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Zukunft der Mobilität: Motoren für morgen

Die Zukunft des Autoantriebs? Sie liegt zunächst womöglich eher im Verbrennungs- statt im Elektromotor, meinen manche Experten.
Tankstelle

Genau wie heute wird auch in Zukunft ein Verbrennungsmotor die meisten Autos antreiben, davon ist Uwe Wagner überzeugt. Seine Meinung überrascht zwar kaum, schließlich ist der Forscher am Institut für Kolbenmaschinen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) Spezialist für Verbrennungsmotoren. Allerdings nennt er eine Reihe Argumente, die auch einen überzeugten Anhänger von Elektromobilität ins Grübeln bringen können. Der Motor der kommenden Jahrzehnte wird seiner Meinung nach dem guten alten Otto- und Dieselmotor des vergangenen Jahrhunderts immer noch verblüffend ähneln, aber erheblich verbessert werden. Dadurch wird er deutlich weniger Sprit konsumieren, und die Treibstoffe werden anders aussehen als die heute üblichen.

Hintergrund einer solchen Zukunft des Verbrennungsmotors sind die Wünsche der Autokäufer, die häufig eine Eier legende Wollmilchsau suchen: Das Fahrzeug soll eine Person zuverlässig an allen Wochentagen einige Kilometer weit zur Arbeit und am Abend wieder nach Hause fahren, soll am Wochenende als Familientransporter von Berlin an die Ostsee oder von München in die Alpen unterwegs sein, aber auch das neue Regalsystem vom Baumarkt holen sowie natürlich eine Urlaubsreise nach Kroatien garantieren. Auf der Mittel- und Langstrecke aber haben Elektromotoren mit Strom aus Batterien schlechte Karten: Ihre Reichweite wird auf absehbare Zukunft erheblich hinter einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor zurückbleiben, und die Ladezeit für Batterien zählt nicht ganz wenige Minuten, sondern Stunden. Mit solchen Tankstopps dauert die Fahrt ans Mittelmeer natürlich ziemlich lange.

Verbrennungsmotoren dagegen kommen der Eier legenden Wollmilchsau und damit den Käuferwünschen schon näher, weil sie auf alle Distanzen gute Ergebnisse bringen. Vor allem aber müssen sie nicht erst in den kommenden Jahrzehnten entwickelt werden, sondern fahren bereits heute über die Straßen. So hat zum Beispiel der Münchner Autobauer BMW mit einer Flotte von 15 Fahrzeugen auf der Expo 2000 in Hannover mit mehr als 100 000 Kilometern die Alltagstauglichkeit von Verbrennungsmotoren bewiesen, ohne einen einzigen Tropfen Benzin oder Diesel zu verbrauchen. Angetrieben wurden diese Autos von Wasserstoff, der als Flüssigkeit bei minus 253 Grad Celsius im Spezialtank schwappte.

Wasserstoff statt Diesel

Beim Gedanken an diesen Treibstoff haben Laien oft das Bild des brennenden Wasserstoffs im Luftschiff Hindenburg vor Augen, das am 6. Mai 1937 im amerikanischen Lakehurst explodierte. Experten halten Wasserstoff allerdings für nicht gefährlicher als herkömmliches Benzin. Mit etlichen Crashtests, Flammenwänden und blockierenden Sicherheitsventilen haben die Ingenieure von BMW gemeinsam mit dem TÜV Süddeutschland genau das bewiesen – der Wasserstofftank konnte einfach nicht zur Explosion gebracht werden.

Trotzdem gibt es bei der Speicherung von Wasserstoff noch Probleme. Zum Beispiel verdampft auch aus den hervorragend isolierten Tanks kontinuierlich ein wenig Wasserstoff, weil er sich langsam erwärmt und dabei ausdehnt. Das ist völlig ungefährlich, weil das leichte Gas sich sofort in der Luft verteilt und dort in absolut harmlosen Vorgängen mit anderen Molekülen reagiert. Doch ist so der Tank nach rund drei Wochen leer, auch wenn das Fahrzeug in dieser Zeit nur in der Garage stand und keinen Kilometer gefahren ist.

