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News: Zwei Blicke in einem

Normalerweise braucht es zwei Blicke, um zu erkennen, dass Vorder- und Rückseite einer Münze gleich sind - es sei denn, ein Quantencomputer ist im Spiel.
Kopf oder Zahl?
Vor gut einem Jahr war es soweit, der Euro hatte als neue europäische Währung seinen Auftritt. Im Großen und Ganzen verlief die Umstellung reibungslos, wenngleich uns auch das neue Geld die eine oder andere Fehlprägung bescherte. Auf solche Münzen sind Sammler besonders scharf, jedoch ist es äußerst mühselig, einen Haufen Geldstücke daraufhin zu prüfen, ob beispielsweise vielleicht mal ein Geldstück auf beiden Seiten das gleiche Symbol trägt. Einfacher wäre es, wenn ein Blick pro Münze reichte, um beide Seiten zu erfassen.

Was in der uns gewohnten Welt nicht möglich ist, scheint zumindest in der Welt der Quanten ein Leichtes zu sein. Das zeigten jedenfalls David Deutsch von der University of Oxford and Richard Jozsa von der University of Bristol vor rund zehn Jahren in einer theoretischen Arbeit. Der nach ihnen benannte Deutsch-Jozsa-Algorithmus bildet das Münzproblem auf quantenmechanische Systeme ab – etwa auf die Ionen in einer magnetischen Falle. Da die Quantenmechanik auch Überlagerungen mehrerer möglicher Zustände eines solchen Systems erlaubt, ließen sich beide Seiten einer quantenmechanischen Münze gleichzeitig mit einem Blick erfassen.

Soweit die Theorie, doch in der Praxis musste der Algorithmus seine Tauglichkeit noch unter Beweis stellen. Stephan Gulde und seine Kollegen von der Universität Innsbruck und dem Massachusetts Institute of Technology versuchten sich an dieser Aufgabe – zwar nicht an einer realen Münze, aber immerhin an einem echten quantenmechanischen System, einem Calcium-Ion. Dieses Ion repräsentierte allerdings nicht die Münze, sondern den Blick oder besser gesagt die Blicke, denn sein quantenmechanischer Zustand wird tatsächlich durch eine Überlagerung beschrieben.

Die Forscher fingen dazu zunächst einmal ein einziges Calcium-Ion in einer Ionenfalle ein und hielten es im Vakuum in der Schwebe. Durch Kühlen des Ions mit Laserlicht auf Temperaturen knapp oberhalb des absoluten Nullpunkts und Anwendung maßgeschneiderter Laserpulse gelang es den Wissenschaftlern, die volle Kontrolle über die Bewegung und den Quantenzustand dieses Ions zu gewinnen – die Voraussetzung für die Durchführung der Rechenoperation nach Deutsch-Jozsa. Zu Beginn jedes Experiments versetzten die Wissenschaftler das Ion deshalb in einen genau definierten Zustand.

Wenn das Ion nun den Blick auf die Münze repräsentiert, was steht dann für das Geldstück selbst? Nichts Handfestes, sondern eine besondere Abfolge von Laserpulsen, welche das Ion beeinflusste. Je nach Art dieser Pulsfolge ließ sich so jede der vier möglichen Münzen (Kopf/Kopf, Zahl/Zahl, Kopf/Zahl sowie Zahl/Kopf) darstellen. Durch Bestrahlen des Ions mit der Pulsfolge wurde nun sein Zustand gerade so geändert, dass er am Ende Aufschluss darüber gab, welche Operation – welche Münze also – verwendet wurde.

Mit diesem Experiment, das erfolgreich einen Quantenalgorithmus vorführte, konnten Wissenschaftler also ein weiteres Mal zeigen, dass Prozessoren aus Ionenfallen mögliche Grundbausteine für zukünftige Quantencomputer sein könnten. Doch der Weg dahin scheint noch lang. Jonathan Jones, der sich ebenfalls an der University of Oxford mit Quantencomputern befasst, blickt jedoch positiv in die Zukunft: "Ob wir nun jemals ankommen oder nicht – auf dem Weg zum Ziel werden wir sicherlich noch so manche interessante Entdeckung machen."
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