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News: Zu schnell geschaltet

Wie schnell lassen sich digitale Informationen auf ein magnetisches Datenspeichermedium schreiben? Um diese Frage zu beantworten, schossen Physiker mit hochenergetischen Elektronen auf eine Magnetschicht.
Festplatte
Schneller und leistungsfähiger soll jede neue Computergeneration werden, was sich in aller Regel in schnelleren Prozessoren und immer üppiger bemessenen Speicherbausteinen manifestiert. Dabei stellt sich von jeher die Frage, wie weit sich das Spiel fortsetzen lässt. Zumindest für die Siliziumtechnik muss sich die Industrie irgendwann Alternativen überlegen, denn es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Strukturgrößen in den Halbleitern so winzig sind, dass der Schaltlogik schlichtweg die Elektronen ausgehen – und wie soll ein Chip ohne Ladungsträger seine Arbeit verrichten?

Auch Speichermedien wie Festplatten stoßen an physikalische Grenzen. So lässt sich die Speicherdichte nicht beliebig erhöhen. Denn irgendwann sind die Bits, die in der Regel durch kleine, in ihrer Magnetisierung gleich ausgerichtete Bereiche des jeweiligen Mediums repräsentiert werden, so winzig, dass schon die thermische Anregung ausreicht, die Richtung zu verdrehen. Elektronischer Gedächtnisverlust ist unweigerlich die Folge. Und noch eine Frage wird zunehmend interessant: Gibt es eine physikalisch bedingte Geschwindigkeitsbegrenzung für magnetische Speichermedien?

Dieser Frage haben sich Ioan Tudosa vom Synchrotronstrahlungslabor in Stanford und seine Kollegen angenommen. Aus theoretischen Überlegungen ist bekannt, dass die Grenze für das Neuausrichten magnetisierter Bereiche im Bereich von Femtosekunden liegt – also von Billiardstel Sekunden. Doch wie sieht es in der Praxis aus, ist hier das Limit vielleicht schon früher erreicht?

Normalerweise wird auf Festplatten aus einer Null eine Eins, indem schlicht für einen kurzen Moment ein Magnetfeld angelegt wird, das in eine dem Bit entgegengesetzte Richtung weist. Die magnetischen Momente werden dadurch wie Kompassnadeln gedreht, denen sich ein Magnet von der falschen Seite nähert. Das jedoch ist theoretisch nicht die schnellste Möglichkeiten, die Magnetisierung zu kippen. Schneller geht's, wenn das Feld senkrecht zur Magnetisierung angelegt wird – einem Magneten gleich, der sich von der Seite der Nadel nähert. In diesem Fall präzidiert die Magnetisierung um die Feldrichtung – ähnlich einem Kreisel, der nach einiger Zeit eine Taumelbewegung vollzieht. Schaltet man im richtigen Moment das Feld aus, dann weist die Magnetisierung in die neue Richtung. Wie schnell dieser Vorgang abläuft, hängt von der Stärke des angelegten Magnetfeldes ab, denn dieses bestimmt die Geschwindigkeit der Taumelbewegung. Das Produkt aus Schaltzeit und magnetischer Feldstärke muss dabei einen bestimmten Grenzwert überschreiten, damit die Magnetisierung ihre neue Richtung findet, sonst klappen die magnetischen Momente nach Abschalten des Feld einfach wieder in ihre ursprüngliche Position zurück. Die Feldstärke darf allerdings auch nicht zu groß sein oder zu lange wirken, sonst präzidiert die Magnetisierung über das Ziel hinaus – macht also eine 360-Grad-Drehung – und nichts ist gewonnen.

Im Experiment erzeugten Tudosa und Co ebensolche senkrecht orientierte, kurze Magnetfeldpulse, indem sie mit dem Stanford-Linearbeschleuniger äußerst energiereiche Elektronenstrahlen senkrecht auf eine Magnetplatte schossen. Für die Dauer von lediglich 2,3 Picosekunden entstand durch diesen Strom ein Magnetfeld von einigen Tesla Stärke rund um den Strahl. Mehrere Magnetplatten hatten die Physiker auf diese Weise mit bis zu sieben Elektronenpulsen bearbeitet. Nach drei Wochen hatten sich die Forscher das magnetische Muster der Platten schließlich mit einem speziellen Mikroskop angesehen.

Zwar konnten der Elektronenstrahl und der damit verbundene Magnetpuls tatsächlich eine Ummagnetisierung herbeiführen, doch war der Vorgang nicht reversibel. Denn eigentlich sollten zwei Schüsse aus der Elektronenkanone die Magnetisierung wieder umkehren. Dem war jedoch nicht so. Denn die hellen und dunklen konzentrischen Kreise um die Einschlagsstelle des Elektronenstrahls wurden immer dünner und in immer stärkerem Maße von einem ausgeschmierten Bereich begleitet, in dem die magnetischen Momente mehr oder weniger chaotisch in alle Richtungen wiesen. Das indes ist für ein magnetisches Datenspeichermedium Gift. Denn hier ist ja gerade eine definierte Ausrichtung gefragt. Offenbar sind jene 2,3 Picosekunden Schaltzeit also zu kurz für einen zuverlässigen Schreibvorgang. Die physikalische Grenze ist erreicht – deutlich früher als erwartet. Immerhin ließe sich mit diesem Grenzwert noch eine Datenübertragungsrate von etwa 50 Gigabyte pro Sekunde erreichen, was um den Faktor Tausend schneller ist, als heutige Festplattentechnik zu leisten im Stande ist. Genug Luft also noch für den einen oder anderen Rekord, bevor sich die Hersteller etwas anderes überlegen müssen.

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