Längst arbeiten daher nicht nur BMW-Ingenieure, sondern auch Forscher in aller Welt an anderen Speichern. In einer dieser Möglichkeiten wird Wasserstoff zum Beispiel an chemische Verbindungen wie das feste N-Ethylcarbazol angelagert. Bei Temperaturen von 100 Grad Celsius wird der Wasserstoff aus dem so entstandenen Perhydro-Carbazol wieder abgegeben und kann einen Verbrennungsmotor antreiben, dessen Abwärme wiederum zum Aufheizen des Speichers genutzt wird. An der Tankstelle wird dann das verbrauchte N-Ethylcarbazol gegen das mit Wasserstoff beladene Perhydro-Carbazol wieder ausgetauscht, und weiter geht die Fahrt. Diese Technologie ist allerdings noch ganz am Anfang ihrer Entwicklung.

Weitere Speicher werden in verschiedenen Labors untersucht, doch ob und wann sie als "Wasserstofftanks" in Autos eingebaut werden können, kann derzeit niemand sagen. Auch aus diesem Grund nennt Ralph Huber von BMW Wasserstoff eine langfristige Lösung: "Wir haben längst gezeigt, dass die Wasserstoffmotoren funktionieren, jetzt muss vor allem die Infrastruktur geschaffen werden." Dazu aber gehören nicht nur Speicher und ein entsprechendes Tankstellennetz, sondern auch die Erzeugung des Wasserstoffs, der bisher meist aus Erdgas stammt. Da bei der Produktion große Mengen des Klimagases Kohlendioxid entstehen, ist ein mit so hergestelltem Wasserstoff angetriebener Verbrennungsmotor nämlich alles andere als klimaneutral.

Ein nachhaltiges Verfahren zur Wasserstofferzeugung erprobt bereits der Betreiber von Windrädern ENERTRAG in Prenzlau im Norden Brandenburgs. Dort spaltet elektrischer Strom aus Windkraft, der zum Beispiel in der Nacht keinen Abnehmer findet, bei einem Elektrolyse genannten uralten elektrochemischen Verfahren Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. Der Sauerstoff entweicht in die Atmosphäre, die ohnehin zu 21 Prozent aus diesem Gas besteht, der Wasserstoff wird gespeichert. Entweder liefert er später zusammen mit Sauerstoff aus der Luft in Brennstoffzellen wieder Strom. Oder er füllt die Vorräte der vier Berliner Tankstellen, die Anfang 2012 für die Versorgung der Wasserstofffahrzeuge in der deutschen Hauptstadt zur Verfügung standen.

Was bewegt uns zukünftig? Welche Autos werden wir fahren? Und wie können wir den Verkehr überhaupt umweltfreundlicher gestalten? Diesen Fragen geht unsere neue Serie zur "Zukunft der Mobilität" nach. Weitere Artikel und Informationen finden Sie auf unserer Sonderseite "Mobilität und Verkehr".

Mitte 2011 gab es in Deutschland zwölf öffentliche Wasserstofftankstellen, sechs weitere waren im Bau. Solche Anlagen liefern nicht nur flüssigen und damit tiefgekühlten, sondern auch gasförmigen Wasserstoff unter hohem Druck. "Beide Verfahren garantieren eine Reichweite, die an herkömmliche Benzin- und Dieselfahrzeuge heranreichen", nennt KIT-Forscher Uwe Wagner einen wichtigen Vorteil dieser Technologie. Die für eine Reichweite von 400 Kilometern notwendigen vier Kilogramm Wasserstoff werden dabei in nicht einmal drei Minuten in eine 700-Bar-Gasflasche gepresst, der Tankstopp fällt also ähnlich kurz aus wie bei einem herkömmlichen Motor.

Das Gleiche gilt auch für eine weitere Antriebstechnologie, für die Uwe Wagner sehr gute Chancen in der Zukunft sieht, den Erdgasantrieb. Für diesen Treibstoff, den Chemiker auch unter dem Namen Methan kennen, müssen herkömmliche Verbrennungsmotoren ähnlich wie für Wasserstoff nur leicht angepasst werden. Genau wie Wasserstoff kann auch Erdgas in 700-Bar-Drucktanks gespeichert werden. Vor allem aber ist die Technologie gut erprobt. Allein über Deutschlands Straßen kurvten 2010 bereits mehr als 90 000 Erdgasautos, die an 900 der insgesamt mehr als 14 000 deutschen Tankstellen nachfüllen konnten. Viel weiter verbreitet war zu diesem Zeitpunkt der Erdgasantrieb dagegen in Ländern wie Argentinien und dem Iran mit jeweils fast zwei Millionen Fahrzeugen und weit mehr als jeweils 1000 Tankstellen. In Pakistan fuhren 2010 sogar mehr als 2,7 Millionen Erdgasfahrzeuge, die landesweit mehr als 3000 Tankstellen ansteuern konnten.

