Zwangsstörungen: Sich überwinden lernen – in den eigenen vier Wänden
In einer Psychotherapie absolvieren Zwangspatienten in den meisten Fällen so genannte Expositionsübungen. Dabei stellen sie sich Dingen, die ihre Zwangssymptome auslösen: Sie sollen etwa einen Toilettensitz berühren, ohne sich unmittelbar danach die Hände zu waschen. Auf diese Weise sollen sie erleben, dass ihr Stress nach einiger Zeit nachlässt. Am besten funktioniert das, wenn solche Aufgaben tatsächlich zu Hause ausgeführt werden. Genau das aber gelinge vielen Betroffenen nicht, schreibt ein Team um den Psychiater Ulrich Voderholzer von der Universität München in einer aktuellen Studie. Die Fachleute prüften daher, ob eine Exposition in den eigenen vier Wänden mit einer Videobegleitung durch eine Therapeutin oder einen Therapeuten eine mögliche Option ist.
An der Untersuchung nahmen 128 Patientinnen und Patienten teil, die wegen einer Zwangsstörung in einer Klinik behandelt wurden. Im Durchschnitt dauerte die Behandlung rund 90 Tage. Alle erhielten eine kognitive Verhaltenstherapie und führten während des Aufenthalts in der Klinik auch Expositionsübungen gemeinsam mit den Therapeutinnen und Therapeuten durch. Die Hälfte der Gruppe erhielt jedoch zusätzlich eine einzelne solche Übungseinheit zu Hause.
Die Exposition war auf einen Freitagnachmittag oder Montagmorgen gelegt, damit sie mit einer Heimfahrt übers Wochenende kombiniert werden konnte. Die Patienten wählten dabei selbst Situationen aus, die daheim regelmäßig Zwänge auslösten – etwa den Herd auszuschalten, ohne das noch einmal aufwändig zu kontrollieren, oder sich nur einmal die Hände zu waschen. Die Therapeuten betreuten sie dabei per Videoanruf.
Am Ende des Klinikaufenthalts hatten sich bei allen Teilnehmern die Zwangssymptome signifikant gebessert. Bei der Gruppe mit einmaliger Exposition zu Hause waren jedoch die Beschwerden noch einmal um ein Viertel bis ein Drittel geringer als bei den Teilnehmenden ohne Training in den eigenen vier Wänden.
Eine Exposition an Orten, an denen die Patienten im Alltag üblicherweise die Symptome ihrer Zwangsstörung erleben, ist für den Therapieerfolg ideal, schreiben die Autoren. Diese werde aber üblicherweise nicht durchgeführt, da viele Behandler mit dem Verfahren nicht vertraut sind oder die Klinik nicht in der Nähe des Wohnorts der Patienten liegt. Hinzu kommt, dass für eine persönliche Betreuung die Therapeuten zum Patienten fahren müssen, was oft nur schwer zu realisieren ist. Die Studie zeige aber, dass eine professionell angeleitete Expositionssitzung mit Hilfe eines Videocalls in häuslicher Umgebung möglich ist und offenbar eine gute therapeutische Wirkung erzielt, so Voderholzer und sein Team.
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