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Mathematik: Zwei Schülerinnen finden »unmöglichen« Beweis zum Satz des Pythagoras

Es gibt hunderte Beweise für den Satz des Pythagoras. Zwei Schülerinnen präsentieren nun einen weiteren - und bedienen sich dafür der Trigonometrie. Lange Zeit galt das als unmöglich.
Der Satz des Pythagoras
Es ist der wohl berühmteste Satz der Mathematik. Einen Beweis dafür lieferten unter anderem Albert Einstein und der US-Präsident James Garfield.

Zwei Schülerinnen einer US-amerikanischen High-School haben den Satz des Pythagoras auf eine Weise bewiesen, die ein Mathematiker des frühen 20. Jahrhunderts für unmöglich hielt. Calcea Johnson und Ne'Kiya Jackson von der St. Mary's Academy in New Orleans haben ihr Ergebnis auf einer Tagung der American Mathematical Society im März 2023 vorgestellt. »Es ist ein unbeschreibliches Gefühl: Wir haben etwas getan, was man jungen Menschen wie uns eigentlich gar nicht zutraut«, sagte Johnson gegenüber WWL-TV, einer CBS-Tochtergesellschaft aus New Orleans. Nun haben die zwei Schülerinnen das Ergebnis in der Fachzeitschrift »American Mathematical Monthly« veröffentlicht.

Dabei widerspricht der Beweis von Johnson und Jackson dem, was der Mathematiker Elisha Loomis in seinem 1927 erschienenen Buch »The Pythagorean Proposition« erklärte: Ein trigonometrischer Beweis des Satzes des Pythagoras könne nicht korrekt sein. Die Arbeit der Schülerinnen zählt zu einer Reihe von trigonometrischen Beweisen, die im Lauf der Jahre geführt wurden und Loomis widersprechen. Jeder dieser Beweise umgeht die von Loomis vermutete unumgängliche »zirkuläre Logik«.

Der Satz des Pythagoras ist eine Gleichung, welche die Seitenlängen eines rechtwinkligen Dreiecks zueinander in Beziehung setzt. Die lange Dreiecksseite nennt man Hypotenuse, die beiden kürzen Seiten Katheten. Nach dem Satz des Pythagoras entspricht die quadrierte Länge der Hypotenuse der Summe beider Kathetenquadrate. Der Satz wird oft durch a2 + b2 = c2 ausgedrückt, wobei a und b für die Längen der Katheten und c für die Länge der Hypotenuse stehen. Die Gleichung ist zwar nach dem griechischen Philosophen Pythagoras benannt, doch einige Historiker sind überzeugt, dass er schon 1000 Jahre früher in Babylon bekannt war.

»Der Satz verbindet Algebra und Geometrie«, sagt Stuart Anderson, emeritierter Professor für Mathematik an der Texas A&M University-Commerce. »Die Aussage a2 + b2 = c2 ist eine algebraische Aussage. Aber das Objekt, von dem sie ausgeht, ist ein geometrisches.«

Mit Trigonometrie ohne Zirkelschluss zu Pythagoras

In der Trigonometrie geht es um Funktionen, die von Winkeln abhängen, etwa Sinus und Kosinus. Definiert werden sie durch rechtwinklige Dreiecke. Dazu kann man sich ein solches Dreieck vorstellen, das mit einer Kathete flach auf einem Tisch liegt und mit der anderen Kathete nach oben ragt, so dass beide einen rechten Winkel bilden. Die Hypotenuse erstreckt sich diagonal zwischen den Enden dieser beiden Seiten. Nun kann man den Winkel x zwischen Hypotenuse und dem Tisch messen. Der Sinus dieses Winkels ist als die Höhe der senkrechten Seite geteilt durch die Länge der Hypotenuse definiert. Der Kosinus ist entsprechend die Länge der horizontalen Seite geteilt durch die Länge der Hypotenuse. Der Satz des Pythagoras ist deshalb gleichbedeutend mit der Gleichung sin2x + cos2x = 1. »Viele der grundlegenden trigonometrischen ›Identitäten‹ sind nichts anderes als der Satz des Pythagoras«, erklärt Anderson und bezieht sich dabei auf Gleichungen, die Beziehungen zwischen verschiedenen trigonometrischen Funktionen beschreiben.

Würde man diese Funktionen für einen Beweis des Satzes von Pythagoras verwenden, so war Loomis überzeugt, würde man implizit den Satz von vornherein voraussetzen. Damit wäre ein solcher Beweis ein Zirkelschluss – und aus mathematischer Sicht falsch.

Doch das muss nicht immer so sein. In ihrem Vortrag auf der Tagung der American Mathematical Society erklärten Jackson und Johnson, dass eine trigonometrische Identität, der so genannte Sinussatz, nicht vom Satz des Pythagoras abhängt. Deshalb kann man diesen für den Beweis des Satzes verwenden.

Anderson hofft, dass Jacksons und Johnsons Beweis das Interesse weiterer Schülerinnen und Schüler an Mathematik wecken wird. »Ich wünschte, ich hätte noch eine Klasse, in der ich darüber sprechen könnte«, sagt er.

Einige der anderen trigonometrischen Beweise des Satzes werden auf der Website des Mathematikers Alexander Bogomolny beschrieben. Einen davon hat Jason Zimba, damals Physiker und Mathematiker am Bennington College, geführt und 2009 in der Fachzeitschrift »Forum Geometricorum« veröffentlicht. Für den Beweis nutzte er eine trigonometrische Identität, mit der sich der Kosinus und Sinus einer Winkeldifferenz x−y ohne den Satz des Pythagoras berechnen lassen. Man benötigt dafür lediglich die Kosinus- und Sinuswerte der einzelnen Winkel x und y.

»Elisha Loomis, ich selbst und zweifellos viele andere glaubten, dass kein trigonometrischer Beweis des Satzes des Pythagoras möglich ist. Ich gebe gerne zu, dass ich mich geirrt habe«Alexander Bogomolny, Mathematiker

Am 26. Oktober 2009 veröffentlichte Bogomolny den Beweis von Zimba auf seiner Website und schrieb: »Elisha Loomis, ich selbst und zweifellos viele andere glaubten – und glauben immer noch –, dass sich der Satz des Pythagoras trigonometrisch nicht beweisen lässt … Ich gebe gerne zu, dass ich mich geirrt habe.« Im Lauf der Zeit ergänzte Bogomolny seine Website um weitere trigonometrische Beweise. Einer davon lässt sich sogar in nur vier Zeilen führen.

Das zeigt, wie selbst einfache Mathematik noch immer überraschen kann. »Ich denke, wir Mathematiker haben gelernt: Wir behaupten nicht mehr, dass etwas unmöglich ist, denn im Laufe der Jahre haben wir uns damit einfach zu oft blamiert «, sagt Anderson.

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  • Quellen
Jackson, N., Johnson, C.: Five or Ten New Proofs of the Pythagorean Theorem. The American Mathematical Monthly 9, 2024

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