Grünes Erdgas und die Infrastruktur

Genau wie der Wasserstoff-Verbrennungsmotor ist also auch der Erdgasantrieb eine Zukunftstechnologie, die heute bereits gut erprobt ist. Nach Meinung von KIT-Forscher Uwe Wagner aber wird sich wohl eher Erdgas durchsetzen. Ist diese Technologie doch schon heute relativ weit verbreitet und bietet einen handfesten Klimavorteil: Bei gleicher Leistung produziert ein mit fossilem Erdgas betriebener Motor etwa ein Viertel weniger Klimagase als ein Otto- oder Dieselmotor. Obendrein kann Methan auch klimaneutral hergestellt werden. Mit überschüssigem Wind- oder Sonnenstrom kann Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufgetrennt werden. Wasserstoff wiederum reagiert in einem zweiten Schritt zu Methan und verbraucht dabei das Treibhausgas Kohlendioxid, das bei jeder Verbrennung entsteht und zum Beispiel aus Kraftwerken abgeschieden werden könnte, die mit fossilen Brennstoffen, aber auch mit Biomasse betrieben werden. Verbrennt dieses Wind- oder Solargas in einem Verbrennungsmotor, entsteht nicht mehr Kohlendioxid, als für seine Herstellung ursprünglich aus der Luft geholt wurde.

Dieses grüne Erdgas aber hat weitere große Vorteile: "Es kann über das längst vorhandene Erdgasnetz verteilt und dort auch gespeichert werden", erklärt Uwe Wagner. Obendrein kann es nicht nur in Tankstellen an Autofahrer verkauft werden, sondern auch Häuser heizen und auf Gasherden Essen kochen oder sogar in Gaskraftwerken wieder in Strom und Fernwärme umgewandelt werden. Vor allem aber können mit dem Ausbau von Wind- und Sonnenenergie zunehmend größere Mengen dieses Bioerdgases hergestellt werden, das dann Schritt für Schritt herkömmliches Erdgas aus fossilen Lagerstätten ersetzt. "So wird die bestehende Infrastruktur weiter genutzt, und die hohen Kosten für den Aufbau eines neuen Verteilersystems entfallen", erklärt KIT-Forscher Uwe Wagner.

Als Kraftstoff für Autos wird Erdgas seiner Meinung nach daher in Zukunft eine erheblich größere Rolle als bisher spielen. Zum einen ist die Technik gut erprobt, und zum anderen gibt es die Infrastruktur bereits. Der Antrieb der kommenden Jahrzehnte könnte also keine Revolution sein, sondern heute bereits über die Straßen fahren.

Evolution alter Technik

Allerdings haben Verbrennungsmaschinen gegenüber Elektromotoren neben dem Vorteil des erheblich leichteren Treibstoffs auch den gravierenden Nachteil des schlechteren Wirkungsgrads: Im Alltag bringt ein Dieselmotor gerade einmal 25 bis 30 Prozent der im Kraftstoff steckenden Energie auf die Antriebsräder, beim Benzinmotor sind es sogar nur 20 bis 25 Prozent, während der Elektromotor mit deutlich über 95 Prozent glänzt. Auf Verbrennungsmaschinen spezialisierte Ingenieure wie Uwe Wagner vom KIT arbeiten an verschiedenen Konzepten, mit denen Ottomotoren immerhin auf 40 und Dieselmotoren sogar auf 45 Prozent Wirkungsgrad im automobilen Alltag kommen dürften.

