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Zugunglück in Ohio: Wie giftig ist Vinylchlorid?

Ein mit Vinylchlorid beladener Zug ist im US-Bundesstaat Ohio entgleist. Wie gefährlich ist die Chemikalie für Mensch und Umwelt? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Eine Luftbildaufnahme zeigt die Ausmaße des Zugunglücks: Die Waggons des Güterzugs sind entgleist und haben sich ineinandergeschoben. Einige Waggons stehen in Flammen und es sind schwarze Rauchwolken zu sehen.
Blick auf das Zugunglück, das sich in der Nacht vom 3. auf den 4. Februar nahe East Palestine im US-Bundesstaat Ohio ereignete. Die Aufnahme vom 4. Februar stammt von einer Drohne.

In der Nacht zum 4. Februar ist nahe der Stadt East Palestine im US-Bundesstaat Ohio ein Güterzug mit giftigen Chemikalien entgleist und in Brand geraten. 5 der 50 entgleisten Wagen enthielten Vinylchlorid, einen Stoff, der bei entsprechenden Bedingungen und gemischt mit Luft explodieren kann. Wegen der Explosionsgefahr ließen die Behörden das Vinylchlorid am 6. Februar aus den Waggons ab und verbrannten es. Eine riesige schwarze Rauchwolke war zu sehen.

Noch ist nicht klar, welche Folgen der Unfall für Menschen und Tiere hat. Die Behörden untersuchen derzeit Luft und Gewässer. Anwohnerinnen und Anwohner berichten jedoch von toten Fischen und Haustieren sowie von massiven Gesundheitsbeschwerden. »Vier Wasserläufe auf einer Länge von 7,5 Meilen sind kontaminiert«, sagte die Direktorin des Ohio Department of Natural Resources, Mary Mertz, am 14. Februar laut einem CNN-Bericht auf einer Pressekonferenz. »Wir haben auf der Grundlage unserer Probenahme und Modellierung etwa 3500 tote Fische in diesem Gebiet, in diesen Bächen, Nebenflüssen und Wasserstraßen geschätzt«, sagte Mertz weiter.

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Was ist bei dem Zugunglück genau passiert?

50 von rund 140 Waggons eines Güterzugs sind in der Nacht zum 4. Februar nahe der Stadt East Palestine entgleist. 20 der Wagen enthielten Chemikalien, 5 davon die giftige Substanz Vinylchlorid. Auf Videos vom Unglück sind die brennenden, entgleisten Waggons zu sehen. Anfangs sprachen die Behörden von »unbekannten Chemikalien«, die dort transportiert worden seien. Am 6. Februar wurde das explosive Vinylchlorid aus den fünf Waggons abgelassen und verbrannt. Seit 8. Februar sind die Brände gelöscht.

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Was ist Vinylchlorid?

Vinylchlorid ist der Baustein, aus dem PVC (Polyvinylchlorid) hergestellt wird. PVC ist einer der meistverkauften Kunststoffe überhaupt. Jährlich werden rund 50 Millionen Tonnen davon hergestellt. Weil Produktions- und Weiterverarbeitungsort nicht unbedingt zusammenliegen, transportiert man Vinylchlorid mit speziellen Kesselwagen in Güterzügen. Vinylchlorid selbst ist ein giftiges Gas, das sich leicht entzünden und bei entsprechender Temperatur und gemischt mit Luft explodieren kann. Beim Einatmen kann es eine Reihe von Beschwerden bis zur Atemlähmung verursachen. Außerdem ist es Krebs erregend und wird als deutlich wassergefährdend eingestuft, da es schädliche Folgen für Menschen, Tiere oder Pflanzen haben kann, sollte es in Gewässer gelangen.

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Welche Folgen hat das Einatmen von Vinylchlorid?

Vinylchlorid kann zahlreiche Symptome hervorrufen – angefangen von Kopfschmerzen, Sehstörungen und Schlaflosigkeit über Taubheitsgefühl in Händen und Füßen bis hin zu Herzrhythmusstörungen. Tatsächlich klagten Einwohner der Stadt East Palestine Berichten zufolge über verschiedenste Beschwerden von Kopfschmerzen über Taubheitserscheinungen bis zu blutigem Stuhl.

