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News: Zielsicher durchs Chaos

Es sieht so einfach aus: Der Tennisprofi pariert gekonnt mit der Rückhand und platziert den Ball im Eck des gegnerischen Feldes - unerreichbar für sein Gegenüber. Auch theoretisch scheint alles klar zu sein. Ausfallswinkel gleich Einfallswinkel, schießt es einem vielleicht durch den Kopf, so sollte es funktionieren. Doch ganz so einfach ist es nicht, denn mathematisches Chaos regiert den Platz. Physiker haben sich nun mit der komplexen Mathematik befasst, die hinter dem einfachen Sachverhalt 'Ball trifft Schläger' steckt und herausgefunden, dass wir eine bemerkenswerte Technik entwickelt haben, das Chaos zu beherrschen. Vielleicht könnten Roboter in Zukunft ihre Aufgabe wesentlich feinfühliger als heutzutage erfüllen.
Haben Sie schon mal einen Ball auf einem Tennisschläger hüpfen lassen? Nicht ganz einfach, zugegeben, aber nach ein wenig Übung klappt es doch ganz gut. Die Gleichungen, die beschreiben, wie der Ball von dem Schläger abprallt, sind schnell aufgestellt. Lösungen finden sich jedoch nicht ganz so schnell. In dem System lauert das dynamische Chaos: Unter Umständen fliegt der Ball wie erwartet zurück. Es genügen jedoch nur leicht veränderte Bedingungen, wie eine kleine Unebenheit am Schläger, und der Ball landet irgendwo – nur nicht dort, wo er soll.

In der Realität lassen sich niemals alle Parameter, wie die Anfangsgeschwindigkeit des Balls und die Flexibilität des Schlägers, mit absoluter Genauigkeit angeben. Störungen sind unvermeidlich. Die Bewegungsgleichungen des Tennisballs sind nicht ohne weiteres zu lösen, zumindest eine sorgfältige Fehleranalyse ist nötig – das erklärt vielleicht, warum nicht Mathematiker die Tennisweltrangliste anführen.

Nichtsdestotrotz lernen die meisten Menschen ziemlich schnell die Grundzüge des Tennisspiels, und es gelingt ihnen, Tennisschläger und Ball mit einiger Sicherheit zu kontrollieren. Offenbar haben wir Menschen also einen wesentlich besseren Trick auf Lager, als im Geiste die Bahn des Balls zu berechnen.

Die menschliche Taktik besteht laut Dagmar Sternad und ihren Kollegen von der Pennsylvania State University darin, einen so genannten stabilen Attraktor zu finden. Dabei handelt es sich um eine Lösung des Problems, bei der nicht alle Abweichungen vom Idealfall berücksichtigt werden müssen – also keine großartige Fehlerrechnung, denn kleine Fehlerchen merzt das System praktischerweise selbst aus (Physical Review E vom Januar 2001, Abstract).

In einem Experiment sollten einige Probanden einen Tennisball möglichst ruhig auf einem Schläger hüpfen lassen, dessen Beschleunigung die Wissenschaftler gemessen haben. Aus ihren Berechnungen wussten sie, dass ein stabiles Hüpfen zu erwarten ist, wenn der Schläger im Moment des Aufpralls abgebremst wird. Und tatsächlich alle Probanden tendierten dazu, die Geschwindigkeit des Schlägers zurückzunehmen, bevor dieser den Ball berührte. So haben also alle Versuchsteilnehmer instinktiv das Richtige getan, ohne dass es irgendwelcher komplizierter Fehlerberechnungen bedurft hätte.

In weiteren Experimenten haben die Wissenschaftler den Versuchspersonen entweder die Augen verbunden oder das Gefühl für den Schläger genommen, indem dieser nur noch über einen Hebel zu bedienen war. Wie sich zeigt, ist es wesentlich wichtiger, den Schläger zu spüren, als Ball und Schläger zu sehen. "Normalerweise schätzt man in der Forschung von Empfindungen das visuelle System als dominant ein", äußert sich Sternad, "Berührung und Bewegungsempfindung sind bis jetzt lange nicht so gut verstanden."

Sternad meint, dass künftige Robotergenerationen von diesen Ergebnissen profitieren könnten. Selbst die sensibelsten Roboter schlagen bislang den schweren Weg ein, da sie ständig mit Sensoren ihre Bewegung prüfen und daraufhin korrigieren müssen. Sternad ist davon überzeugt: "Unsere Studie zeigt ein wichtiges Prinzip, das bei der Herstellung von Robotern beachtet werden sollte."

Siehe auch

  • Spektrum der Wissenschaft 11/93, Seite 46
    "Das Chaos meistern"
    (nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)

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