Zoonosen: Sprangen auch die Röteln von Tieren auf uns über?
Wie die Masern sind auch die Röteln keine harmlose Kinderkrankheit; vor allem Schwangere müssen sie wegen Risiken für den Fötus fürchten. Dank Impfungen treten sie in Deutschland allerdings nur noch selten auf. Bislang galten Menschen zudem als einziger natürlicher Wirt des Röteln- oder Rubellavirus. Doch unabhängig voneinander wiesen Teams aus den USA und Deutschland zwei Verwandte des Erregers in Wildtieren nach. Das berichten Martin Beer vom Friedrich-Löffler-Institut (FLI) in Greifswald und die Beteiligten in »Nature«.
Das FLI-Team stieß auf die Viren, als es drei Zootiere exhumierte, deren Todesursache ungeklärt war. Eine Metagenomanalyse der verendeten Tiere, eines Baumkängurus, eines Esels und eines Wasserschweins, erbrachte dann einen bis dahin unbekannten Erreger, den die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als Rustrela-Virus bezeichneten. Wie eine Studie an Gelbhalsmäusen, die bekanntermaßen Träger des Hanta-Virus sind, in der Umgebung des betroffenen Zoos zeigte, trugen die Tiere dieses Virus ebenfalls in sich. Da die Nager jedoch offenkundig gesund waren, könnten sie der natürliche Wirt des Rötelnverwandten sein, schreiben Beer und Co.
Zur gleichen Zeit untersuchte ein US-amerikanisches Forschungsteam der University of Wisconsin-Madison, ob Zyklopen-Rundblattfledermäuse in Uganda eventuell Coronaviren trugen. Stattdessen entdeckten sie das von ihnen benannte Ruhugu-Virus, das ebenfalls eng mit dem Rötelnvirus verwandt ist.
»Mit dieser gemeinsamen Entdeckung ist das Rötelnvirus des Menschen mehr als 200 Jahre nach seiner Erstbeschreibung im Jahr 1814 nicht mehr der alleinige Vertreter einer ganzen Virusfamilie«, sagt Beer. Beide neuen Viren sollen nun intensiver untersucht werden, um den Ursprung der menschlichen Röteln besser zu verstehen. Zugleich wollen die Forscher die Suche nach weiteren Tierreservoiren und rubellaähnlichen Erregern vorantreiben.
Bislang ist nicht bekannt, dass die beiden Viren Menschen infiziert haben könnten. Allerdings konnte zumindest die in Deutschland gefundene Variante Artgrenzen überspringen und andere Säugetiere tödlich infizieren. Das Genomstruktur des afrikanischen Virus ist zudem identisch mit dem des Rötelnerregers; außerdem entsprechen mehr als 50 Prozent der Aminosäuren in den acht Proteinen des Virus jenen des menschlichen Verwandten. Besonders enge Übereinstimmungen existierten bei dem Protein, das bei den Röteln mit unseren Immunzellen interagiert. Das Ruhugu-Virus ist laut den Vergleichen auch enger mit den Röteln verwandt als Rustrela.
Angesichts der Corona-Pandemie mahnt der amerikanische Studienleiter Tony Goldberg gegenüber »Science« daher zur Wachsamkeit: »Wir wären nachlässig, wenn wir uns angesichts der heutigen Ereignisse in der Welt keine Sorgen machen würden.«
Anm. d. Red.: Es ist nicht das Genom des afrikanischen Virus identisch mit dem des Rötelnvirus, sondern die Struktur der beiden Genome. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.