Bodenkunde: Zu tief gebohrt
Wenn tiefes Umpflügen Böden über Gebühr durcheinander bringt, wundert das wenig. Werden Feldfrüchte aber schlicht mit einem Grabstock punktweise in den Boden gebohrt, klingt das nicht so dramatisch. Doch mancher Untergrund ist selbst dafür zu empfindlich.
Als die Polynesier im 5. Jahrhundert die Inseln des Hawaii-Archipels besiedelten, hatten sie ihre Hauptnahrungspflanzen schon im Gepäck – wer weiß schließlich, was einen in einer neuen Heimat erwartet. Vielleicht nicht mit den ersten Pionieren, auf jeden Fall aber vor Ankunft der ersten Europäer hatte auch die Süßkartoffel (Ipomoea batatas) ihren Weg dorthin gefunden. Schnell etablierten die Neubürger in allen geeigneten Regionen eine intensive Landwirtschaft – selbst in den trockenen Gebieten der windabgewandten Berghänge und bis hin zu aufwändigen Bewässerungsanlagen für Taro (Colocasia esculenta), einem wichtigen Stärkelieferanten.
So bot sich den Europäern bei ihrem ersten Anlanden Ende des 18. Jahrhunderts an manchen Orten der Eindruck einer blühenden Kultur. Dabei war der vulkanische Untergrund in den trockeneren Gegenden gar nicht so leicht zu bewirtschaften: Sehr alte Böden waren bereits unfruchtbar, da ihre Nährstoffe über die Jahrtausende längst ausgewaschen waren. Und zu jungem Untergrund fehlte noch die Bodendecke, die sich nur langsam entwickelt. Hinzu kamen Einschränkungen durch die Niederschlagsverhältnisse: In den tieferen Lagen fiel zu wenig Regen, um Landwirtschaft zu betreiben. In den Hochlagen hingegen war es zu nass, Nährstoffe wurden ausgelaugt, die Böden waren sauerstoffarm und sauer. Letztendlich blieben damit nur die mittelalten Ablagerungen in mittleren Höhen.
Hier nun sind die alten Lavaschichten in weiten Teilen bedeckt von einer bis zu einem Meter mächtigen Schicht jüngerer vulkanischer Ablagerungen, die aufgebaut sind wie ein Sandwich: Eine 20 bis 30 Zentimeter mächtige Lage aus gröberer Schlacke – Korngröße durchschnittlich vier Millimeter – wird oben und unten eingerahmt von feinen Aschedecken. Bei Regen ist die obere Ascheschicht schnell gesättigt, doch tropft das Wasser durch die grobe Zwischenlage langsam nach unten in die zweite Ascheschicht. Da die Schlacke aber Wurzeln den Weg nach unten und Kapillarwassser denselben nach oben erschwert, wirkt sie wie eine natürliche Barriere für den Rückkehr des Wassers an die Oberfläche. Die untere Aschelage spielte daher eine wichtige Rolle als Wasserspeicher.
Allerdings trügt das harmlose Bild. Denn der Stock durchstieß die Schlackeschicht und vermischte sie mit der Asche. Und da die Felder immer wieder bearbeitet wurden, flossen einzelne Grablöcher schließlich zu ganzen Lochsystemem zusammen, die den Boden durchzogen. Die Folge: ein kunterbuntes Durcheinander aus Asche und Schlacke, dem nun die natürliche Wasserbarriere fehlte.
Alles prima also aus Sicht der Bauern? Keineswegs. Denn der vermehrte Wasserfluss förderte nicht nur die Verwitterung und Freisetzung von Nährstoffen, er schwemmte sie – mit Ausnahme des wenig löslichen Phosphor – auch nach unten aus. Und jener Anteil, der doch den Weg in die Pflanzen fand, wurde dem System mit der Ernte entzogen. Über die Jahrhunderte hinweg sorgte der scheinbar naturverträgliche Minimaleinsatz des Grabstockes also für eine massive Verarmung des Untergrundes, wie Anthony Hartshorn von der Universität von Kalifornien in Santa Barbara und seine Kollegen nachweisen konnten.
