Hirtenhunde: Zwei simple Tricks bringen die Herde ans Ziel
Wie gelingt es einem Hund, im Wirrwarr einer blökenden Schafherde die Übersicht zu behalten? Angenommen, der Schäfer gibt das Kommando, die Herde Richtung Gatter zu treiben – woher weiß der Hund, wie er sich zu bewegen hat?
Ein vergleichsweise simple Antwort auf dieses bereits vielfach beackerte "shepherding problem" – das Schafhüteproblem – liefert jetzt ein Team um Daniel Strömbom von der Universität Uppsala: zwei Tricks. Mehr muss ein Hund im Prinzip nicht beherrschen.
Zum einen, ergab die Studie, muss er erkennen, wenn sich Tiere weit vom Massenmittelpunkt der Herde entfernt haben. Gibt es solche Einzelgänger, bewegt er sich auf einen Punkt zu, der jenseits des Einzelgängers in der Verlängerung der Strecke Schaf – Herde liegt. Das Tier trottet daraufhin aus Furcht vor dem Hund wieder Richtung Massenmittelpunkt der Herde zurück.
Der Hund "sieht im Wesentlichen weiße, flauschige Dinge vor sich", erklärt Studienleiter Andrew King von der Swansea University. "Wenn er Lücken zwischen den Schafen sieht oder diese Lücken größer werden, dann muss er sie wieder zusammenbringen."
Zum anderen muss er die Richtung zum Ziel kennen, das ihm der Schäfer vorgibt. Ist die ganze Herde innerhalb eines gewissen Radius versammelt, bewegt sich der Hirtenhund auf eine Position hinter der Herde (relativ zum Ziel) zu, die Schafe trotten von ihm weg, der Hund rückt nach. Machen sich dabei Tiere selbstständig, wird erneut Regel 1 aktiv.
Seit Jahren feilen Wissenschaftler an einer realistischen Algorithmisierung des Schafhüteproblems. In der Theorie könnte es sich auf diverse Situationen anwenden lassen: die Steuerung von Menschenmassen, das Einsammeln von treibendem Müll im Ozean oder – etwas konkreter – das Hüten von Herden mit autonomer Hilfe, beispielsweise durch Drohnen. In der Praxis handelt es sich wohl aber schlicht und ergreifend um ein reizvolles Beispiel für kollektive Verhaltensweisen. Forscher konkurrieren um das effektivste Modell.
Simples Modell hält auch große Herden in Schach
Trotzdem: Die richtig überzeugenden Lösungen seien noch nicht gefunden worden, urteilt die Gruppe um Strömbom. Ältere Ansätze gerieten nicht nur bedeutend rechenaufwändiger, sondern hätten auch bei Herden mit mehr als 50 Tieren versagt. Mit ihrem Verfahren hingegen könne der simulierte Hund sogar noch die doppelte Menge an Tieren ins heimische Gatter lotsen.
Überdies verglichen sie die Bewegungen, die aus der Anwendung der beiden Regeln entstehen, mit denen einer echten Schafherde und eines echten Hirtenhunds in Australien. Dabei zeigten sich erstaunliche Übereinstimmungen. Die mit GPS-Sensoren ausgestatteten Tiere vollführten ganz ähnliche Tänze wie die computersimulierten, vor allem das typische seitliche Hin- und Herlaufen des Hunds beim Treiben hätten andere Forscher explizit einprogrammieren müssen. Im Modell von Strömbom und Kollegen ergibt es sich hingegen von ganz allein.
Mit ihrem Zwei-Regel-Modell scheinen die Wissenschaftler also das Schafhüteproblem bereits einigermaßen eingekreist zu haben. Freilich handelt es sich dabei um eine künstlich stark reduzierte Version: In der Realität kann der Schäfer mit einer Vielzahl von Kommandos eingreifen und seinen Hund im Zweifel an die entscheidenden Stellen lenken. Auch der schlaueste Hund verliert ja womöglich einmal den Überblick, wo gerade der Massenmittelpunkt seiner flauschigen Herde liegt.
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