Zufriedenheit: Geld schlägt Sinn
Ob man nun ein Ehrenamt ausübt, sich politisch engagiert oder regelmäßig die Enkelkinder betreut: Wer sein Dasein als bedeutungsvoll betrachtet und das Gefühl hat, mit seinem Tun einem höheren Zweck zu dienen, ist im Durchschnitt glücklicher als Menschen, die den Sinn in ihrem Leben noch suchen. Das zeigt inzwischen eine Fülle an psychologischen Studien. Mit steigendem Einkommen scheint der Zusammenhang zwischen Sinnerleben und Zufriedenheit allerdings immer schwächer zu werden, wie nun ein Team um Rhia Catapano von der University of Toronto berichtet. Demnach profitieren wohl vor allem ärmere Menschen von Sinn stiftenden Aktivitäten, während reiche Personen auch ohne bedeutungsvolle Aufgabe glücklich sind.
Das Forschungsteam analysierte unter anderem die Daten von rund 350 000 US-Amerikanern, die Auskunft darüber gaben, wie zufrieden sie waren und als wie sinnerfüllt sie ihr Dasein betrachteten. Dabei entdeckte es, dass beide Variablen am stärksten bei Teilnehmern miteinander korrelierten, die weniger als 2000 US-Dollar im Monat verdienten. Bei Probanden, die zwischen 2000 und 5000 US-Dollar pro Monat erhielten, war der Zusammenhang hingegen deutlich schwächer ausgeprägt. Am geringsten war er schließlich bei Personen mit einem Einkommen von 10 000 US-Dollar im Monat und mehr.
Eine zweite Studie, für die das Team die Daten von rund 175 000 Menschen aus insgesamt 123 Ländern miteinander verglich, bestätigte das Ergebnis. In fast allen untersuchten Regionen profitierten Menschen mit einem niedrigeren Einkommen stärker von einem sinnerfüllten Leben als solche mit einem dicken Gehaltsscheck. Die einzige Region, für die das nicht galt, war Ostasien. Hier waren Sinnerleben und Zufriedenheit in allen Einkommensgruppen ähnlich stark miteinander verknüpft.
Ein Experiment mit knapp 25 000 Versuchspersonen aus Frankreich zeigte, dass die Ergebnisse selbst dann galten, wenn die Forscher nicht auf das tatsächliche Einkommen der Teilnehmer schauten, sondern diese baten, sich selbst auf einer Art »sozialen Leiter« zu verorten. An der Spitze der Leiter sollten sich die Probanden dabei Menschen denken, die die besten Jobs hatten, die höchste Bildung und das meiste Geld. Auch hier stellte sich heraus, dass Menschen, die sich auf den unteren Sprossen der sozialen Leiter sahen, glücklicher waren, wenn sie ihr Leben als bedeutungsvoll betrachteten. Für Personen, die sich am oberen Ende wähnten, galt das nicht im gleichen Maß.
Catapano und ihre Kollegen vermuten, dass Menschen mit einem hohen Einkommen schlicht einen besseren Zugang zu externen Ressourcen haben, die glücklich machen. Deshalb sind sie nicht so sehr darauf angewiesen, ihre Zufriedenheit aus inneren Einstellungen und Werten zu schöpfen. Zudem sei mehr Geld in aller Regel auch mit weniger Stress und einer geringeren Abhängigkeit von sozialer Unterstützung verknüpft. Und das mache erwiesenermaßen ebenfalls glücklich.
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