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Biophysik: Hautzellen entsenden bei Verletzung elektrische Signale

Bislang nahm man an, lediglich Neurone und spezielle Zellen im Herz würden sich über elektrische Impulse miteinander verständigen. Offenbar ist aber auch ein anderer Zelltyp dazu in der Lage.
Mikroskopische Aufnahme von menschlichem Hautgewebe, gefärbt mit Hämatoxylin und Eosin. Die Schichten der Epidermis sind deutlich sichtbar, mit dicht gepackten Zellen und klar erkennbaren Zellkernen in verschiedenen Schattierungen von Rosa und Lila. Die oberste Schicht zeigt eine wellenförmige Struktur, die die Hornschicht darstellt. Darunter sind die Basalschicht und die darunter liegende Dermis zu sehen, die eine faserige Textur aufweist.
Epithelzellen bedecken alle inneren und äußeren Körperoberflächen. Fachleute haben entdeckt, dass sie nach einer Verletzung elektrische Signale aussenden.

Epithelzellen senden nach einer Verletzung elektrische Impulse aus. Das berichten Steve Granick und Sun-Min Yu von der University of Massachusetts Amherst im Fachmagazin »Proceedings of the National Academy of Sciences«. Bisher ging man davon aus, dass nur Nerven- und Herzzellen diese Art der Kommunikation nutzen. Das Epithel bedeckt alle inneren und äußeren Körperoberflächen, kleidet Körperhöhlen und Organe aus und dient primär als Schutzbarriere, die Nährstoffe und Flüssigkeiten aufnimmt und absondert. Es galt bislang als »stumm« – und lediglich dazu fähig, auf elektrische Reize zu reagieren.

Granick und Yu hatten menschliche Epithelzellen aus der Haut sowie Zellen aus der Hundeniere jeweils in einer dünnen Schicht auf mit Messelektroden bestückten Chips wachsen lassen. Mit Hilfe eines präzisen Lasers verletzten sie das Gewebe gezielt und maßen dabei etwaige Spannungsänderungen auf den Chips. Und tatsächlich reagierten die Zellen darauf mit elektrischen Impulsen, die stark den Aktionspotenzialen von Neuronen ähnelten. Sie wiesen vergleichbare Spannungsverläufe und Amplituden auf, waren aber mit einer Dauer von ein bis zwei Sekunden um ein Vielfaches langsamer. Zum Vergleich: Ein Neuron entlädt sich im Schnitt in etwa einer Millisekunde. Die Aktionspotenziale breiteten sich von der Wunde mit einer Geschwindigkeit von rund zehn Millimetern pro Sekunde aus und wanderten teils mehrere hundert Mikrometer weit.

»Wenn Epithelzellen verletzt sind, ›schreien‹ sie ihren Nachbarn zu«, beschreibt Granick seine Beobachtung. Das tun sie offenbar sehr lange: Selbst fünf Stunden später waren die Spannungsänderungen um die Wunde herum messbar. Wie genau diese langsamen Aktionspotenziale entstehen, ist noch unklar. Die Autoren gehen aber davon aus, dass Kalziumionen eine wichtige Rolle spielen. Denn nachdem sie entsprechende Ionenkanäle blockierten oder freies Kalzium chemisch banden, verschwanden die Entladungen.

Nun muss sich zeigen, ob sich Epithelzellen im lebenden Organismus ähnlich verhalten. Sollte das der Fall sein, könnten sich aus den Erkenntnissen praktische Anwendungsmöglichkeiten ergeben. Granick und Yu schweben bereits bioelektrische Geräte vor, die die Wundheilung fördern. Studien zufolge soll eine Stimulation mit Wechselspannung einen positiven Effekt auf verletztes Haut- und Darmgewebe haben. Diese Wirkung könne man womöglich noch deutlich verbessern, wenn man die Kommunikationsmuster der Epithelzellen kennt, mutmaßen die Autoren.

  • Quellen
Yu, S.-M., Granick, S.: PNAS 10.1073/pnas.2427123122, 2025

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