Ein grundlegendes Problem moderner Motoren ist ihre Auslegung auf einen sehr weiten Leistungsbereich mit hohen Spitzenleistungen. Diese werden im normalen Verkehr aber nur sehr selten gebraucht, wenn der Fahrer Vollgas gibt. Genau bei diesen hohen Leistungen hat der Verbrennungsmotor jedoch seinen besten Wirkungsgrad. Wer also das Gaspedal nur wenig drückt, senkt zwar den Verbrauch deutlich. Allerdings verbrennt der wenige Sprit auch mit deutlich schlechterem Wirkungsgrad. Beim "Downsizing" liefern kleinere Motoren zwar eine niedrigere Spitzenleistung. Im Alltagsverkehr laufen sie dann jedoch meist näher an der Spitzenleistung, also mit höherem Wirkungsgrad als größere Maschinen. Natürlich funktioniert dieses Prinzip auch bei alternativen Treibstoffen wie Erdgas oder Wasserstoff.

Weiter verbessern lässt sich der Wirkungsgrad, wenn das Benzin im Schichtladebetrieb direkt in den Brennraum eines Ottomotors eingespritzt wird. Bisher startet dort die Zündkerze das Verbrennen des Benzindampfs, der im gesamten Brennraum einheitlich mit Luft gemischt wird. In der meisten Zeit drückt der Fahrer das Gaspedal nicht voll durch, und weniger Benzindampf erreicht die Zylinder des Motors. Da zum optimalen Verbrennen jetzt weniger Sauerstoff als bei voller Last benötigt wird, verkleinert die Drosselklappe den Lufteinlass in den Motor. Dort gibt es dann zwar das optimale Gemisch, gleichzeitig entsteht aber ein Unterdruck, gegen den der Motor arbeiten muss. Das wiederum kostet Energie und verringert den Wirkungsgrad. Bei der Direkteinspritzung dagegen wird Benzin so in den Brennraum injiziert, dass sich direkt um die Zündkerze eine Wolke mit dem optimalen Gemisch bildet, während der Rest des Zylinders nur Luft ohne Sprit enthält. Auf Drosselklappe und Unterdruck kann der Motoringenieur daher verzichten, und der Wirkungsgrad verbessert sich weiter.

Weltraumtechnik für den Bordrechner

Auch wenn man den Motor weiter optimiert, wird nach den Gesetzen der Physik ein relativ großer Teil der im Motor freigesetzten Energie nicht die Räder antreiben, sondern als Wärme in den Abgasen und im Kühlwasser stecken. "Diese Verlustwärme kann auf verschiedenen Wegen genutzt werden", erklärt KIT-Motoren-Spezialist Uwe Wagner. Zum Beispiel kann eine Turbine im Abgastrakt zusätzliche Kraft auf die Kurbelwelle und von dort weiter auf die Räder bringen.

Allerdings braucht ein Auto nicht nur zum Fahren Energie, sondern auch für den Bordrechner, Beleuchtung und etliche weitere Stromfresser. Geliefert wird dieser Strom heute von einer "Lichtmaschine", die ihren Energiebedarf allerdings von der Antriebsleistung abzweigt und so den Spritverbrauch erhöht. Der Autobauer BMW entwickelt daher einen "Turbosteamer", der in einer Minidampfmaschine Wärme in Strom umwandelt und so die Lichtmaschine entlastet. Auf der Langstrecke könnte damit der Verbrauch um bis zu zehn Prozent verringert werden, rechnen die Ingenieure in München vor. Außerdem arbeiten BMW-Experten auch an thermoelektrischen Halbleiterelementen, die aus den unterschiedlichen Temperaturen zwischen heißen Abgasen und kühler Umgebung elektrische Spannung erzeugen.

Diesen "Seebeck-Effekt" nutzt die US-Weltraumorganisation NASA zwar schon seit den 1970er Jahren für die Stromgewinnung in Raumsonden. Für die Autoingenieure war der Wirkungsgrad von wenigen Prozent bisher zu gering. Inzwischen aber wurden neue Materialien mit deutlich besserem Wirkungsgrad entwickelt, die auch im Auto Strom liefern können. So sinkt der Verbrauch weiter. Und da klimaneutral erzeugter Treibstoff in der Zukunft immer noch eher knapp und damit teuer sein dürfte, kommen solche Entwicklungen nicht nur heutigen Autofahrern zugute, die Sprit aus Erdöl tanken, sondern werden auch in Zukunft die Rechnungen für klimaneutralen Wasserstoff, Erdgas oder flüssige Biokraftstoffe entlasten.

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