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News: Zu viele Gerüche machen erfinderisch

Völlig überfordert von den vielen auf ihn einströmenden Gerüchen wäre der erdenbewohnende Caenorhabditis elegans, hätte er nicht ein cleveres System zu ihrer Unterscheidung erfunden. Der Fadenwurm ist nur mit wenigen Geruchsnerven und noch nicht einmal einem "richtigen" Gehirn ausgestattet. Doch indem er seine Nerven kombiniert, kann er mehr Düfte unterscheiden, als wenn jeder nur für einen Geruch zuständig wäre.
Not macht bekanntlich erfinderisch. Und so hat sich auch der Fadenwurm Caenorhabditis elegans in einer so geruchsintensiven Welt nicht mit seiner geringen Zahl von Geruchsnerven abgefunden. Denn nur 32 seiner insgesamt 302 Nerven sind der Geruchserkennung gewidmet. In einer vor Gerüchen nur so wimmelnden Welt müsste es dem Wurm damit schwerfallen, Freund von Feind zu unterscheiden oder sich schmackhafte Nahrung zu suchen. Im Vergleich hierzu haben höhere Säugetiere wie Menschen und Mäuse Millionen von Geruchsnerven, die jeweils einen speziellen Geruch identifizieren können. Das Gehirn unterscheidet dann einfach zwischen den Stoffen, indem es zurückverfolgt, welcher Nerv gerade Informationen sendet. Aber aus einem Mangel an verfügbaren Nerven und der Notwendigkeit, sehr viele Düfte zu unterscheiden, entwickelte C. elegans eine elegante Methode überlappender Geruchssensoren.

Da der nur etwa ein Millimeter kurze Erdenbewohner scheinbar viele Entwicklungsprozesse und instinktive Verhaltensweisen mit höheren Organismen teilt, ist er ein beliebtes Studienobjekt vieler Genetiker und Entwicklungsbiologen. Das "Gehirn" – ein Ring von Nervenzellen – des durchsichtigen Winzlings ist sehr klein und lässt sich gut im Detail beobachten, wie auch von einem Forschungsteam der University of California in San Francisco. Die Wissenschaftler beschränkten sich bei ihren Untersuchungen auf zwei Duftstoffe, die für den Wurm von besonderer Bedeutung sind: das nach Mandeln duftende Benzaldehyd und das nach Öl riechende Butanon. Von beiden wird angenommen, dass Bakterien, die Leibspeise des Wurms, sie ausscheiden, ihr durchdringender Geruch könnte aber auch wichtige Informationen vermitteln.

Die Wissenschaftler testeten den Geruchssinn ihrer Versuchsobjekte, indem sie sie einer hohen Konzentration von Butanon aussetzten und dann ihre Fähigkeit, durch Benzaldehyd angezogen zu werden, untersuchten. Vermittelt wird die Geruchsinformation durch ein Paar Geruchsnerven, das fünf attraktive Düfte wahrnehmen und auch zwischen ihnen unterscheiden kann. Bislang dachten die Forscher um Cornelia Bargmann, dass beide Nervenzellen im Paar identisch wären. Doch das war ein Trugschluss. Während beide Neuronen sensibel auf Benzaldehyd reagieren, besitzt jeweils nur ein Nerv die Fähigkeit, Butanon wahrzunehmen. Welcher von beiden dies ist, scheint rein zufällig zu sein. Dieser Unterschied entsteht in der Zeit der Nervenentwicklung, während ein Geruchsrezeptor, bekannt als STR-2, entweder aktiviert wird oder aber für immer stumm bleibt. Zu ihren Ergebnissen kamen die Forscher, indem sie jeweils einen Geruchsnerv durch Laserlicht zerstörten. Die Tiere konnten daraufhin zwar beide Gerüche wahrnehmen, sie aber nicht mehr voneinander unterscheiden.

"Jede Nervenzelle hat ein privates Fenster in die Welt der Gerüche und ein geteiltes Fenster mit seinen Partnern," sagt Bargmann. "Eine einzelne Nervenzelle kann verwirrt werden, aber indem sie private und geteilte Informationen vergleichen, sortieren die Tiere aus und unterscheiden alle möglichen Geruchskombinationen." Mit diesem teilweise überlappenden Detektionssystem können auch wenige Nerven völlig ausreichen. Sehr effizient für ein so kleines "Gehirn".

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