Die Forscher analysierten die Nährstoffgehalte in solch ehemals bewirtschafteten Regionen und verglichen sie mit nicht genutzten Arealen der Nachbarschaft. In den gestörten Bodenprofilen lagen die Konzentrationen von Kalzium, Kalium und Phosphor um etwa die Hälfte bis zwei Drittel niedriger, Magnesium war um ein Fünftel reduziert, und das Natrium-Angebot erreichte gar nur noch ein Zehntel dessen, was wohl ursprünglich einmal vorhanden war – geschätzt anhand der Daten aus offenbar nicht bearbeiteten Böden.
Bis zur Ankunft der Europäer scheinen die Polynesier davon noch nicht viel zu gemerkt haben: Die Erntemengen, die Hartshorn und seine Kollegen aus den Daten berechnen, rangierten am unteren Ende dessen, was ähnliche Anbausysteme in Afrika oder Papua-Neuguinea hervorbrachten. Womöglich steigerten die Polynesier den Ertrag, indem sie ihre Pflanzungen mulchten und so zumindest den Phosphor-Verlust durch die Ernten dämpften. Darauf deutet zumindest ein Zitat aus dem Jahr 1793 hin, als der Botaniker und Expeditionsteilnehmer Archibald Menzies notierte, die Felder in den Trockenregionen seien mit einer dichten Lage Heu bedeckt.
Der Niedergang der Böden könnte aber schon 150 Jahre vor Ankunft der Europäer eingesetzt haben, und die blühenden Felder der trockenen Berghänge hatten wohl ihren Höhepunkt hinter sich. Menzies' Beobachtung beschreibt vielleicht nicht schon langjährig gängige Praxis, sondern eine erste Gegenmaßnahme angesichts schwindender Ernten – mangels schriftlicher Überlieferungen seitens der Polynesier wird sich das nie klären lassen. Wie es weitergegangen wäre, auch nicht: Mit der Ankunft der fremden Hellhäutigen und ihrer landwirtschaftlichen Technologie änderte sich auch grundlegend der Anbau auf diesen fernen pazifischen Inseln.
So bot sich den Europäern bei ihrem ersten Anlanden Ende des 18. Jahrhunderts an manchen Orten der Eindruck einer blühenden Kultur. Dabei war der vulkanische Untergrund in den trockeneren Gegenden gar nicht so leicht zu bewirtschaften: Sehr alte Böden waren bereits unfruchtbar, da ihre Nährstoffe über die Jahrtausende längst ausgewaschen waren. Und zu jungem Untergrund fehlte noch die Bodendecke, die sich nur langsam entwickelt. Hinzu kamen Einschränkungen durch die Niederschlagsverhältnisse: In den tieferen Lagen fiel zu wenig Regen, um Landwirtschaft zu betreiben. In den Hochlagen hingegen war es zu nass, Nährstoffe wurden ausgelaugt, die Böden waren sauerstoffarm und sauer. Letztendlich blieben damit nur die mittelalten Ablagerungen in mittleren Höhen.
Hier nun sind die alten Lavaschichten in weiten Teilen bedeckt von einer bis zu einem Meter mächtigen Schicht jüngerer vulkanischer Ablagerungen, die aufgebaut sind wie ein Sandwich: Eine 20 bis 30 Zentimeter mächtige Lage aus gröberer Schlacke – Korngröße durchschnittlich vier Millimeter – wird oben und unten eingerahmt von feinen Aschedecken. Bei Regen ist die obere Ascheschicht schnell gesättigt, doch tropft das Wasser durch die grobe Zwischenlage langsam nach unten in die zweite Ascheschicht. Da die Schlacke aber Wurzeln den Weg nach unten und Kapillarwassser denselben nach oben erschwert, wirkt sie wie eine natürliche Barriere für den Rückkehr des Wassers an die Oberfläche. Die untere Aschelage spielte daher eine wichtige Rolle als Wasserspeicher.
