Ernährung: Zuckerrationierung nach Weltkrieg ließ Kinder gesünder aufwachsen
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs setzte die britische Regierung noch mehrere Jahre lang die Rationierung bestimmter Lebensmittel fort, darunter Eier, Milchprodukte und Zucker. Dadurch wurden nicht nur einfallsreiche Rezepte wie der »Wacky Cake« auf Essigbasis populär, sondern die durchschnittliche Ernährung blieb auch innerhalb dessen, was wir heute als moderne Richtlinien für den täglichen Zuckerkonsum kennen. Eine Studie zeigt nun, dass diese Einschränkung den Menschen, die während der Rationierung noch Kinder waren, lebenslange gesundheitliche Vorteile brachte.
Wissenschaftler haben sich lange gefragt, wie sich Zucker auf den sich entwickelnden Körper und das Gehirn auswirkt. Bei Beobachtungsstudien von Familien, die weniger oder mehr Zucker konsumieren, ist es jedoch schwierig, die Auswirkungen der Ernährung von denen verwandter Faktoren wie Einkommen oder geografischer Lage zu trennen. »Diese Art von Experiment hilft, einen Teil dieses Rauschens zu beseitigen«, sagt Juliana Cohen, eine Ernährungsforscherin am Merrimack College und der Harvard School of Public Health, die nicht an der Arbeit beteiligt war.
Die Studienautoren nutzten die medizinische Datenbank U.K. BioBank, um das Auftreten von Krankheiten bei etwa 60.000 Menschen zu vergleichen, die in den Jahren vor oder nach dem Ende der Zuckerrationierung im September 1953 geboren wurden. Die Umstellung veränderte den Zuckerkonsum drastisch, ohne andere Ernährungsfaktoren zu beeinflussen – die Rationierung anderer Zutaten endete zu unterschiedlichen Zeitpunkten –, so dass die Forschenden die Auswirkungen des reduzierten Zuckerkonsums in den für die Entwicklung entscheidenden ersten 1.000 Lebenstagen untersuchen konnten.
Säuglinge, die in den Jahren vor dem Ende der Zuckerrationierung gezeugt wurden, hatten ein um 35 Prozent geringeres Risiko für Diabetes und ein um 20 Prozent geringeres Risiko für Bluthochdruck in den 50er und 60er Jahren im Vergleich zu denen, die danach gezeugt wurden, berichtet das Team in Science. Bei den Kindern aus der Rationierungszeit, die diese Krankheiten schließlich entwickelten, traten sie vier bzw. zwei Jahre später auf. Je länger eine Person unter der Rationierung lebte, desto größer war der Nutzen, den sie sah – aber die stärksten Auswirkungen traten in der Gebärmutter und nach den ersten sechs Lebensmonaten auf, wenn Babys beginnen, feste Nahrung zu essen.
Viele Mechanismen könnten die Ergebnisse erklären, sagt die Hauptautorin Tadeja Gračner, eine Wirtschaftswissenschaftlerin an der University of Southern California. Menschen, die übermäßig viel Zucker konsumieren, könnten ungesund an Gewicht zunehmen oder während der Schwangerschaft Diabetes entwickeln, wodurch ihre Kinder einem Risiko für Fettleibigkeit und Insulinresistenz ausgesetzt sind. Ein hoher Zuckerkonsum könnte auch dazu führen, dass ein heranwachsender Fötus andere Gene mit ähnlicher Wirkung exprimiert. Und Kinder, die mit einer zuckerhaltigen Ernährung aufgewachsen sind, bevorzugen möglicherweise einfach süßere Lebensmittel. In einer anderen Studie fand das Team von Gračner heraus, dass Menschen, die einer Rationierung ausgesetzt waren, als Erwachsene täglich weniger zugesetzten Zucker konsumierten als diejenigen, bei denen dies nicht der Fall war.
Die »Centers for Disease Control and Prevention« (Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention) empfehlen, dass Kinder, die jünger als zwei Jahre sind, keinen zugesetzten Zucker zu sich nehmen und dass alle anderen ihre tägliche Aufnahme auf weniger als 10 Prozent der Gesamtkalorien beschränken. Doch die amerikanischen Kleinkinder von heute nehmen im Durchschnitt weit mehr zu sich (fast sechs Teelöffel zugesetzten Zucker pro Tag), und viele Schwangere konsumieren das Dreifache der für Erwachsene empfohlenen Menge. Cohen merkt an, dass eine Ernährungsumstellung schwierig ist, weil unser Ernährungsumfeld nicht darauf ausgerichtet ist – doch jede Reduzierung hilft, und es ist nicht nötig, Zucker ganz zu vermeiden.
»Es kommt auf das richtige Maß an«, sagt Gračner. »Ein Geburtstagskuchen, Süßigkeiten, ein Keks hier und da – das sind alles Leckereien, die wir genießen sollten.«
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