Allerdings sind bei dem Unfall eine Reihe von Chemikalien ausgetreten und folglich in Luft und Umgebung gelangt. Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA veröffentlichte eine Liste mit weiteren Stoffen, die laut ihren Untersuchungen in den Waggons transportiert wurden: 2-Butoxyethanol, Ethylhexylacrylat und Isobuten. Ethylhexylacrylat reizt Augen und Haut und führt zu Hustenreiz, Isobuten ruft Schwindel und Benommenheit hervor. Ein so großer Brand wie dieser setzt außerdem zahlreiche Stoffe frei. Man kann also nicht von einzelnen Symptomen auf eine bestimmte Chemikalie schließen.

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Was entsteht beim Verbrennen von Vinylchlorid?

Vinylchlorid verbrennt zu Chlorwasserstoff (HCl), CO2 und Wasser. Bei unvollständiger Verbrennung können sich aber auch Spuren von Phosgen bilden, einem hochgiftigen Gas. Phosgen reagiert an der Luft zu HCl und CO2. Die EPA überwacht die Luft in der Umgebung seit dem Unfall. Die Untersuchung auf Phosgen und Chlorwasserstoff (HCl) hat sie am 13. Februar eingestellt, beide Gase wurden nach Angaben der EPA nicht detektiert.

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Ist das Verbrennen der Chemikalien in solch einem Fall gängig?

Im Prinzip gibt es bei solch einem Unfall nur zwei Möglichkeiten, wie zwei Experten unabhängig voneinander gegenüber spektrum.de erklärten: Entweder birgt man den Stoff oder verbrennt ihn. Daher mag die Vorgehensweise vielleicht auf den ersten Blick brachial erscheinen, abwegig ist sie nicht.

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Sind Langzeitwirkungen zu erwarten?

Menschen, die dem Stoff über Monate oder Jahre ausgesetzt sind, können die »Vinylchlorid-Krankheit« entwickeln. Sie zeigt sich in Leberschäden, Milzvergrößerung, Hautveränderungen sowie Veränderungen an Knochen und Gefäßen bis zu Beeinträchtigungen des zentralen Nervensystems.

In der Vergangenheit waren hier vor allem Menschen aus der PVC-Industrie betroffen, die den Stoff verarbeiteten. Seit das Problem in den 1970er Jahren erkannt wurde, arbeitet man nur noch unter strengen Sicherheitsvorkehrungen mit der Chemikalie, so dass kaum noch Kontakt besteht. Aus Verpackungen aus PVC entweichen geringe Mengen an Vinylchlorid, hierzu gibt es strenge Grenzwerte. Bei regelmäßigem Kontakt erregt Vinylchlorid nachgewiesenermaßen Leberkrebs.

Die EPA rechnet damit, dass ein erster Bericht zum Unfall in vier bis sechs Wochen vorliegen wird, eine abschließende Untersuchung aber erst in rund zwei Jahren.

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Gab es in der Vergangenheit vergleichbare Unfälle?

1996 entgleiste bei Schönebeck in Sachsen-Anhalt ein Güterzug, der 18 Waggons mit Vinylchlorid mitführte. Fünf Wagen gerieten in Brand; die Rettungskräfte entscheiden sich damals, die Wagen ausbrennen zu lassen. Die restlichen Waggons wurden gekühlt, um eine weitere Explosion zu vermeiden. Nach drei Tagen endete der Brand. Auch damals klagten Anwohner über Beschwerden, die jedoch nicht eindeutig auf Vinylchlorid zurückzuführen waren, sondern allgemein auf das Einatmen von Brandgasen. Vinylchlorid wurde in der Luft unmittelbar über dem Boden sowie im Grundwasser nachgewiesen. Laut dem Abschlussbericht bestand keine Gefahr für die Anwohner, weil die Werte weit geringer waren, als dass sie akute Vergiftungen hervorrufen konnten.

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