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News: Zuviel Lithium im Stern

Einen guten Start hatte der neue Spektrograph des European Southern Observatories. Schon bei den ersten Testbeobachtungen enthüllte er zur Überraschung der Wissenschaftler einen ungewöhnlich hohen Lithiumgehalt in der Atmosphäre eines Riesensterns. In Anbetracht des Alters des Sterns sollte die Konzentration des Elements deutlich niedriger ausfallen.
Der neue Fibre-fed Extended Range Optical Spectrograph (FEROS) wurde in Zusammenarbeit der Landessternwarte Heidelberg, des Copenhagen University Astronomical Observatories und des European Southern Observatories (ESO) gebaut. Er kann Licht von 360 bis 920 Nanometer Wellenlänge – also vom ultravioletten bis in den infraroten Bereich – in etwa 100 000 Abschnitte zerlegen und die jeweilige Intensität messen. Trot dieser hohen Auflösung und der dadurch bedingten großen Zahl optischer Bauteile zeichnet der Detektor noch 46 Prozent des einfallenden Lichtes auf.

Während der ersten Tests wurde das Gerät mit einem 1,52 m-Teleskop der ESO betrieben. Und gleich in dieser Phase entdeckten Forscher mit FEROS, daß der Stern S50 im offenen Sternhaufen Be21 einen nicht erklärbar hohen Anteil an Lithium in seiner oberen Atmosphäre hat. Die übrigen Mitglieder des Sternhaufens enthalten nur wenig Elemente, die schwerer als Wasserstoff oder Helium sind. Alle Sterne des rund 16 000 Lichtjahre entfernten Be21 haben sich zur gleichen Zeit vor 2000 bis 2500 Millionen Jahren gebildet. Sie sind daher etwa halb so alt wie unser Sonnensystem.

Außer in Batterien und einigen Medikamenten begegnet uns Lithium ausgesprochen selten im täglichen Leben. Es ist vermutlich das schwerste Element, das in meßbaren Mengen im frühen Universum gebildet wurde.

Alle Sterne zerstören kurz nach ihrer Entstehung den größten Teil ihres Lithiums durch Kernreaktionen in ihrem Inneren. Eine besondere Klasse von Sternen kann zwar während einer späteren Phase der Entwicklung neues Lithium synthetisieren und in die höheren Schichten transportieren, doch genhört S50 aufgrund seiner gemessenen Eigenschaften nicht zu dieser Kategorie.

Möglicherweise strömen auch große Mengen Lithium von den Sternen in den interstellaren Raum. Dort ist das Element tatsächlich zehnmal häufiger, als es nach theoretischen Berechnungen ursprünglich einmal war.

In unserer Sonne liegt die Lithiumkonzentration hundertmal niedriger als im interstellaren Medium. Bei einem Stern vom Alter des S50 sollten ebenfalls keine großen Mengen Lithium mehr vorliegen, zumal die heftigen Strömungen das Element schnell in innere Bereiche transportieren müßten, wo es von den nuklearen Prozessen zerstört würde. Dennoch zeigt das FEROS-Spektrum für S50 ähnliche Lithiumkonzentrationen wie für den interstellaren Raum an.

Den Grund für diese seltsame Beobachtung kennen die Astronomen nicht. Sie haben zwei Vermutungen: So könnte ein großer Planet oder ein brauner Zwerg auf S50 gestürzt sein (braune Zwerge sind schwere Objekte, deren Masse aber nicht ausreichte, um die nuklearen Prozesse eines Sterns zu starten). Oder der Stern durchläuft eine sehr kurze evolutive Phase, die nur selten beobachtet wurde und in deren Verlauf neugebildetes Lithium in die obere Atmosphäre transportiert wird.

Gemäß unserem heutigen Wissensstand wird S50 in den nächsten paar Millionen Jahren durch einen starken Sonnenwind viel Masse verlieren. Sein Lithium wird dann denn interstellaren Raum anreichern. Doch für die nähere Zukunft bleibt der Stern als interessantes Beobachtungsobjekt erhalten.

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