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Zellmechanismen: Zellkern-Schleusen, live und in 3-D

Innerhalb einer Zelle herrscht reger Transport-Verkehr - notwendigerweise, denn die DNA-Baupläne des Lebens sind durch die Hülle des Zellkerns von den Baustellen des Stoffwechsels, Wachstums und der Zellteilung abgeschottet. Wie die winzigen Schlupflöcher der trennenden Kernhülle funktionieren, konnte nun an lebenden und Organismen live beobachtet werden.
Kernpore
Der Zellkern beherbergt die genetische Information aller höheren Organismen, die bei Zellteilungen völlig identisch verdoppelt werden muss – und hier erfolgt auch die Abschrift der DNA für den Aufbau von Proteinen, den Machern von Wachstum, Entwicklung und Stoffwechsel. Umgeben ist der Zellkern von einer Doppelmembran, die ihn von der übrigen Zelle abgrenzt. In dieser Kernmembran sitzen Hunderte von Poren – Pforten, durch die permanent Tausende von Molekülen, wie Proteine oder RNA, transportiert werden.

Nur auf diese Weise gelangen die Baupläne für Eiweißstoffe aus dem Zellkern zu den Proteinfabriken, den Ribosomen, während umgekehrt Signale aus dem Zellkörper im Kern zelluläre Programme anschalten können – und etwa einen Wachstumsstopp, die Zellteilung oder -differenzierung anschalten.

Trotz eines beachtlichen Durchmessers von etwa 125 Nanometern sind die Kernporen ziemlich wählerisch – sie lassen nur bestimmte Proteine in den Zellkern hinein oder hinaus. Bekannt war bislang bereits, das Kernporen aus mehreren unterschiedlichen Bauteilen bestehen: Rund 30 Porenproteine, so genannte Nucleoporine, bilden die runden Pforten. Zum Inneren des Zellkernes hin bilden die Eiweiße einen Korb, und zum Zytoplasma Tentakel-ähnliche Ausläufer, die so genannten Filamente. Dazwischen befinden sich mehrere Ringe, die zusammen einen zentralen Transportkanal formen.

Welche der verschiedenen Proteine zu welchem Zeitpunkt in den Transportprozess eingreift, man bislang nur mit Hilfe von Lichtmikroskop und Fluoreszenzfarbstoffen herausfinden; das Elektronenemikroskop musste indes herhalten, um die äußere Struktur von fixierten Kernporen zu ergründen. Nun aber gelang den Wissenschaftler um Martin Beck vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried erstmals sichtbar zu machen, wie diese Poren im natürlichen Zustand in einer lebenden Zelle aussehen.

Dazu griffen die Forscher auf die zuvor bereits an ihrerem Institut entwickelten Kryo-Elektronentomographie zurück: Sie isolierten zu diesem Zweck Zellkerne aus dem Schleimpilz Dictyostelium, erfassten rund 250 verschiedene Kernporen-Komplexe aus ganz verschiedenen Winkeln und rekonstruierten daraus die dreidimensionale Struktur der Kernporen. Sehr deutlich lassen sich in den 3-D-Bildern die unterschiedlichen Ringe der Kernporen, die den zentralen Transportkanal bilden, sowie die filamentösen Fortsätze auf der einen und die Korbstruktur auf der anderen Seite unterscheiden.

Kernporen | Dreidimensionale Rekonstruktion des Kernporenkomplexes aus dem Schleimpilz Dictyostelium. Von der Zytoplasma-Seite aus gesehen (oben links) ist der Transportkanal ist von acht 'zytoplasmatischen Filamenten' umringt. Bei der Ansicht aus dem Kern (oben rechts) wird die Korbstruktur (braun) sichtbar. Die schematische Darstellung (unten) verdeutlicht die Größenverhältnisse der Kernpore – die zentrale Öffnung ist beispielsweise ungefähr 60 nm groß.
Der gängigen wissenschaftlichen Theorie zufolge wird die Struktur im zentralen Kanal (central plug or transporter) zum Teil durch Cargo-Moleküle (Partikel die gerade transportiert werden) und zum Teil durch interagierende Bestandteile des Kernporenkomplexes gebildet. Durch eine statistische Analyse der rund 250 einzelnen Poren konnten Beck und seine Kollegen zeigen, dass diese Masse im zentralen Kanal eindeutig an zwei bevorzugten Positionen lokalisiert ist. In Abhängigkeit von der Position ergaben sich zwei Hauptzustände der Kernpore mit deutlichen strukturellen Unterschieden, die von den Wissenschaftlern CF-Klasse (cytoplasmic filament class) bzw. LR-Klasse (luminal spoke ring class) genannt werden. Bei der CF-Konfiguration lässt sich die Mehrheit der Filamente gemeinsam mit dem Cargo-Molekül in einer Ebene ausmachen, d.h. das zu transportierende Molekül wird festgehalten. Dagegen waren die einzelnen Filamente in der LR-Konfiguration nicht als eindeutige Strukturen auszumachen. Die Dichten waren variabler, ein Indiz dafür, dass sich diese Strukturen frei im Raum bewegten, also während der Bildaufnahme nicht starr an den Kernporen fixiert waren.

Diese Ergebnisse stehen im Widerspruch zu bisherigen wissenschaftlichen Theorien, die den inneren Kanal der Kernporen als statisches Gebilde beschreiben. Die nun sichtbar gewordene Dynamik der Struktur im zentralen Kanal zeigt, dass es sich dabei nicht um einen statischen Proteinkomplex handelt.

Für Wolfgang Baumeister, Direktor der Abteilung Molekulare Strukturbiologie am Max-Planck-Institut für Biochemie, sind die neuen Ergebnisse ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg, die Zusammenhänge zwischen Struktur und Funktion der Kernporen endgültig aufzuklären: "Wenn wir jetzt noch Experimente mit definierten Transport-Molekülen durchführen, werden wir aus unseren Strukturdaten der Elektronentomographie ganz eindeutige Rückschlüsse auf die Funktion des Kernporen-Komplexes in der Kernmembran ziehen können und den Weg beschreiben, den Cargo nimmt." Denn noch wissen die Wissenschaftler nicht, ob die Cargo-Moleküle, die sie in ihren Bildern ausgemacht haben, von den Kernporen nach innen oder nach außen transportiert wurden, als sie die Kernporen bei ihrer Arbeit beobachteten.
  • Quellen
Science 10.1126/science.1104808 (2004)

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