driftens oder von unbewegten Streifen. Dabei sind gerade diese Hirnbereiche darauf spezialisiert, die Orientierung unbewegter Stimuli zu verarbeiten. Wieso werden sie auch von fliegenden Punkten aktiviert?
Wenn etwas rasch an uns vorbeizieht, "verschwimmt" das Bewegungssignal im Gehirn, glauben die Wissenschaftler. Ein bewegter Punkt gleiche dadurch eher einer unbewegten Linie, die dann von den frühen Seharealen verarbeitet werden kann. Dieser Mechanismus helfe vermutlich, die Richtung einer Bewegung zu erkennen.
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