News: Zuflucht im Osten
Zusätzlich fanden sich auch anthropologische Hinweise: Archäologen stießen auf etwa 2 000 Jahre alte Skelette und ein braunes Haarbüschel. Die nahen Vorfahren der Dorfbewohner zeigten anscheinend ebenfalls einen mediterranen Einschlag, mit brünetten Haaren und blauen Augen. Anthropologen bestätigen, daß sich solche Körpermerkmale über Jahrhunderte hinweg weitervererbt haben könnten. Auch einige Sitten und Rituale dieser Gegend wirken nicht gerade typisch chinesisch. Die Dorfbewohner veranstalten Stierkämpfe, eine Tradition, die eher auf römische Ursprünge zeigt.
Wie sollte es aber römische Legionäre ausgerechnet in den Nordwesten Chinas verschlagen haben? Eine Erklärung liegt in der Schlacht von Carrhae im Jahre 53 vor Christus. Bei dem heutigen Harran im Südosten der Türkei erlitten die Römer unter Marcus Licinius Crassus eine verheerende Niederlage gegen die Parther. Nach den römischen Geschichtsquellen sollten von 6 000 an der Schlacht beteiligten Legionären nur etwa 500 überlebt haben. Diese gelangten erst nach 33 Jahren Sklaverei wieder in die Freiheit. Chinesische Experten sprechen jedoch von mehr als 45 000 Soldaten, von denen 6000 die Flucht ergriffen hätten. Es finden sich aber keine direkten Hinweise darauf, daß diese Legionäre in das 5 000 Kilometer entfernte China gezogen sind.
Doch in der Geschichte der chinesischen Han-Dynastie (206 vor Chr. bis 220 nach Chr.) ist die Rede von einer Begegnung mit einer feindlichen Armee, die römische Kriegstaktik angewandt habe. Nachdem die Fremden sich ergeben hätten, seien sie weiter nach China gewandert. Dort hätten sie sich schließlich in einem Dorf namens Liqian angesiedelt. Eben die Buchstaben "li-qian" waren auf der bei Zhelaizhai entdeckten Karte vermerkt.
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