Doch die Bewirtschaftungsweise der Polynesier machte dieses Reservoir zunichte. Was auf den ersten Blick kaum zu glauben ist: Die Bauern setzten nur einen Grabstock ein, den sie in den Boden stießen, drehten und wieder herauszogen. In diese Löcher pflanzten sie ihre Taro und Süßkartoffel. Anders als die tiefen Pfluggräben der Europäer wirkt der Eingriff vergleichsweise harmlos und schonend für die Bodenoberfläche.
Allerdings trügt das harmlose Bild. Denn der Stock durchstieß die Schlackeschicht und vermischte sie mit der Asche. Und da die Felder immer wieder bearbeitet wurden, flossen einzelne Grablöcher schließlich zu ganzen Lochsystemem zusammen, die den Boden durchzogen. Die Folge: ein kunterbuntes Durcheinander aus Asche und Schlacke, dem nun die natürliche Wasserbarriere fehlte.
Für die Pflanzen boten sich damit zunächst die Vorteile, dass sie nun erheblich leichter das Wasserreservoir der unteren Ascheschicht erreichen und ein größeres Nährstoffangebot nutzen konnten. Denn die Aktivität des Grabstockes vermischte nicht nur die Bestandteile, er zerkleinerte auch die Schlackebröckchen, die unter den zudem feuchteren Bedingungen nun schneller verwitterten und Nährstoffe freisetzten.
Alles prima also aus Sicht der Bauern? Keineswegs. Denn der vermehrte Wasserfluss förderte nicht nur die Verwitterung und Freisetzung von Nährstoffen, er schwemmte sie – mit Ausnahme des wenig löslichen Phosphor – auch nach unten aus. Und jener Anteil, der doch den Weg in die Pflanzen fand, wurde dem System mit der Ernte entzogen. Über die Jahrhunderte hinweg sorgte der scheinbar naturverträgliche Minimaleinsatz des Grabstockes also für eine massive Verarmung des Untergrundes, wie Anthony Hartshorn von der Universität von Kalifornien in Santa Barbara und seine Kollegen nachweisen konnten.
Die Forscher analysierten die Nährstoffgehalte in solch ehemals bewirtschafteten Regionen und verglichen sie mit nicht genutzten Arealen der Nachbarschaft. In den gestörten Bodenprofilen lagen die Konzentrationen von Kalzium, Kalium und Phosphor um etwa die Hälfte bis zwei Drittel niedriger, Magnesium war um ein Fünftel reduziert, und das Natrium-Angebot erreichte gar nur noch ein Zehntel dessen, was wohl ursprünglich einmal vorhanden war – geschätzt anhand der Daten aus offenbar nicht bearbeiteten Böden.
Bis zur Ankunft der Europäer scheinen die Polynesier davon noch nicht viel zu gemerkt haben: Die Erntemengen, die Hartshorn und seine Kollegen aus den Daten berechnen, rangierten am unteren Ende dessen, was ähnliche Anbausysteme in Afrika oder Papua-Neuguinea hervorbrachten. Womöglich steigerten die Polynesier den Ertrag, indem sie ihre Pflanzungen mulchten und so zumindest den Phosphor-Verlust durch die Ernten dämpften. Darauf deutet zumindest ein Zitat aus dem Jahr 1793 hin, als der Botaniker und Expeditionsteilnehmer Archibald Menzies notierte, die Felder in den Trockenregionen seien mit einer dichten Lage Heu bedeckt.
Der Niedergang der Böden könnte aber schon 150 Jahre vor Ankunft der Europäer eingesetzt haben, und die blühenden Felder der trockenen Berghänge hatten wohl ihren Höhepunkt hinter sich. Menzies' Beobachtung beschreibt vielleicht nicht schon langjährig gängige Praxis, sondern eine erste Gegenmaßnahme angesichts schwindender Ernten – mangels schriftlicher Überlieferungen seitens der Polynesier wird sich das nie klären lassen. Wie es weitergegangen wäre, auch nicht: Mit der Ankunft der fremden Hellhäutigen und ihrer landwirtschaftlichen Technologie änderte sich auch grundlegend der Anbau auf diesen fernen pazifischen Inseln.
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