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Zoonosen: Neuartiges Henipavirus in China entdeckt

Seit 2018 haben sich 35 Menschen mit dem Langya-Henipavirus infiziert. Vermutlich wird es durch Spitzmäuse übertragen. Nun muss der Erreger weiter untersucht werden.
Spitzmaus im Gestrüpp
Eine Spitzmaus hockt zwischen Gräsern und Ästen. Die kleinen Insektenfresser könnten ein Reservoir für das neuartige Langya-Henipavirus sein.

Über einen Zeitraum von drei Jahren haben sich 35 Menschen in China mit einem neu entdeckten Virus infiziert. Der Erreger mit dem Namen Langya-Henipavirus, kurz LayV, wurde bisher nur in Personen mit Tierkontakt nachgewiesen. Die bekannten Infektionen traten in den ostchinesischen Provinzen Shangdong und Henan auf. Das berichtet ein internationales Forschungsteam um Xiao-Ai Zhang vom chinesischen Institut für Mikrobiologie und Epidemiologie in Peking im Fachmagazin »New England Journal of Medicine« .

Ende 2018 entdeckten die Forschenden den Erreger erstmals im Rachenabstrich einer 53-jährigen Frau mit Fieber und vorherigem Kontakt zu Tieren. Daraufhin testeten sie Patientinnen und Patienten in drei chinesischen Krankenhäusern auf das Henipavirus. Bis zum Jahr 2021 konnten sie es in 35 fiebernden Menschen nachweisen, die im vergangenen Monat mit Tieren in Kontakt gekommen waren. Die Betroffenen berichteten über grippale Symptome wie Müdigkeit, Husten, Muskelschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, bis hin zu Lungenentzündungen. In einigen Fällen waren die Funktionen von Leber und Nieren beeinträchtigt; weiterhin waren die Immunzellen im Blut einiger Betroffener verringert. Todesfälle waren keine bekannt. Zwar konnten die Forschenden nicht eindeutig nachweisen, dass das Langya-Virus der Auslöser für die Beschwerden war. Dafür spricht nach ihrer Einschätzung jedoch, dass 26 der 35 Patienten zum Zeitpunkt der Erkrankung mit keinem weiteren Krankheitserreger infiziert waren. Zudem wiesen die meisten Betroffenen nach überstandener Infektion Antikörper gegen das Virus auf.

Wie genau sich das Virus verbreitet, ist nicht sicher. Hinweise auf eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch ergaben sich nicht; die bekannten Betroffenen standen nicht in Kontakt miteinander und auch enge Familienmitglieder haben sich nicht angesteckt. Die Infektionen seien daher wahrscheinlich sporadisch aufgetreten, schreiben die Autorinnen und Autoren der Studie. Sie gehen davon aus, dass sich der Erreger von Tieren auf den Menschen übertragen hat: Die Forschenden konnten das gleiche Langya-Henipavirus auch in Spitzmäusen nachweisen. Die kleinen Säugetiere dienen dem Erreger möglicherweise als Reservoir.

Enge Verwandtschaft mit zoonotischen Erregern

Henipaviren gehören der Familie der Paramyxoviren an, zu der auch Masern- und Mumpsviren zählen. Vertreter dieser Familie zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Atemwege befallen und meist durch Tröpfcheninfektion übertragen werden. Ob LayV auf dem gleichen Weg übertragen werden kann, ist bislang aber nicht bekannt. Nächster Verwandter des Langya-Virus ist dasMojiang-Virus aus derselben Virusfamilie. Es zählt ebenfalls zu den zoonotischen Erregern: Im Jahr 2012 wurde es erstmals in Ratten in Südchina nachgewiesen.

Zoonosen sind keine Seltenheit und nicht immer zwangsläufig Besorgnis erregend: Wie Forschende um Peter Daszak im Fachjournal »Nature Communications« berichten, stecken sich jedes Jahr zehntausende Menschen mit unbekannten Coronaviren an – oft, ohne davon etwas zu merken. Die Erreger kommen vor allem in Fledermäusen vor. Würden aber genügend Infektionen auf einmal stattfinden, könnten sich die Erreger plötzlich stark in menschlichen Populationen verbreiten, berichten die Wissenschaftler. Um das Risiko für ein solches Übertragungs-Event zu ermitteln, haben Daszak und sein Team unter anderem eine Hotspot-Karte für Südostasien erstellt. Sie markiert die Gebiete, in denen besonders viele infizierte Fledermäuse auf große Menschenmengen treffen und die Viren möglicherweise weitergeben. Diese Hotspot-Analyse könnte dazu beitragen, die Coronaviren im Blick zu behalten und vermehrte Virusübertragungen schnell zu erkennen – und letztlich einer weiteren Pandemie vorzubeugen.

Auch das neu entdeckte Langya-Henipavirus steht zunächst unter vermehrter Beobachtung. Wichtig seien nun weiter gehende Untersuchungen, um den Erreger und die durch ihn ausgelöste Infektionskrankheit besser verstehen zu können, schreiben Zhang und sein Team abschließend in ihrer Arbeit.

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